„Die Passion Christi“ vs. „Die letzte Versuchung Christi“

Die Passion Christi vs Die letzte Versuchung Christi

Ein Vergleich dieser beiden Filme hat sich für mich schon immer aufgedrängt, denn sie vereint mindestens genauso viel wie sie inhaltlich trennt. In beiden Werken geht es natürlich um das Leben und Sterben Christi und beide galten zu ihrer Zeit als absolute Skandalfilme, „Die Passion Christi“ sogar bis dato als der umstrittenste Film aller Zeiten.
Was aber machte gerade diese beiden Filme zu solchem Zündstoff? Religiöse Inhalte kochen zwar immer wieder verschiedenste Gefühle bei Gläubigen wie Nicht-Gläubigen hoch, aber schließlich gab es auch schon Dutzende Bibelfilme bzw. Verfilmungen des Leben und Leiden Jesu zuvor und keiner (vielleicht noch mit Ausnahme des „Leben des Brian“) hat zu solch massiven Protesten geführt.

Nun beide stehen sozusagen am jeweils anderen Ende ein- und desselben Spektrums. „Die Passion Christi“ von Mel Gibson hält sich literarisch streng an die vier Evangelien des Neuen Testaments der Bibel, stellt Jesus von Nazareth als moralische, starke Persönlichkeit dar, der alle Pein und Qualen die er über sich ergehen lassen muss demütig und mit schier übermenschlicher Fassung hinnimmt. „Die letzte Versuchung Christi“ hingegen beruht auf einem ebenfalls umstrittenen Roman des wohl berühmtesten zeitgenössischen griechischen Autors Nikos Kazantzakis (von ihm stammt u.a auch „Alexis Sorbas“), in dem Jesus als gebrochener, von Visionen geplagter einfacher Mensch dargestellt wird, der immer wieder mit sich hadert, lange nicht weiß was seine Bestimmung ist bzw. wie er letztlich mit dieser großen Bürde umgehen soll und der bis zuletzt darauf hofft, dass ihm das Schicksal des Märtyrertodes doch erspart bleibt. Im heutigen filmischen Sprachgebrauch würde man den Jesus aus „Die Passion Christi“ ganz klar als tragischen Helden, ja fast schon Superhelden bezeichnen, während man den Jesus aus „Die letzte Versuchung Christi“ wohl als gebrochenen, zwiespältigen Anti-Helden charakterisieren würde.
Diese letztgenannte Darstellung hat seinerzeit bei den großen Kirchen, sowie stark konservativen Christen weltweit zu regelrechtem Entsetzen geführt. Die katholische Kirche hatte massiv zum Boykott des Films aufgerufen und im Laufe der Proteste gab es sogar vereinzelt stark gewalttätige Auseinandersetzungen, z.B. als in Frankreich ein Brandanschlag auf ein Kino verübt wurde. Der Ansicht der Protestler nach war „Die letzte Versuchung Christi“ pure Blasphemie, da das gebrochene, zeitweise sogar gegen Gottes Fügung gerichtete, Handeln Jesus im krassen Widerspruch zur christlichen Heilsbotschaft stehe.

„Die Passion Christi“ hingegen hatte mit ganz anderen Vorwürfen zu leben. So gab es ebenfalls weltweite Proteste (auch aus den Reihen der Kirchen!), weil dieser Film zum einen extreme Gewalt verherrliche und die gezeigten Folterszenen nur Mittel zum Zweck seien, ja sogar als perverser Fetisch bezeichnet wurden. Zum anderen wurden ihm stark antisemitische Tendenzen vorgeworfen, da die Filmemacher die seitens der katholischen Kirche bis zum 2. Vatikanischen Konzil verbreitete „Kollektivschuld“ der Juden am Tod Jesu wieder aufgegriffen hätten, sowie unreflektiert Stellen aus den Evangelien übernommen, ja sogar manipulativ ausgewählt hätten.

