Marcus H. Rosenmüller dürfte den meisten Kinogängern wohl hauptsächlich durch seine Erfolgskomödien „Wer früher stirbt, ist länger tot“ und „Sommer in Orange“ bekannt sein. Seine für mich mit Abstand besten Arbeiten hat er aber mit der Coming of Age-Trilogie „Beste Zeit“, „Beste Gegend“ und „Beste Chance“ (der zurzeit noch bundesweit im Kino läuft) abgeliefert. Zusammen mit Drehbuchautorin Karin Michalke ist Rosenmüller hier ein echtes filmisches Kleinod gelungen.
Die Filme spielen von Anfang der 1990er- bis Anfang der 2000er-Jahre (was aber erst im zweiten Teil offensichtlich wird) und handeln vom Erwachsenwerden in der oberbayerischen Provinz. Das Szenario könnte aber auch genauso gut in Friesland, der Eifel oder dem Odenwald angesiedelt sein. Ich habe mich und meinen Bekanntenkreis zumindest in einigen Figuren stellenweise wieder erkannt.
Beste Zeit
Kati (Anna Maria Sturm) und Jo ( Rosalie Thomass ) sind beste Freundinnen. Sie leben im oberbayerischen Dörfchen Tandern und träumen derweil von Sehnsucht und Liebe und der besten Zeit ihres Lebens. Während Kati (vermeintlich) mit dem Hallodri Mike (Florian Brückner) zusammen und total in ihn verschossen ist, hat Jo ein Auge auf den wortkargen, aber gutherzigen Toni (Volker Bruch) geworfen. Ihr gemeinsamer bester Freund Rocky (Ferdinand Schmidt-Modrow) ist derweil heimlich in Kati verknallt.
An ihrem 17.Geburtstag erhält Kati die lang ersehnte Zusage für ein Austauschjahr in Amerika. Als sie abends ein paar Ortschaften weiter zur nächsten Disko trampen, gerät sie mit Jo in einen Streit, da diese erkennt, dass sich Mike eigentlich überhaupt nicht für Kati interessiert. Und auch mit ihrem recht strengen Vater (Andreas Giebel) rasselt Kati immer wieder heftig aneinander, weshalb sie es kaum erwarten kann endlich fort zu können. Doch als sie eines Abends den heimlich geliehenen elterlichen VW-Transporter in einen Baustellengraben setzt, schwört sie, dass wenn ihr Mike dieses Mal wirklich zur Hilfe kommt, sie ihre Pläne sausen lässt und da bleibt. …
Rosenmüller ist mit „Beste Zeit“ ein erfrischender und sehr geerdeter Heimatfilm im besten Sinne gelungen. Die Figuren sind alle sehr lebensecht und liebenswert gezeichnet und der warmherzige Humor lässt einem mehr als ein Mal die Lachtränen in die Augen steigen.
Anna Maria Sturm („Polizeiruf 110“ München) und Rosalie Thomass („Eine ganz heiße Nummer“) sind ein echter darstellerischer Glücksgriff, ihre Chemie stimmt perfekt, und auch der restliche Cast zeigt eine umwerfende Spielfreude.
Für Nordlichter könnte die teils stark ausgeprägte bayerische Mundart zwar zu kleineren Verständnisschwierigkeiten führen, doch ist diese Perle auch für Nicht-Bajuwaren absolut zu empfehlen. So nah an der Realität der (ländlichen) Jugendlichen meiner Generation war schon lange kein deutscher Film mehr.
D – 2007 – 1 Std. 35 Min.
Regie: Marcus H. Rosenmüller
mit Anna Maria Sturm, Rosalie Thomass, Johanna Bittenbinder, Andreas Giebel, Ferdinand Schmidt-Modrow, Volker Bruch, Florian Brückner, Stefan Murr, Bettina Redlich & Peter Mitterrutzner
Genre: Coming of Age-Komödie/Drama
Beste Gegend
Zwei Jahre nach den Ereignissen in “Beste Zeit” stehen Kati und Jo vor ihren Abiturprüfungen. Nachdem sie ihre Zeugnisse erhalten haben, wollen sie mit dem Auto eine Weltreise machen. Doch ausgerechnet während des Deutsch-Abis hat Jo eine Schreibblockade und besteht daher die Prüfung nicht. Sie bekommt zwar die Möglichkeit an einer Nachprüfung teilzunehmen, doch darauf hat sie keine Lust und geht lieber mit Kati auf die geplante Reise, da sie sicher ist, dass sie sonst wohl nie fahren würden.
Mit Katis altem Benz schaffen sie es zwar noch unbeschadet durch Österreich, doch direkt hinter der italienischen Grenze fällt der Auspuff ab und sie müssen einige Tage auf Ersatzteile warten. Währendessen erfährt Kati bei einem Anruf nachhause, dass es ihrem Großvater (Peter Mitterrutzner) sehr schlecht geht und er ins Krankenhaus musste. Daraufhin brechen Jo und Kati ihre Reise kurzerhand ab und fahren wieder zurück in die Heimat.
