Narzisstische Machtspielchen innerhalb einer stinkreichen Familie, die ihren Ruhm, so will es das westliche Wertesystem, auf dem Prinzip der grenzenlosen Ausbeutung aufgebaut hat. Realgetreuer und wahnwitziger lässt sich der Zustand unseres Systems nicht portraitieren.
Mit Preisen überhäuft, von Kritikern gefeiert und Fans geliebt: Die Melange aus Mediensatire und Shakespear’schem Familiendrama mit einem Cast der Extraklasse hat immer neue Höhen erreicht. Nun folgte der unverhofft frühe Abschied von den Roys. Ist das Finale ein letztes Hurra oder hat man den perfekten Absprung bereits verpasst? Hier erfahrt ihr es!
Staffel 1
Logan Roy besitzt ein gewaltiges Unternehmen, ist unglaublich reich und feiert bald seinen achtzigsten Geburtstag. Er ist außerdem eine Bestie. Alles, was er besitzt, hat er sich selbst erkämpft und jedes Quäntchen Macht, jede Milliarde verteidigt er ruchlos – gegenüber anderen Unternehmen, gegenüber Behörden und gegenüber drei seiner Kinder. Die sind auf dem Papier erwachsen, aber charakterlich in der Pubertät hängengeblieben, vulgär und sozial unbeholfen. Dennoch eint sie der Wunsch, das Erbe ihres Vaters anzutreten, auf das sie meinen, durch ihr Geburtsrecht Anspruch zu haben.
Kendall ist zu Beginn der Auserwählte – wir lernen ihn gleich nach der Eingangssequenz und konträr zu Logan als äußerst motivierten Anzugträger kennen, der sich in einer S-Klasse zu pumpenden Rap-Beats in den Hauptsitz des Unternehmens chauffieren lässt. Dort soll er einen Deal einfädeln, versaut es durch seine Unerfahrenheit aber gründlich. Und so beginnt das Drama um Logans Nachfolge.
Succession ist kein Epos, keine Welt der großen Gesten, in der man einen Stellvertreter finden möchte. Stattdessen ist Subtilität angesagt. Wir werden ohnehin von vielen abgenutzten Klötzern aus dem Serien-Baukasten verschont, wie Rückblenden für Küchenpsychologen, Erklärbär-Dialogen für Second-Screen-Junkies oder ausufernden, aber letztlich unbedeutenden Nebenhandlungen für notorische Zeittotschläger. Kurzum ein angenehm klischeefreies Kondensat, von dem langsam zu nippen sich wirklich lohnt.
Die Serie zeigt uns im Wesentlichen Menschen, die an unterschiedlichen Orten miteinander reden und dabei nur in absoluten Ausnahmefällen das sagen, was sie denken oder meinen. Worte bedeuten hier nichts, sie dienen der Imagepflege, der Manipulation, der Bereicherung und dem Machtgewinn. Passenderweise fundieren Medienhäuser das Imperium von Logan Roy, Text und Bild sind für ihn der Schlüssel zur Macht, die bis zum Präsidenten der Vereinigten Staaten reicht.
Der Reiz der Serie: Das Offensichtliche ist meist amüsant, aber wenn wir uns nur darauf konzentrieren, verpassen wir das Wesentliche. Kurze Augenblicke, auch von Randfiguren, offenbaren manchmal mehr als Minuten der messerscharfen Dialoge. Das wirkliche Geschehen findet in dieser Serie aber jenseits des Wahrnehmbaren statt. Die Motivationen der Figuren sind die Quelle des eigentlich Komischen und zugleich Tragischen in der Serie, wenn wir diese ergründen. Scheinbar sind das Macht und Geld, was allein für genügend lustige Momente, Fremdscham eingeschlossen, sorgt, aber darunter sind viel elementarere Bestrebungen verborgen. Es geht um die zutiefst menschlichen Sehnsüchte nach Anerkennung und Liebe, die den Charakteren oft selbst nicht bewusst sind.
Fazit: Succession ist nur vordergründig eine Serie über das Leben von superreichen Unsympathen – das Setting ist eine Folie, eine gedankliche Spielwiese, auf der jede Figur durch ihren Reichtum tun und lassen kann, was sie will, also maximal frei ist. Niemand muss sich dort de facto um seine Zukunft sorgen oder gar ums Überleben kämpfen, dennoch machen die Beteiligten sich das Leben zur Hochglanz-Hölle. In den Fragen, die sich die Figuren stellen und den Irrwegen, die sie durchlaufen, spiegeln sich aber die Fragen und Irrwege aller Menschen wider und das zu beobachten ist anregend und auf mehreren Ebenen unterhaltsam.
