Auch im Jahr 2018 wirft das von vielen Filmfans anspruchsvoller Kinounterhaltung regelrecht gefürchtete Sommerloch seine Schatten voraus. Aus diesem Grunde erwies sich die Inanspruchnahme des (nicht ganz auf aktuellstem Stand befindlichen) Arthaus-Programms anhand vom bereits auf dem Sundance Festival von 2017 erstveröffentlichten „Wind River“ als absoluter Segen. Taylor Sheridan, seines Zeichens hochgelobter Drehbuchautor für den Thriller „Sicario“ und den mehrfach oscarnominierten Western „Hell Or High Water“, nahm nun erstmals parallel zu seiner Autorentätigkeit auf dem Regiestuhl Platz und erhielt in Cannes prompt den hochdotierten Preis für die „Beste Regie“. Diese Ehrung geschah keinesfalls unverdient, wie einem die Sichtung des Kriminaldramas schon nach kurzer Zeit zu offenbarte…
Inmitten eines Frühlings voll von meteorologischen Superlativen bildet die im klirrend kalten Winter des dünn besiedelten US-Bundesstaats Wyoming zu verortende Geschichte ein willkommenes Gegengewicht und illustriert einen verschlungen gestalteten Mord an einer jungen Indigenen mit selten gesehener Intensität. Insbesondere im ersten Drittel entladen sich mehrere, wahrscheinlich sogar unbeabsichtigt eingeführte Reminiszenzen auf „Das Schweigen Der Lämmer“, die trotz geringen Mitteleinsatzes für teilweise atemlose Spannung sorgen. Die Klasse des genannten Meistwerks mag „Wind River“ aufgrund einer schwächelnden Mittelphase zweifelsohne nicht in Gänze erreichen, nichtdestotrotz überzeugt vor allem die Synthese des starken Skripts mit einer grandiosen Kamera- und Schnittarbeit. Psychologisch haftet das Gebotene trotz Einführung einer Vielzahl an Personen konsequent auf der Gefühlswelt des Jägers Cory und der unerfahrenen FBI-Agentin Jane, lässt jedoch auch ausreichend Raum für den unbändigen, nachfühlbar werdenden Schmerz der übrigen Beteiligten. Sheridan gelang es in diesem Kontext einen ungeschönten Spiegel einer in Abgeschiedenheit lebenden Gesellschaft zutage zu fördern, die aufgrund ihrer Einsamkeit, Perspektivlosigkeit und Angst vor dem Verlassenwerden schrittweise zu verrohen droht. Der elegant zwischen wehmütigen Klängen und dröhnenden Arrangements pendelnde Soundtrack stammt von keinem Geringeren als Nick Cave, der in den 1990ern mit „Where The Wild Roses Grow“ eines der besten Duette aller Zeiten kreierte und im konkreten Fall sein Bestes tat, um die teils nur schwer zu ertragenden Bilder zu unterstützen. Des Weiteren wartet die Produktion mit einer authentisch agierenden Darstellerriege auf, aus der vor allem Jeremy Renner in einer auf den Leib geschriebenen Paraderolle, Elizabeth Olsen als harmonischer Gegenpol sowie der verhältnismäßig unbekannte Gil Birmingham mithilfe einer Szene, die einen förmlich in die Magengrube trifft, herausragen.
Dass „Wind River“ trotz veritabler Vorschusslorbeeren letzten Endes von Seiten der Academy vollständig ignoriert worden ist, dürfte in nicht unerheblichen Maße mit dem Umstand zusammenhängen, dass die mittlerweile geächtete Weinstein Company als Produzent fungierte. Dessen ungeachtet stellt die nachwirkende Genremischung eines der besten Erstlingswerke seit Langem dar, lanciert die immense Bedeutung menschlicher Rachegelüste und erweist sich gleichermaßen als gekonnt inszenierter Appell gegen Diskriminierung von Minderheiten sowie als moderate Missbilligung des häufig versagenden, amerikanischen Polizeiapparats.