Birdman oder (die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit) (OT: Birdman or (The Unexpected Virtue of Ignorance))

Birdman

Im Rahmen des Wiener Filmfestivals – der Viennale – ist man es zumeist gewohnt, Unterhaltung auf hohem Niveau geliefert zu bekommen. In diesem Jahr hat man besonderes Glück: mit Alejandro Gonzalez Inarritus „Birdman oder (die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)“ zeigt man einen der besten Filme des gesamten Filmjahres. Das Filmvergnügen der besonderen Art und gleichzeitig heißer Oscar-Anwärter läuft regular ab 16. Jänner 2015 in den deutschsprachigen Kinos an.

Um Schauspieler Michael Keaton ist es in den letzten Jahren vermehrt ruhig geworden. Filme wie „Die etwas anderen Cops“, ein „RoboCop“-Remake und andere unbedeutsame Werke, zählen zur jüngeren Schaffensperiode des 63-Jährigen. Zu sehr scheint ihm das Image nachzuhängen, bei den bereits ein viertel Jahrhundert alten „Batman“-Verfilmungen – unter der grandiosen Regie von Tim Burton – ins Kostüm der Fledermaus geschlüpft zu sein. Welch Fügung des Schicksals, dass genau dieses Renommee ihm nun zu seiner besten Karriereleistung verhalf.

Keatons Figur Riggan Thomson war vor geraumer Zeit ein gefeierter Hollywoodstar, der mit seinen „Birdman“ Filmen zu den Avantgardisten der Comic-Verfilmungen zählte. Doch die Jahre vergingen und die Rollen blieben aus. Nun wagt sich der abgehalfterte Darsteller an ein Comeback: Er spielt und inszeniert am New Yorker Broadway ein Theaterstück von Raymond Carver – einem Schriftsteller, den er als Auslöser seines schauspielerischen Daseins ansieht. Als wäre dieses Unterfangen nicht schon Herausforderung genug, schlägt er sich gleichzeitig auch noch mit einer aufmüpfigen Tochter (Emma Stone), einem egozentrischen Co-Darsteller (Edward Norton) und weiteren alltäglichen Problematiken eines fast in Vergessenheit geratenen Akteurs herum. Sein größter Gegner ist und bleibt Riggan jedoch selbst – vor allem wenn sein Alter Ego „Birdman“ immer wieder bei ihm durchschlägt.

Regie bei diesem außergewöhnlichen Film führt der zweifach Oscar-Nominierte Alejandro Gonzalez Inarritu. Der Mexikaner, der bei „Birdman“ auch als führender Produzent und Drehbuchautor fungiert, ist vor allem für seine bisherigen Werke „Babel“, „21 Gramm“ und „Biutiful“ bekannt. In seinem neuesten Film spielt er nicht nur mit seinen Darstellern, sondern auch mit dem Publikum und inszeniert auf den Punkt genau. Inarritu versteht es, eine Brücke zwischen Realität und Fiktion zu schaffen, und liefert zweistündige Unterhaltung am fließenden Band – ohne Durchhänger oder Anflug von Langeweile.

Im Zentrum des Films steht die Darstellerriege. Allen voran Michael Keaton, der nicht nur einen Comeback-geprägten Schauspieler spielt, sondern letztlich auch einer ist. Ähnlich wie vor Jahren bei Mickey Rourke, als die Indy-Produktion „The Wrestler“ einen fulminanten Erfolg feierte, so kann man auch bei Keaton von einer famosen Rückkehr in die Filmbranche sprechen. Komplettiert wird das überzeugende Ensemble von einem noch nie zuvor so lustig erlebten Edward Norton und einer noch nie so ernsthaft wirkenden Emma Stone.

Einer der – mehr oder weniger – heimlichen Stars des Film ist die Kameraführung: Der seit heuer – für „Gravity“ – Oscar-gekrönte Emmanuel Lubezki beherrscht eine einzigartige Technik, in der darauf abgezielt wird, dem Zuseher mittels hautnaher Einstellungen eine neue Bandbreite an Emotionen zu übermitteln. In flüssiger, teils fliegender Abfolge wird man förmlich von Szene zu Szene gehievt. Ganz wie ein Vogel – oder „Birdman“ – selbst.

Award-Prognose: Nicht nur vom technischen Aspekt ist der Film eine Augenweide. Eine Tatsache, die sich in den nächsten Monaten bei der mittlerweile gestarteten Award-Season wiederspiegeln wird. Bei den Gotham Independent Spirit Awards wurde der Film bereits zweifach nominiert. Weitere – massive – Nominierungen werden folgen. Vor allem in den Kategorien Bester Film, Beste Regie (Alejandro Gonzalez Inarritu), Bestes Drehbuch (Alejandro Gonzalez Inarritu), Bester Hauptdarsteller (Michael Keaton), Bester Nebendarsteller (Edward Norton), Beste Kamera, Bester Schnitt und Bestes MakeUp wird „Birdman“ – u.a. bei den Oscars – nicht wegzudenken sein. Weiters könnte der Filme in den Sound-Kategorien noch weitere ein bis zwei Nominierungen erhalten. Noch nicht zu 100 % überzeugt bin ich von einer Nominierung für Emma Stone in der Kategorie Beste Nebendarstellerin – da möchte ich noch ein wenig die Konkurrenz abwarten, ihre Chancen dürften aber sehr hoch sein.

USA – 2014 – 1 Std. 59 Min. Regie: Alejandro Gonzalez Inarritu mit Michael Keaton, Edward Norton, Emma Stone, Naomi Watts, Andrea Riseborough, Zach Galifianakis – Genre: Comedy/Drama

Über Johannes Marksteiner

Hauptberuflich: Radio-Redakteur und Sprecher Nebenberuflich: Passionierter Cineast
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