Romantic Comedy – das verkannte Genre…, Teil 7

RomCom - das verrkannte Genre


Der Klassiker:
Der Stadtneurotiker (OT: Annie Hall)

Der Stadtneurotiker


Ich bin bekanntermaßen nicht der beste Woody Allen-Kenner im Vergleich zu einigen meiner Academy-Kollegen und habe bisher auch max. die Hälfte seines Schaffens gesehen. Doch muss ich sagen, dass „Der Stadtneurotiker“, so weit ich das beurteilen kann, sein bislang bester Film ist. Und auch wenn (bzw. obwohl?) es nicht gerade eine ganz klassische romantische Komödie ist, so ist sie doch definitiv eine der Cleversten, Interessantesten und, trotz stellenweise sehr traurig angehauchten Humors, Witzigsten die je gedreht wurden. Völlig zurecht mit dem Oscar ausgezeichnet (und das sage ich als großer „Star Wars“-Fan 😉 ).

Der zynische jüdische Komiker Alvy Singer (Woody Allen) weiß nicht so recht wie er mit dem Leben umgehen soll. Er ist gerade 40 geworden, zwei mal geschieden und seit über 15 Jahren in Therapie. Er ist ein neurotisches Wrack, das eigentlich Niemanden richtig an sich heranlassen und der Welt nur mit Zynismus und witzigen Sprüchen begegnen kann. Zudem trauert er seiner großen Liebe Annie Hall (Diane Keaton) nach, die, mit nicht minder wenigen Macken behaftet, seinem Leben erstmals einen tieferen Sinn zu geben schien.

Was im ersten Moment eher überhaupt nicht nach einer Komödie klingt, gehört dennoch zum besten was dieses Genre zu bieten hat. Denn Allen inszeniert seine Quasi-Biografie nicht als sentimentalen Schmachtfetzen, sondern als reales Lebensbild eines Durchschnittsbürgers mit allen Höhen und Tiefen. Die Kernaussage könnte lauten, auch wenn Dein Leben bescheiden ist, mach das beste draus.
Die Handlung des Films ist nicht geradlinig erzählt, sondern wechselt, Gedankensprüngen ähnelnd, oftmals schnell die Richtung. Gleich zu Beginn erfährt man von Alvys Trennung von Annie, danach geht es direkt in eine Alltagssituation an der Kinokasse, später springt man dann in Alvys Kindheit, reißt seine früheren Beziehungen an, um schließlich das eigentliche Kennenlernen mit Annie zu erleben. Und so weiter. Allen inszeniert dies alles auf kongeniale Weise, er durchbricht mehrfach die vierte Wand, bringt aberwitzige, schon beinahe Monty Python-typische, Szenenabläufe und arbeitet sogar mit einer an Disneys Schneewittchen angelehnten Trickfilmsequenz. Stellenweise sehr skurril, hochintellektuell (die Fellini-Kontroverse!), aber immer zum schreien komisch. Und auch das Fehlen eines Happy-Ends erhebt den „Stadtneurotiker“ über allerlei ähnliche Genrefilme, würde aber zu einem Woody Allen-Streifen auch überhaupt nicht passen.

Ein grandioser, technisch perfekter und darstellerisch umwerfender Geniestreich eines großen kleinen Mannes.

Wertung40

USA 1977 – 1 Std. 33 Min.
Regie: Woody Allen
mit: Woody Allen, Diane Keaton, Tony Roberts, Carol Kane, Paul Simon, Shelley Duvall & Christopher Walken
Genre: romantische Komödie


Mein Highlight:
Männerzirkus (OT: Someone Like You … )

Männerzirkus 1


Die Jahre um den Millenniumwechsel sind für mich (mit wenigen Ausnahmen) sozusagen das „goldene Zeitalter“ der modernen Romantic Comedy. Besonders das Jahr 2001 sticht dabei hervor, denn einige meiner Allzeit-Lieblinge stammen aus diesem Jahr. Und auch „Männerzirkus“, der zwar nicht zum „inneren Zirkel“ zählt, ist ein weiteres sehenswertes Highlight dieses Kalenderjahres.

