Nachdem ich bereits im vierten Teil der Reihe den definitiv diskutablen Terminus des „Frauenhistorienfilms“ eingeführt habe, fühlte ich mich nun gewissermaßen dazu verpflichtet, auch die Präferenzen des maskulinen Geschlechts nicht unberücksichtigt zu lassen. Trotz sich schwierig gestaltender Verallgemeinerungen ist es nämlich stark anzunehmen, dass die Mehrzahl der Herren historische Produktionen gerade dann bevorzugt, wenn Begebnisse wie Kriege voller Blutrünstigkeit, das Streben nach Eroberung, die Verteidigung persönlicher und nationaler Freiheit, politisches Kalkül dunkelster Art oder aber der Kollaps ganzer Staatsgefüge thematisch in diesen entfaltet werden. Aus diesem Grund wird es diesmal um geschichtliche, erneut in allen drei Epochen der neueren Menschheitsgeschichte angesiedelte Werke gehen, deren Zuschauerwirkung letztlich weit mehr von den bewirkten Emotionen abhing als man beim ersten Blick auf die Titel und Handlungen vermuten würde…
Der Untergang (IT: Downfall)
Welch’ grausame Zeit muss der sechs Jahre andauernde Zweite Weltkrieg gewesen sein… Nicht nur für die Millionen Menschen, die dem Rassenwahn zum Opfer fielen oder aber auf dem Schlachtfeld ihre jungen Leben ließen, sondern auch für die gesamte zivile Bevölkerung Europas. Es ist für alle Nachlebenden glücklicherweise unvorstellbar, was sich bis vor nicht einmal sieben Dekaden auf deutschem Boden abgespielt hat! Die Phase des Dritten Reiches, über die jeder Bescheid wissen sollte, gehört nicht nur wegen des verursachten Leids untrennbar zur Historie unserer Nation. Mittlerweile können uns jedoch nur noch wenige Zeitzeugen Auskunft darüber geben. Deshalb und sicherlich auch aus Gründen der höheren Bereitschaft zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit kam es seit dem Millennium durch Adaptionen wie „Der Pianist“, „Sophie Scholl“, „Napola“, „Operation Walküre“ und zuletzt mit „Die Bücherdiebin“ (im positiven wie negativen Sinne) zu einer filmmedialen „Blütezeit“ des Sujets. All diese Produktionen schildern die gesellschaftlichen Folgen und Kennzeichen der gleichgeschalteten Diktatur, doch an ein Porträt, in dessen Zentrum primär Hitlers Persönlichkeit steht, wagten sich bis zur Arbeit Oliver Hirschbiegels nur wenige Regisseure. Ich für meinen Teil bin ihm gerade dafür dankbar und zähle das Drama zu den besten Werken, welche die deutsche Filmindustrie jemals hervorgebracht hat.
„Der Untergang“ schildert in optimal verdichteter Weise die Ereignisse zwischen dem 20. April und den ersten Tagen des Mais 1945, als die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht unterzeichnet wurde. Der gelungene Mittelweg zwischen faktengenauer Dokumentation und schockierendem Kriegsdrama gewährleistete es, eine zutiefst realistische, durch seine Gestaltungsart beklemmende Chronik über eine schon 1943 vorprogrammierte Situation zu zeichnen. Diese funktionierte vor allem als psychologische Tragödie über den Mikrokosmos eines Diktators, der Mitte der 30er frenetisch bejubelt wurde und nun bis zur lethargischen Selbstaufgabe in die Enge getrieben wird. Man wird überdies Zeuge des krampfhaften Versuchs zur Beibehaltung der Ideologie, exemplarisch verkörpert durch die Heimatlieder singenden Goebbels-Kinder sowie des hohen Maßes an Gehorsam und strategischem Starrsinn. Gerade das Warten auf die unaufhaltsame Rote Armee löst bei Protagonisten wie Zuschauern eine tiefe Fassungslosigkeit aus. Dazu trägt auch der Erzählrahmen bei, ein beeindruckend reflektiertes Interview von Traudl Junge, einer der Sekretärinnen Hitlers, die ihm in den letzten Kriegstagen so nah wie kaum jemand sonst kam. Die Beleuchtung ihres Charakters und dem des HJ-Jungen Fritz erreichen, sich stärker und differenzierter mit der Lage zu identifizieren, was besonders signifikant erscheint, da heutzutage viele Mitmenschen entschieden postulieren: „Ich hätte mich damals sicher ganz anders verhalten!“ Wie leicht es allerdings in diesem System gewesen ist, zum Mitläufer und Täter zu werden, stellt einen zentralen, gewinnbringenden Filmansatz dar, ohne dabei jedoch in irgendeiner Form Absolution zu erteilen.