Die Maßgabe ist also klar, ich als gläubiger Katholik müsste daher eigentlich „Die letzte Versuchung Christi“ verteufeln und dürfte „Die Passion Christi“ zumindest nicht offiziell loben. 😉 Doch ich kann ehrlich gesagt mit den Vorwürfen für beide Filme nichts anfangen.
„Die Passion Christi“ mag vielleicht auf den ersten Blick für Jemanden der noch nie die Bibel gelesen oder eine Kirche von innen gesehen hat, ein wenig so wirken als wären die gemeinen Juden die Bösen und Jesus sowie die Apostel (ja sogar Pontius Pilatus!), die Guten, doch das ist in meinen Augen absolut hanebüchener Quatsch! Natürlich steht in der Bibel geschrieben, dass die jüdischen Hohepriester und das Gros des gemeinen Volks Jesus für einen Ketzer hielten. Er hat sich ihnen schließlich als Sohn Gottes offenbart, und wurde entsprechend verurteilt und gerichtet. Und nichts Anderes zeigt Mel Gibson hier. Es werden mind. genausoviele grausame Römer gezeigt, aber auch einige Juden die die Behandlung und den Tod Jesu betrauern. Von offensichtlichem Antisemitismus keine Spur, zumindest nicht mehr als in der Bibel! Und auch die Thematik der Kollektivschuld wird hier nicht bedient. Ich liebe den Film und habe deswegen trotzdem keine Ressentiments gegen Juden, potzblitz aber auch. 😉
Und auch die Thematik der Gewaltverherrlichung erschließt sich mir nicht. Ich bin in einer „Römerstadt“ aufgewachsen und kenne mich daher doch recht gut mit der römischen Geschichte aus. Die alten Römer waren nun mal neben all der kulturellen Errungenschaften im Kern doch ein militärisches Volk, das auch vor (aus heutiger Sicht) grober Gewalt nicht zurückschreckte und diese sogar als Volksbelustigung einsetzte (ich erinnere nur an den „Circus“). Die Kreuzigung war damals eine weitverbreitete Tötungsmethode für Schwerverbrecher und auch die dieser vorausgehende Geißelung war eine brutalstmögliche Foltermethode. Die Darstellung der Geißeln im Film sind zudem historisch absolut korrekt! Dies waren Peitschen mit kleinen Widerhaken die die Haut der Opfer zerfetzen sollte. Das die Geißelungsszene in „Die Passion Christi“ auf volle 15 Min. ausgewälzt wird kann man zwar kritisieren, aber für die Dramatik und die „Authentizität“ des Films ist das perfekt umgesetzt. Zudem wird mir als Christ dabei jedes Mal aufs Neue bewußt, was Jesus für uns Menschen durchlitten hat.

Aber auch die bereits oben erwähnte Kritik an „Die letzte Versuchung Christi“ finde ich reichlich überzogen. Natürlich beruht das Drehbuch auf einem kirchenkritischen Buch, aber da sind wir m. E. auch schon beim Kern der Sache. Es ist KIRCHENkritisch, aber in keinster weise antireligiös oder blasphemisch (und selbst wenn dem so wäre, wir leben gottseidank in einer freien Gesellschaft in der alle Meinungen erlaubt sind und Kunst alles darf). Im Gegenteil! Gerade die Unsicherheit, das Hadern mit dem eigenen Schicksal, die blanke Angst vor dem Sterben, all das zeigt die menschliche Seite an Jesus. Und genau das war die historische Person Jesus nun mal, ein Mensch. Ein Mensch der garantiert Zweifel und Ängste hatte, der aber auch eine Mission hatte, nämlich das Leben der Menschen in der damaligen Zeit zu verbessern. Egal ob man nun tatsächlich der Meinung ist, dass er Gottes Sohn war oder nicht, das ist im wahrsten Sinne Glaubenssache.
Im Film geht es aber auch, wie bereits der Titel sagt, um die Versuchungen des Teufels und wie Jesus ihnen beinahe erlegen wäre. Somit dürfte die Schlüsselszene des Films, als Jesus vom Kreuz herabsteigt, der Hauptgrund für die konservativen Proteste gewesen sein. Aber auch das finde ich gerade spannend und wunderbar inszeniert. Jesus der eben nicht allen Verlockungen widerstehen kann, der froh ist, dass er nicht für sein Volk sterben muss, der daraufhin ein langes Leben mit allem Höhen und Tiefen lebt, aber am Ende doch merkt, dass er den falschen Weg eingeschlagen hat und sich im letzten Moment doch selbstständig der Versuchung verweigert, der letzten teuflischen Vision, und wieder am Kreuz erwacht wo er dann doch aus freien Stücken sein Leben hingibt. Gerade da kommt mir die Figur Jesus noch näher. Er ist eben NICHT der Übermensch, sondern einer von uns, der doch am Ende über seine Kräfte hinauswächst und sein Schicksal annimmt. In dieser Hinsicht ist das für mich sogar die größere, ja wichtigere Aussage, auch für unser aller Leben. Seid stark, stellt Euch Euren Ängsten und inneren Dämonen. You can do it if you really want!

Die Passion Christi (OT: The Passion of the Christ)

Die Passion Christi

In diesem Film werden die letzten 20 Stunden von Jesus gezeigt. Es beginnt mit dem Gebet im Garten Getsemani, dem Verrat durch Judas, der Verurteilung durch die Hohepriester, sowie der Folter und der letztendlichen Kreuzigung.
Inszenatorisch ist das alles hervorragend in Szene gesetzt. Die Optik (von Caleb Deschanel an der Kamera perfekt eingefangen) ist genial, die ätherische musikalische Untermalung von John Debney sehr passend und auch die Tatsache, dass die Dialoge im Film nur in aramäisch und lateinisch mit Untertiteln gefasst sind ist eine wunderbare Idee. James Caviezel spielt Jesus mit voller Hingabe, man leidet förmlich mit ihm und auch Maia Morgenstern als Maria liefert tolle Momente ab. Die explizite Gewalt stört mich (wie oben erwähnt) persönlich nicht. Im Gegenteil, dadurch wird das ganze nur noch realistischer. Mel Gibson hat hier wieder mal gezeigt, dass er nicht nur ein klasse Schauspieler ist, sondern auch ein exzellenter Regisseur.
Ein rundum perfektes Filmerlebnis.
„Die Passion Christi“ wurde bei der Oscar-Verleihung 2005 in den Kategorien Beste Filmmusik, Bestes Make-Up und Beste Kamera nominiert, konnte sich aber in keiner Sparte durchsetzen.