Folgen-/Wertungsübersicht:
- Der achzigste Geburtstag – 8,0/10
- Konkurrenzkampf – 8,0/10
- Die Strategie der tausend Rettungsboote – 8,0/10
- Wohltätigkeitsball – 8,5/10
- Thanksgiving – 8,5/10
- Auf wessen Seite stehst Du? – 9,0/10
- Familientherapie – 8,5/10
- Prag – 8,5/10
- Affären – 8,5/10
- Feindliche Übernahme – 9,5/10*
Gesamt: 8,5/10
Staffel 2
„You’re not a killer. You have to be a killer.“ Sagt ein Vater seinem Sohn, als dieser fragt, ob er ihn jemals ernsthaft in Betracht gezogen hat, um eines Tages das Familienimperium zu übernehmen. Sagt ein Vater seinem Sohn, den er genau in diesem Moment ans Messer liefert, um einen Skandal auszubaden, für den eigentlich er selbst verantwortlich ist. Sagt ein Vater seinem Sohn, der noch immer völlig traumatisiert ist, weil er erst vor wenigen Monaten tatsächlich für den Tot eines Menschen verantwortlich ist – was der Vater natürlich weiß und zu verschleiern half.
Succession ist 2019 u.a. mit 7 Emmys, inkl. „Beste Drama-Serie des Jahres“ ausgezeichnet worden und in vielerlei Hinsicht hat die zweite Staffel das tragikomische HBO-Familiendrama sogar auf eine neue Ebene gehoben. Während in der Auftaktstaffel die Roy-Erben Kendall (Strong), Roman (Kieran Culkin) und Shiv (Sarah Snook) nur wie verzogene Rotzlöffel mit überzogenem Anspruchsdenken rüberkamen, sind sie nun endlich erwachsen geworden und jeder Einzelne von ihnen würde einen formidablen Thronfolger des Patriarchen Logan (Brian Cox) abgeben. Und auch dessen Motive wurden deutlicher denn je, nachdem er anfangs ein so perfektes Pokerface beibehielt, dass man ihn nicht im Geringsten greifen konnte. Die Stärken, Schwächen und Ziele aller wichtigen Akteure sind nun also klar. Jetzt kann das Spiel der Macht so richtig losgehen.
Leider ist es unmöglich, alle fantastischen Nebenhandlungsstränge der neuen Staffel vollends anzuteasern – von Connors (Alan Ruck) peinlicher Präsidentschaftskampagne und dem gefloppten Theaterstück seiner Geliebten Willa (Justine Lupe) über Romans Romanze beziehungsweise sexuelles Abenteuer mit Familienschoßhund Gerri (J. Smith-Cameron) bis hin zu Cousin Gregs (Nicholas Braun) Bemühungen, ein echter Mann zu werden. Dennoch hängt in der komplexen Erzählweise von Succession alles irgendwie miteinander zusammen. Zwar wirkt manches manchmal chaotisch, doch vermutlich ist das genauso beabsichtigt. Die Superreichen sind sprunghaft und launisch – und genau das macht sie so unterhaltsam. Ähnlich war es ja schon mit den Göttern der griechischen Sagen.
Die zwei Haupthandlungsstränge, die sich etwa zur Mitte der Staffel die Klinke in die Hand drücken, sind die zum Scheitern verurteilte Fusion mit dem prinzipientreuen Pierce-Clan, angeführt von Old Nan (Emmy gekrönt: Cherry Jones) und Rhea Jarrell (Holly Hunter), sowie der hausinterne sexuelle Belästigungsskandal von Waystar Royco, der landesweit für Schlagzeilen sorgt und für den die Roys sogar in den Kongress vorgeladen werden, um sich vor der Öffentlichkeit zu verantworten. Diese Affäre ist es auch, die am Ende einem Mitglied der Familie den Kopf kosten wird. Und die gesamte Finalfolge dreht sich um die Frage, wer für dieses Blutopfer am besten geeignet wäre. Grandios!
Zwar wirkt die Szene zunächst wie der krönende Abschluss der Familienfehde, doch im Prinzip ist Succession nun spannender denn je. Das Spiel um das Imperium hat gerade erst begonnen…
Folgen-/Wertungsübersicht:
- Sommerpalast – 9,0/10
- Vaultier – 8,5/10
- Wildschweine – 9,0/10
- Panikraum – 9,0/10
- Deal nach Plan – 9,5/10
- Argestes – 9,0/10
- Überzeugungskunst – 8,5/10
- Jubiläumsfeier – 9,5/10
- DC – 9,5/10
- Opferlamm – 10/10*
Gesamt: 9,1/10
Staffel 3
Fortgesetzt wird die Geschichte einige Zeit nach der schockierenden Pressekonferenz im Finale der zweiten Staffel, das inzwischen fast zwei Jahre her ist und in der die Karten des Familien-Imperiums neu gemischt wurden. Interessant vor allem, wie sich Roy-Clan positioniert und auch Gerri (J. Smith-Cameron) und Marcia (Hiam Abbass) dürften ihren Einfluss geltend machen. Mehr Screentime kriegen in der neuen Staffel übrigens auch Justine Lupe als Connors Gattin Willa, David Rasche als Waystar-CFO Karl Muller und Fisher Stevens als Krisenmanager Hugo Baker.