Viele Kritiker monierten seinerzeit, Hitler sei mithilfe auffallend guter Wesenszüge zu positiv – beinahe human – dargestellt worden. Ich hingegen bin (wie schon mehrfach betont) der Meinung, dass keine einzige Persönlichkeit der Historie vollends schlecht gewesen sein kann, was aber in diesem Zusammenhang nur bedeutet, dass der Reichskanzler sehr wohl höflich und zuvorkommend mit seinen weiblichen Untergebenen umgegangen sein dürfte, ihnen gegenüber sogar Fehler eingestand und bekanntermaßen eine tiefe Zuneigung zu seiner Schäferhündin Blondie besaß. Von einer Verunglimpfung seiner Gräueltaten kann auch wegen der wiederholten, bestialischen Ausbrüche angesichts des „Verrats“ seiner Getreuen mitnichten gesprochen werden, sondern von einer berechtigten Perspektiverweiterung. Bezeichnend ist diesbezüglich die Wirkung der abschließenden 30 Minuten, denn Hirschbiegel drängte den Zuschauer nicht zu einer bestimmten Lesart. Ob man Hitlers Ende nun mit Genugtuung, Erleichterung, Entsetzen über das Vorgefallene oder aber Mitleid betrachtet, obliegt dem Individuum und gerade dieser Aspekt muss als beispielgebend angesehen werden. Neben wortwörtlich wiedergegebenen Testamenten, Korrespondenzen und verbürgten Sätzen wie „In einem Krieg wie diesem gibt es keine Zivilisten mehr.“ wurde auch erstmals filmisch auf Hitlers Vision von der Metropole „Germania“, eine neu errichtete Hauptstadt von unschätzbarem architektonischem Prunk, eingegangen. Der einzig feststellbare Fehler auf sachlicher Ebene bezieht sich auf die Suizide des Ehepaares Goebbels, denn beide starben nachgewiesenermaßen nicht durch Schusswaffen, sondern wie ihre Kinder durch die Einnahme von Zyankali. Die von Kamera, Schnitt und Szenenbild gleichermaßen evozierte, nahezu klaustrophobische Kennzeichnung des Führerbunkers steht in Kontrast zur unverhohlenen, akustisch ohrenbetäubenden Front rund um das schlussendlich vollständig in Trümmern liegende Berlin. Hinzu kommen zeittypische Bekleidungen, Frisuren und nicht zuletzt ein absolut herausragendes Make-Up. Mit der Filmmusik ist Stephan Zacharias von Anfang bis Ende perfektes, oftmals düsteres, häufig aber berührendes Glanzstück gelungen. Das abschließende Stück „Hope At The End Of The World“, wurde mit den Schicksalen aller handelnden Personen bebildert und lässt einen gewissermaßen hilflos zurück.
Eine der vielen nachwirkenden Sequenzen ist jene, in der Magda Goebbels sich Hitler zu Füßen wirft und ihn anfleht, den Suizid nicht zu begehen und den „Endsieg“ doch noch zu erringen. Darin wird einerseits deutlich, wie tief der Führerkult selbst in den letzten Atemzügen des Krieges noch bei vielen Vertrauten verwurzelt war, andererseits auch, welch teuflisch gute Darstellerin Corinna Harfouch ist. Deswegen kam auch die These, Goebbels sei im Stillen in Hitler verliebt gewesen, in einem moderaten Maß herüber, ohne als Faktum verkauft zu werden. Auch Christian Berkel als vernünftiger, mahnender Gegenpol der bis zum Schluss fanatisierten Nazis, Juliane Köhler in der herausfordernd-undurchsichtigen Rolle der Eva Braun, Heino Ferch und Alexander Held lieferten extrem starke Performances ab und sahen den Mitgliedern der NS-Spitze überdies zum Verwechseln ähnlich. Zudem beweist Alexandra Maria Lara durch ihr authentisches Spiel, warum sie zu den wenigen Landsfrauen gezählt werden kann, die auch international bestehen können. Keiner von ihnen kann sich jedoch mit dem messen, was der Hauptdarsteller leistete. Dass ein deutsch-schweizerischer Darsteller zu Oscarehren kommt, war leider von Vornherein relativ unwahrscheinlich. Dessen ungeachtet hätte Bruno Ganz den Preis im Jahr 2005 von mir erhalten, denn er gab eine herausfordernde Vorstellung, die ihresgleichen vergeblich sucht. Selbst als jemand, der während des Studiums fortwährend mit Ton- und Filmmaterial aus der NS-Zeit konfrontiert wurde, muss ich sagen, dass viele seiner Szenen mir das Blut in den Adern gefrieren ließen. Auch der renommierte Hitler-Biograph Ian Kershaw lobte dessen Mut zur ganzheitlichen Verschmelzung mit dem gebrochenen „Führer“, was einer Adelung gleichkommt.
