Angesichts David Finchers neustem Streich Mank, der Herman J. Mankiewicz kreativen Schaffensphase von Citizen Kane, samt politischen und gesellschaftlichem Umfeldes beleuchtet, hab ich mir nach Jahren eine erneute Sichtung gegönnt und bin verzückt über die vielen Referenzen zum Mammutwerk, welches immer wieder die Liste der Besten Filme aller Zeiten anführt und möchte ihn Euch (wieder) etwas näher bringen.
Das Werk beginnt mit der Todesnacht des Zeitungsmagnaten Charles Foster Kane und seinem letzten Wort Rosebud, welches der Nachwelt ein scheinbar unlösbares Rätsel aufgeben sollte. In Rückblenden wird sein Aufstieg und Fall erzählt, beginnend im zarten Alter von acht Jahren. Wir sehen den jungen Charles Foster Kane, der an einem Wintertag draußen vor dem Fenster im Schnee spielt, während drin über seine Zukunft entschieden wird. Dies ist nicht nur das Schlüsselereignis, sondern vielmehr auch traumatische Erlebnis, welches ihn nie wieder loslassen sollte, bis zu jener Nacht in der er starb…
Sowohl visuell als auch narrativ ist diese Szene ein Paradebeispiel dafür, wie Orson Welles in seinem Regiedebüt zu Erzählen gedenkt und mit diverser neuer Techniken, wie die der eben angesprochenen Tiefenschärfe, die Filmwelt nachhaltig prägen sollte wie es keinem Regisseur vor ihm dies zuvor gelang. Noch erstaunlicher, dass es Welles Langzeit Regiedebüt darstellen sollte. Doch Vorsicht sei geboten, denn auch wenn einem schnell klar wird, wie wie weit Orson Welles seiner Zeit voraus war, ist eine intensive Recherche über das Mammutwerk ratsam, um die Tragweite des filmischen Schaffens entsprechend würdigen zu können. Narrativ gesehen, wirkt er ähnlich kühl wie Mank, da die Hauptfigur Charles Foster Kane nicht unbedingt als Sympatieträger fungiert, ähnich wie auch Herman J. Mankiewicz als keiner gilt. Dennoch fasziniert Orson Welles Portrait des Mannes, der alles zu haben schien und im Herzen doch ein einsamer Mann war. Entsprechend emotional die Auflösung des Rätsels um die Frage, was es mit seinem letzten Wort auf sich hatte und man dies vorher auch nicht in Erfahrung bringen sollte.
Faszinierend, neben der ganzen technischen Raffinesse, jedoch auch der kritische Blick auf die Medien bzw. in dem Fall auf die Zeitungen, mit der Kane die Massen kontrollierte, Politiker an die Macht brachte, genauso wie er sie zum Sturz bringen konnte. Im Vordergrund steht jedoch die Zerstörung eines Mannes durch die Macht, glänzend gespielt, inszeniert und komplex erzählt. Vor allem die Wandlungsfähigkeit Welles beeindruckt, der alle Dekaden von Kane selbst spielt, unterstützt von einem herausragenden Make-up, der die meisten heutigen Produktionen dagegen alt aussehen lässt.
Bei der Oscarverleihung des Jahres 1942 erhielten lediglich Welles und Mankiewicz den Oscar für das „Beste Originaldrehbuch“. Welches bei 9 Nominierungen, inkl. Film, Regie und Hauptdarsteller, aus heutiger Sicht einem Skandal anmutet, war der massiven Medienhetze von William Randolph Hearst geschuldet, auf den die Figur des Charles Foster Kane zu großen Teilen basierte, der selber als US-amerikanischen Verleger und Zeitungsmagnat die öffentliche Meinung prägte und der nicht müde wurde Citizen Kane als den Anti-Hollywood-Film schlichthin darzustellen – mit Erfolg, welch Ironie!