Um die Sache noch verstrickter zu machen, kommen noch ein paar neue Charaktere ins Spiel: Sanaa Lathan (The Affair) spielt die bestens vernetzte New Yorker Anwältin Lisa Arthus, Linda Emond (Lodge 49, Madam Secretary) spielt eine hochrangige Mitarbeiterin im Weißen Haus und die südkoreanische Sängerin Jihae spielt eine mächtige PR-Beraterin. Hope Davis (Your Honor) tritt derweil aus Sandi Furness auf, Tochter von Logans Erzrivalen Sandy Furness (Larry Pine).
Ebenfalls neu dabei: Alexander Skarsgard (Big Little Lies, True Blood) als streitsüchtiger Technikunternehmer Lukas Matsson. Der Oscarpreisträger Adrian Brody (Billions) spielt außerdem als milliardenschwerer Aktivist mit, der eine Schlüsselrolle im Kampf um die Macht bei Waystar Royco einnehmen könnte. Schlägt er sich auf die Seite von Kendall oder Logan – oder bootet er am Ende vielleicht sogar beide aus? Am Ende der dritten Staffel müssen alle Hauptfiguren, die am familieninternen Krieg beteiligt waren, einen immensen Preis bezahlen. Keiner von ihnen kann sich wirklich als Gewinner fühlen.
Vom zu Beginn der Staffel so angriffslustigen Kendall ist nach diversen Rückschlägen kaum noch was übrig. Nachdem er sich im fiesen Cliffhanger-Finale der vorletzten Folge beinahe selbst ertränkt hätte, streckt er nun endlich seine Hand aus. Dummerweise sind da nur Shiv und Roman, die selbst nicht viel stärker sind, um ihn zu stützen. Wie die Zwei auf sein Geständnis zum toten Kellner reagieren, ist einfach Peak-Succession! Zumal der bereits Emmy-prämierte Serienstar Strong seine vielleicht eindrucksvollste Darbietung hinlegt.
Der zweite MVP der neuen Staffel heißt sicherlich Kieran Culkin aka Romulus „Dickpic for Daddy“ Roy. Er legt eine beachtliche Entwicklung hin, indem er sich als letzter Logan-Spross vom Übervater abnabelt. Wobei man spürt, wie unwohl er sich damit fühlt. Roman ist übrigens derjenige, der die meisten verbalen Seitenstiche von seinem Senior verpasst bekommt. Hiermit sind vor allem die Gespräche gemeint, wenn Logan sichtbar angewidert abklopft, was mit seinem Sohn nicht stimmt. Die Ironie, dass er es war, der ihn so zugerichtet hat, ist bei dem alten Mann natürlich verloren.
Ein kleiner Schlüsselmoment ist in der Finalfolge „All the Bells Say“ dem sonst absichtlich vernachlässigten Connor (Alan Ruck) vergönnt, der seine verwöhnten Halbgeschwister daran erinnert, dass er in Wahrheit der Erstgeborene ist und seine Präsidentschaftskandidatur nun wasserdicht sein sollte. Obwohl Connor selbst im Weißen Haus nicht den Respekt kriegen würde, den er sich von seiner Familie wünscht. Wie unbedeutend das höchste Amt des Landes aus Sicht der superreichen Roys ist, zeigt die Episode „What It Takes“.
Dass die Reichen merken, dass selbst das größte Imperium am Ende nichts wert ist, ist ein sich wiederholendes Thema bei Succession. Jeder Erfolg wird langweilig, was nur die wissen, die einsam an der Spitze stehen. Wachstum nur um des Wachstums willen, damit ein Mann wie Logan am Ende seines langen Lebens in Zahlen zu sehen, wie gut er in dem Spiel war. Aufgebaut wird dabei gar nichts, nur zerstört. Einige Leute sehen im Familiendrama daher auch eine Analogie auf die Klimakrise und das Ende der Vormachtstellung der Vereinigten Staaten.
Alles in allem war es wieder mal eine starke Succession-Staffel, die vor allem mit einem würdigen Finale aufwartet und abermals durch die majestätische Musik von Nicholas Britell und den gewieften Humor von Showrunner Jesse Armstrong sich von der Konkurrenz abhebt. Folgerichtig hat auch die dritte Staffel von Succession im Herbst 2020 den Emmy Award in der Königsdisziplin der besten Dramaserie erhalten, auch wenn diese nicht ganz mit der Vorgängerstaffel mithalten kann und „nur“ 3 Emmys erhielt.