Der Film beginnt mit einem Voice Over von Jane Goodale (Ashley Judd). Sie ist Produktionsassistentin einer regionalen New Yorker Fernseh-Talkshow und genervt. Genervt von der Frage nach ihrer prominenten Namensvetterin und genervt von den Männern. Aufgrund ihrer letzen Erfahrungen hat sie deshalb die „Neue-Kuh-Theorie“ entwickelt. Diese beruht auf einer Studie über die Verhaltensweise von Zuchtbullen, die niemals dieselbe Kuh zweimal decken wollten, selbst wenn diese mit einem neuen Geruch versehen wurde, sondern stets eine andere, neue Kuh. Und so vermutet Jane, dass Männer aus den gleichen Gründen nie lange mit einer Frau zusammen sein können. Irgendwann wird es ihnen zu eintönig, sie brauchen einfach eine „neue Kuh“.
In einer Rückblende wird nun gezeigt wie es soweit kam. Eines Tages fängt in Janes Firma der gutaussehende und charmante Ray Brown (Greg Kinnear) eine neue Stelle an. Die beiden verstehen sich auf Anhieb und werden schnell ein Paar, obwohl Ray noch eine Freundin hat, von der er sich aber eh trennen wollte. Da stört es Jane auch nicht weiter, dass der Frauenheld Eddie Alden (Hugh Jackman), mit dem sie auf Kriegsfuß steht, sich über sie beide lustig macht. Eddie sucht nach einem/r neuen Mitbewohner/in und bekommt von Jane im Gegenzug jedoch eine Abfuhr. Die Beziehung von Jane und Ray entwickelt sich derweil prächtig, sie möchten sogar zusammenziehen. Doch als der Umzug kurz bevor steht und Jane ihre Wohnung bereits gekündigt hat, macht Ray auf einmal einen Rückzieher und beendet die Beziehung abrupt. Zutiefst gekränkt und gedemütigt zieht sie notgedrungen doch noch bei Eddie ein und sucht dort nach Gründen für das Verhalten von Ray. So entwickelt sie unter dem Pseudonym Dr. Marie Charles die „Neue-Kuh-Theorie“, die durch Kontakte ihrer Freundin Liz (Marisa Tomei) sogar in einer Zeitschrift erscheint und alsbald zum echten Stadtgespräch wird. Bei einer Weihnachtsfeier fragt Ray Jane plötzlich wieder nach einem Date, versetzt sie aber. Mit Eddie kann sie ihre Probleme auch nicht wirklich teilen und zu allem Überfluss hat sie noch ihre Chefin (Ellen Barkin) im Nacken, die ein Exklusiv-Interview mit Dr. Charles möchte. …

Regie führt hier der eher als Schauspieler bekannte Tony Goldwyn (zurzeit als US-Präsident F.T. Grant in der Serie „Scandal“). Und er macht definitiv so ziemlich alles richtig, was man bei einer romantischen Komödie richtig machen kann. Er inszeniert die von Elizabeth Chandler geschriebene Geschichte sehr warmherzig und legt viel Wert auf die Charakterzeichnung seiner Figuren. Bei anderen Regisseuren hätten daraus auch schnell mal unsympathische oder belanglose Charaktere werden können. Aber natürlich trägt auch das tolle Spiel des Darsteller-Ensembles dazu bei. Ashley Judd, Greg Kinnear und Hugh Jackman bilden ein wirklich sehr witziges, perfekt harmonierendes Trio. Auch wenn das Ende des Films hier ebenfalls relativ schnell absehbar ist, so macht er doch absolut Laune. Und die „Neue-Kuh-Theorie“ finde ich einen durchaus netten und charmanten Einfall.

