Vergiss mein Ich

FFLU Vergiss mein ich Review


Die erfolgreiche Gender-Forscherin Lena (Maria Schrader) hat sich eine Hirnhautentzündung eingefangen, die jedoch zu spät bemerkt wird. In der Folge hat sie ihr biografisches Gedächtnis komplett verloren. Sie weiß zwar noch wie die Hauptstadt von Frankreich heißt oder wer gerade Bundeskanzler ist, aber ihren Mann Tore (Johannes Krisch) und ihre Freunde (u.a. Sandra Hüller) erkennt sie nicht. Schlimmer noch, Lena weiß nicht einmal mehr was Gefühle sind und wie man diese ausdrückt.

Und so lernt sie ihr altes Leben einfach auswendig, wie früher Vokabeln in der Schule. Mithilfe von Filmen, alten Fotos und Videos. Lachen = Mund auf machen, Mundwinkel nach oben ziehen, Zähne auseinander und kehlige Laute von sich geben.
So geht das Leben weiter seinen Lauf und während Tore darauf hofft, dass sich Lenas „Amnesie“ wieder legt, verliert sich Lena selbst immer weiter. Sie schläft mit einem fremden Mann (Ronald Zehrfeld) und fragt während des Akts wie sie eigentlich reagieren soll. Selbst die elementarsten Gefühle sind ihr fremd. Und mit der Zeit kommen Fragen auf. Wer bin ich? Und was ist das eigentlich: „Ich“? Lena hat nämlich mit der „alten Lena“ nichts mehr gemein, sie teilt nicht mal ihre Höhenangst. …

„Vergiss mein Ich“ ist ein unfassbar starkes Drama, das aber auch mit sehr vielen komischen Momenten aufwartet. Doch meistens bleibt einem das Lachen noch direkt im Halse stecken. Dieses ständige Wechselbad der Gefühle geht einem doch sehr an die Nieren, am Ende sitzt man als Zuschauer fix und fertig und wie paralysiert im Kinosessel.
Ein grandioser, wichtiger Film, der noch lange lange nachhallt und sehr zum Nachdenken über die universellen Fragen des (eigenen) Seins anregt. Bin ich noch ich, wenn ich nichts mehr über mein früheres Leben weiß und auch nicht damit konfrontiert werden möchte? Falls nein, wer bin ich dann?
Noch nie wurde diese Thematik so tiefgreifend und dabei doch so locker-leicht erzählt. Ein kleines Meisterwerk!
„Vergiss mein Ich“ dürfte mit Sicherheit beim Deutschen Filmpreis 2015 ein Wörtchen mitzureden haben. Und besonders Maria Schrader sollte die „Lola“ schon jetzt wieder fest im Sack haben. Ihre darstellerische Leistung ist eine Offenbarung. Wie sie die „neue Lena“ anlegt, die wie ein Kind ein komplettes Leben neu lernen muss ist mit einem Wort einfach nur brilliant. Damit toppt sie für mich sogar noch bei weitem ihre bisherigen Karrierebestleistungen aus „Keiner liebt mich“ und „Aimée & Jaguar“.


D – 2014 – 1 Std. 35 Min.
Regie: Jan Schomburg
mit Maria Schrader, Johannes Krisch, Ronald Zehrfeld, Sandra Hüller, Stefan Lampadius, Nadine Petry, Yorck Dippe & Peter Prager
Genre: Drama

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