Nachdem ihr Opa schließlich gestorben ist, will Kati nach der Beerdigung schnellstens ihre Reise mit Jo fortsetzen. Doch diese hat nicht mehr daran geglaubt, dass Kati noch mal aus der „Besten Gegend“ weg möchte und sich derweil ein Flugticket nach Südafrika gebucht. …
In der ein Jahr nach „Beste Zeit“ entstandenen Fortsetzung wird nun der Übertritt ins Erwachsenenalter der Protagonistinnen geschildert. Auch hier kommt es wieder zu diversen Gefühlswirrungen, als beispielsweíse Kati und Jo (nacheinander) etwas mit dem nach einer längeren Reise durch Mexiko zurückgekehrten Lugge (Stefan Murr) anfangen, oder Rocky erfährt, dass seine momentane Freundin Annie schwanger ist.
Rosenmüller findet dabei erneut einen tollen Mix aus irrwitzig lustigen Szenen und durchaus ernsten Momenten, wie das echte Leben halt. „Beste Gegend“ erreicht fast das Niveau des Vorgängers und spinnt die Geschichte wundervoll weiter.
D – 2008 – 1 Std. 30 Min.
Regie: Marcus H. Rosenmüller
mit Anna Maria Sturm, Rosalie Thomass, Johanna Bittenbinder, Andreas Giebel, Ferdinand Schmidt-Modrow, Volker Bruch, Florian Brückner, Stefan Murr, Bettina Redlich & Peter Mitterrutzner
Genre: Coming of Age-Komödie/Drama
Beste Chance
Die „Beste …“-Reihe war von vornherein als Trilogie konzipiert, auf den finalen Teil musste ich allerdings sechs lange Jahre warten. Doch das Ausharren hat sich gelohnt, denn mit „Beste Chance“ führt Rosenmüller die Geschichte zu einem wirklich gelungenen Ende.
Seit dem Ende von „Beste Gegend“ sind inzwischen fünf Jahre vergangen. Kati studiert in München Architektur und steht kurz vor ihrer Diplomprüfung. Mit Jo, die zuletzt in einem Ashram in Indien war, hat sie mittlerweile nur noch sporadisch Kontakt. Doch als sie eines Tages eine mysteriöse Nachricht von Jo auf ihrem Anrufbeantworter findet, ist ihr sofort klar, dass diese in Schwierigkeiten stecken muss. Also kehrt sie zurück nach Hause und versucht Rocky, der inzwischen Vater ist und die ungeliebte Heizungsbau-Firma seines Vaters übernommen hat, zu überzeugen, mit ihr nach Delhi zu fliegen um Jo dort zu suchen. Doch Rocky steht kurz vor der Hochzeit mit Annie (Karolina Horster), die zudem die Hosen in der Familie anhat. Also fliegt Kati kurzerhand alleine.
Inzwischen ist Jo allerdings selbst nach Tandern zurückgekehrt und kommt wieder mit Toni zusammen, der seine aktuelle Freundin für sie verlässt. Als er jedoch von Jos Geheimnis erfährt, fühlt er sich hintergangen, denn Jo ist schwanger.
Kati trifft in dem Ashram in Delhi mittlerweile auf den Weltenbummler Ruben (Martin Schick) und verliebt sich in ihn, während sie weiter nach Jo sucht.
Parallel sind Katis Vater Hubert und Jos Vater Walter (Heinz-Josef Braun) ebenfalls auf dem Weg nach Indien um die Mädchen zu suchen, nachdem ihre Frauen (Johanna Bittenbinder & Bettina Redlich) im Radio von einem schweren Erdbeben in der Region gehört hatten. …
Im letzen Teil der Reihe erweitert Rosenmüller die Geschichte um einen Roadtrip durch Indien, bei dem Kati Jo sucht, um am Ende sich selbst zu finden und dort ihre „Beste Chance“ zu nutzen.
„Beste Chance“ ist der erwachsenste Film der Reihe, was natürlich auch am Thema liegt, bei dem die jungen Menschen ihren Weg im Leben suchen. Aber auch hier setzt Rosenmüller auf wohldosierten großartigen Humor. Sieben Jahre nach dem Beginn der Reise sind einem die Figuren wie Familienmitglieder ans Herz gewachsen und man trifft im Kino nicht nur auf alte Bekannte, sondern schon beinahe Freunde. Von daher sehr schade, dass dies nun der wohl endgültig letzte Teil war. Allerdings lässt der Schluss auch eine kleine Hoffnung auf einen weiteren Teil offen. Ich würde mich zumindest sehr darüber freuen.
D – 2014 – 1 Std. 40 Min.
Regie: Marcus H. Rosenmüller
mit Anna Maria Sturm, Rosalie Thomass, Johanna Bittenbinder, Andreas Giebel, Heinz-Josef Braun, Ferdinand Schmidt-Modrow, Volker Bruch, Florian Brückner, Stefan Murr, Bettina Redlich, Karolina Horster, Maria Peschek & Martin Schick
Genre: Coming of Age-Komödie/Drama