Wertung40

USA 2001 – 1 Std. 33 Min.
Regie: Tony Goldwyn
mit: Ashley Judd, Greg Kinnear, Hugh Jackman, Marisa Tomei, Catherine Dent & Ellen Barkin
Genre: romantische Komödie


Finger weg!
Zum Ausziehen verführt (OT: Failure to Launch)

Zum Ausziehen verführt 1


Definitiv alles falsch macht hingegen Tom Dey mit diesem Machwerk aus der RomCom-Hölle.
Erzählt wird die Geschichte des 35-jährigen Sonnyboys Tripp (Matthew McConaughey), der noch bei seinen Eltern Sue und Al (Kathy Bates & Terry Bradshaw) wohnt, von denen er sich von vorne bis hinten bedienen lässt und der dieses paradiesische Leben auf keinen Fall aufgeben möchte. Seine Eltern möchten hingegen endlich ihr eigenes Leben genießen und versuchen ihn verzweifelt mit diversen Mitteln aus dem Haus zu ekeln, so kommt Papi bspw. bei einem One-Night-Stand Tripps unangemeldet ins Zimmer. Doch leider fruchtet alles nicht. Im Gegenteil, Tripp nutzt seine Wohnsituation sogar dafür diverse Damen, die im Begriff sind eine ernsthafte Beziehung mit ihm eingehen zu wollen, dadurch erst zu vergraulen. Durch ein befreundetes Ehepaar wird Al und Sue nun jedoch ein todsicheres „Rezept“ zuteil, ein Mädchen namens Paula (Sarah Jessica Parker) die sich beruflich (!) darauf spezialisiert hat mit solchen hartnäckigen Fällen wie Tripp eine Beziehung einzugehen, diese dazu zu bringen, sich in sie zu verlieben, und somit den Wunsch nach einer gemeinsamen Zukunft, außerhalb des Hotel Mamas, reifen zu lassen. Doch es kommt wie es kommen musste: Paula verliebt sich selbst und gefährdet dadurch ihre Mission. …

Die ganze Story ist dabei so grenzdebil und nervtötend, dass man echt kurz vor dem verzweifeln ist. Einzig die Grundidee, dass Sue und Al verzweifelt versuchen ihren Jungen aus dem Haus zu treiben ist gut. Doch selbst die ist nur ein billiger Abklatsch der genialen französischen Komödie „Tanguy“!
Ist der Humor in den oben genannten Filmen noch sehr feingeistig oder zumindest herrlich nuanciert, wird hier hingegen der schwerstmögliche Zotenhammer geschwungen. So wird Tripp z.B. als running gag im Verlauf des Filmes von diversen putzigen Tierchen angefallen und gebissen, oder auch mal von seinem Kumpel Ace (Justin Bartha) ein verletzter Vogel per Mund-zu-Schnabel-Beatmung wiederbelebt. Ha ha, wie lustig … nicht!
Und auch schauspielerisch ist der Film eine einzige Katastrophe. Der frisch gebackene Oscar-Preisträger McConaughey kann von Glück sagen, dass ihm diese Filme (und von solchem Schrott hat er wahrlich einige gedreht) nicht seine Karriere gekostet haben und er heute endlich wieder zeigt, was er eigentlich drauf hat. Ebenso Bradley Cooper, der als dauergrinsender bester Freund von Tripp die wohl größte Nervensäge des Films darstellt. Und ganz ehrlich, Sarah „horse face“ Parker nimmt man die von allen begehrte „Ausziehhilfe“ (ein Schelm wer Böses dabei denkt) auch nicht ernsthaft ab.
Der einzige Grund, weshalb „Zum Ausziehen verführt“ von mir doch noch einen Gnadenpunkt spendiert bekommt sind übrigens die Darstellungen von Kathy Bates, die, aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen, wohl wirklich Spaß beim Dreh hatte, sowie die von Zooey Deschanel dargestellte Mitbewohnerin von Paula, die sie herrlich durchgeknallt spielt und für die einzigen echten Lacher des Films sorgt.

Wertung40

USA – 2006 – 1 Std. 37 Min.
Regie: Tom Dey
mit: Matthew McConaughey, Sarah Jessica Parker, Kathy Bates, Terry Bradshaw, Bradley Cooper, Zooey Deschanel, Justin Bartha & Stephen Tobolowsky
Genre: romantische Komödie

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