Wertung40

USA 2004 – 2 Std. 07 Min.
Regie: Mel Gibson
mit: James Caviezel, Maia Morgenstern, Monica Bellucci, Christo Schopow, Rosalinda Celentano u.a.
Genre: Drama, Splatter

Die letzte Versuchung Christi (OT: The Last Temptation of Christ)

Die letzte Versuchung Christi

Dieser Film beruht nicht auf der Bibel, sondern auf dem gleichnamigen Roman von Nikos Kazantzakis. Er erzählt dabei die Lebensgeschichte Jesu mit einigen wichtigen Stationen, doch werden hier entsprechend der Buchvorlage einige Dinge anders als bekannt dargestellt. Der Film beginnt mit einem innerlich zwiegespaltenen Jesus, der als einfacher Zimmermann lebt und dabei sogar Kreuze für die Römer herstellt und daher von seinem besten Freund Judas als Verräter beschimpft wird. Zudem wird er immer wieder von Visionen geplagt in denen Gott zu ihm spricht. Daraufhin zieht er für 40 Tage zum fasten in die Wüste, und widersteht dabei zwei Versuchungen des Teufels. Er errettet Maria aus Magdala vor der Steinigung und entdeckt dabei auf einem Berg sein Talent zum predigen, lässt sich von Johannes taufen, wirkt diverse Wunder und nimmt seine Rolle als Erlöser der Welt immer mehr an. Doch er wird dabei auch jähzornig und, ja schon beinahe größenwahnsinnig. Doch nach dem Einzug in Jerusalem befallen ihn die alten Ängste wieder und er merkt, dass seine Zeit als Opferlamm gekommen ist. Und so bittet er Judas vor dem letzten Abendmahl inständig ihn an die Hohepriester zu verraten, da er selbst nicht die Kraft besitzt sein Schicksal zu besiegeln. Am Tag der Kreuzigung erscheint Jesus plötzlich ein Engel in Gestalt eines Mädchens, der ihm erzählt, dass Gott ihn nur habe prüfen wollen und er nicht die Qualen des Todes über sich ergehen lassen müsse. Jesus steigt daraufhin bereitwillig vom Kreuz, heiratet Maria Magdalena, sowie nach deren Tod Maria, die Schwester des Lazarus, zeugt Kinder und lebt ein Leben als einfacher Mensch. Viele Jahrzehnte später liegt Jesus im sterben und wird nochmals von seinen ehemaligen Jüngern empfangen, darunter auch Judas, der ihm nie verzeihen konnte, dass Jesus nach dem er ihn darum gebeten hatte ihn zu verraten selbst sein Schicksal nicht angenommen hat und es so keinen Messias gab um die Welt vor dem Chaos zu bewahren. Durch Judas erkennt Jesus nun auch, dass sein „Schutzengel“ in Wahrheit der Teufel war und bereut seine große Schuld. Am Ende erwacht er wieder am Kreuz in Golgotha. Er hat der letzten Versuchung des Teufels letztlich doch widerstanden und stirbt für die Menschheit am Kreuz um ihr Messias zu werden.
Martin Scorsese zeigt auch hier wieder mal seine Extraklasse als Regisseur. In tollen elegischen Bildern zeigt zudem Michael Ballhaus einen Jesus wie man ihn zuvor noch nie auf der Leinwand erlebt hat. Willem Defoe spielt dabei die Rolle seines Lebens, man nimmt ihn den zerrütteten Menschen Jesus ebenso ab wie den reuigen Messias. Dass er dafür nach „Platoon“ nicht seine zweite Oscar- bzw. Globe-Nominierung erhalten hat ist ein kleiner Skandal, ebenso das übergehen des genialen Scores von Peter Gabriel bei den Oscars. Gabriel ist für mich eh der größte männliche Solo-Künstler und auch seine tolle Filmmusik zur „letzten Versuchung“ gehört für mich zu den prägendsten Soundtracks meiner Jugend. Er vereint hier wunderbar moderne Klänge mit sogenannter Weltmusik zu einem stimmigen, auch zur Zeit in der der Film spielt, hervorragend passenden atmosphärischen Klangteppich.
Der Film hat zwischendurch zwei, drei kleine Längen, aber ansonsten gibt es daran wirklich nichts auszusetzen.

Bei der Oscar-Verleihung 1989 wurden Martin Scorsese als Bester Regisseur sowie bei den Golden Globes im selben Jahr Barbara Hershey als Beste Nebendarstellerin und Peter Gabriel für die Beste Filmmusik nominiert. Auch hier konnte sich keiner gegen die Konkurrenz durchsetzen.

Wertung40

USA 1988 – 2 Std. 43 Min.
Regie: Martin Scorsese
mit: Willem Defoe, Harvey Keitel, Barbara Hershey, David Bowie, Harry Dean Stanton, Irvin Kershner, Juliette Caton u.a.
Genre: Drama

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