Folgen-/Wertungsübersicht:
- Eigene Wege – 8,5/10
- Trojanisches Pferd – 8,0/10
- Bloßgestellt – 8,5/10
- Strandspaziergang – 8,0/10
- Aktionärsversammlung – 8,5/10
- Der Kandidat – 8,0/10
- Geburtstagsparty – 8,5/10
- Deal unter Gleichen – 9,0/10
- Der Familienbetrieb – 9,5/10*
Gesamt: 8,5/10
Staffel 4
Patriarch Logan Roy und seine dysfunktionale Familie kehren für einen vierte und letzte Staffel zurück. Kurz vor dem Verkauf des Konzerns eskaliert der Streit zwischen dem Vater und seinen dauerrivalisierenden Sprösslingen. Die Mischung aus Mediensatire und Familiendrama gilt vielen als eine der besten Serien der letzten Jahre und dies vollkommen zurecht, denn während andere Serien wie Game of Thrones in der finalen Staffel alles gegen die Wand fahren, läuft Succession noch einmal zu Hochform auf.
Wie geht es weiter für den Medienkonzern Waystar Royco? Logans (Brian Cox) geplanter Verkauf des Unternehmens an den Tech-Visionär Lukas Matsson (Alexander Skarsgård) rückt immer näher. Geht der Deal ohne Probleme über die Bühne? Und was bedeutet das für die Zukunft der Roy-Geschwister (u.a. Jeremy Strong, Kieran Culkin)? Die Aussichten lösen bei den Roys existenzielle Ängste und familiäre Spannungen aus. Während sich neue Machtkämpfe anbahnen, kriselt es in der Ehe von Shiv und Tom (Sarah Snook, Matthew Macfadyen) gewaltig.
Succession ist eine dieser Serien, bei denen es zugegebenermaßen etwas langweilig klingen kann, wenn man nur die Handlungspunkte abspult. Wenn man bedenkt, dass es in der Serie um Milliardäre geht, kann es so aussehen, als würde man sich leicht von ihnen lösen. Im Laufe der Episoden wird man jedoch immer tiefer in diesen satirischen Einblick in eine Welt hineingezogen, die so anders ist als unsere eigene, aber dennoch existiert. Staffel 4 ist der Höhepunkt all dessen. Es ist unser letzter Akt, denn die Familie Roy ist so kaputt wie eh und je, das Familienunternehmen scheint zum Verkauf zu stehen und sie haben innerhalb weniger Wochen eine Präsidentschaftswahl zu bewältigen. In seiner letzten Staffel erzeugt Succession durchgehend ein hektisches Gefühl, da ein Problem nur zum nächsten führt. Es ist fast klaustrophobisch, da wir oft Zeit in kleinen Büros oder im Backstage-Bereich einer Redaktion verbringen, getrennt von der Atempause der Außenwelt und gezwungen, mit diesen Charakteren zu leben, während sie schreckliche Entscheidungen treffen, um die Chance zu haben, den kleinsten Gewinn zu erzielen.
Brian Cox, Jeremy Strong, Sarah Snook, Kieran Culkin, Matthew McFadyen – sie alle erwecken die Charaktere der Roy-Familie zum Leben und vollbringen in jeder Episode das nahezu Unmögliche, während Ihre Gefühle, diese Charaktere für das zu hassen, was sie sind, aber wollen, dass sie alle erfolgreich sind, sich zu einer verwirrenden Mischung vermischen. Ein besonderes Nicken muss Alexander Skarsgård als Lukas Matsson gegeben werden, dem übergreifenden Antagonisten (wenn man einen wirklich in einer Serie wie Succession haben kann) von Staffel 4. Er ist wieder manchmal unglaublich sympathisch, kann aber auch diesen seltsamen Charme umdrehen, um ihn zu der Person zu machen, von der man hofft, dass sie am Ende der Staffel am weitesten fällt.
Fazit: Die finale Staffel ist das glitzernde Sahnehäubchen auf einem ansonsten herausragenden Kuchen. Es schafft es auch, das seltene erfolgreiche Ende für eine beliebte Fernsehserie zu erreichen, da es auf eine Weise endet, die nur Succession tun könnte: Bitterböse und mit ultimativen Ende für jede der Hauptfiguren. Und einer finalen Komposition des Leitmotivs zum Niederknien. Ein Emmy-Regen garantiert!
Folgen-/Wertungsübersicht:
- De Munsters – 8,5/10
- Probeessen – 9,0/10
- Connors H0chzeit – 9,5/10
- Stellungnahme – 9,5/10
- Norwegen – 9,0/10
- Investorentag – 9,0/10
- Reiner Tisch – 9,0/10
- Amerika wählt – 9,5/10
- Church and State – 10/10
- With Open Eyes – 10/10
Gesamt: 9,3/10