Manchmal ist die Auseinandersetzung mit Geschichte wie ein Gang zum Henker, und gerade dies wird einem hier schmerzhaft bewusst. Fortwährend wurde kritisiert, dass Deutschland vorrangig Filme mit direktem Bezug zum Nationalsozialismus ins Rennen um den Auslandsoscar geschickt hat, doch anhand von Hirschbiegels Porträt muss ich eindeutig bekennen, dass es bis heute keinen besseren Historienfilm über den Faschismus gibt und nicht nur dieser Oscar im Besonderen mehr als verdient gewesen wäre. Insgesamt kommt es aus meiner Sicht einem Mysterium gleich, dass „Der Untergang“ und die groteske „Diana“-Biographie von ein- und demselben Mann stammen. Ersterer ist nicht zuletzt ein perfekt recherchiertes, hochkarätig besetztes, schonungsloses, bedeutsames Werk der jüngeren Filmgeschichte, das vor allem Heranwachsenden nicht vorenthalten werden sollte. Menschheit, lern daraus!
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Regie: Oliver Hirschbiegel
Genre: Kriegsfilm / Historiendrama / Biographie
Darsteller: Bruno Ganz, Alexandra Maria Lara, Corinna Harfouch, Ulrich Matthes, Juliane Köhler, Heino Ferch, Christian Berkel, André Hennicke, Matthias Habich, Götz Otto, Thomas Kretschmann, Bettina Redlich, Alexander Held, Michael Mendl
Quo Vadis? (OT: Quo Vadis)
Vor sage und schreibe 102 Jahren entstand die allererste Verfilmung von „Quo Vadis“, die auf dem gleichnamigen Roman des polnischen Literaturnobelpreisträgers Henryk Sienkiewicz basiert. Der italienische Stummfilm gilt heute als der mit Abstand früheste Blockbuster in der Geschichte der bewegten Bilder und zeichnete sich bereits durch seine aufwendige Produktion und Scharen an Darstellern aus. Wenige Jahre nach dem Kriegsende entstand die viel bekanntere, nahezu originalgetreue Adaption des Beststellers über die vierzehnjährige Kaiserzeit Neros (37 – 68), welche als Inbegriff des historischen Klassikers angesehen werden kann. Insbesondere das Leben des letzten Befehlshabers aus der julisch-claudischen Dynastie über das Römische Weltreich bietet noch heute Raum für zahlreiche Spekulation, wenngleich festgehalten werden kann, dass Nero innerhalb der Forschung trotz aller temporärer, erschwerender Umbrüche als jener Princeps mit dem schlechtesten Leumund dargestellt wird, der (angeblich) Rom selbst in Brand steckte. Eine bessere Grundlage für einen vielschichtigen Historienfilm hätte es folglich kaum geben können…
Das Werk von Mervyn LeRoy hält sich nahezu eins zu eins an die umfangreiche Vorlage, bebildert somit einen relativ überschaubaren Zeitraum, hauptsächlich das Jahr 64 nach Geburt Christi. Nichtsdestotrotz ging man über das auf imperatorische Schachzüge reduzierte Spektrum hinaus und konzentrierte sich stattdessen auf den Zusammenprall zwischen Römischer Tradition und der im Anfang begriffenen Ausbreitung des Urchristentums. Mit Ausnahme des Legionärs Marcus Venetius sowie Lygia, seiner Geliebten, sind alle Charaktere reell existierenden Personen sowie Überlieferungen von Tacitus und Sueton, zwei Senatoren, nachempfunden. Speziell die markante Dialogführung mitsamt quellenbasierten Sentenzen ist besonders vortrefflich gelungen, gerade weil man sich nicht des Eindruckes verwehren kann, als wäre die hochlateinische Linguistik durchgängig buchstäblich übertragen worden. Zudem läuft das Gesehene, angefangen mit einer passenden Situationsbeschreibung, zielstrebig auf eine Klimax zu, wofür neben dem klassisch-theatralischen Handlungsaufbau auch die sich steigernden Klangfarben verantwortlich sind.
Speziell die betreffende Dekade enthält eklatante Überlieferungslücken und wird von Experten auffallend konträr beurteilt. Deshalb kann ich mir eine detaillierte Bewertung der Faktentreue schlichtweg nicht erlauben, gerade weil dann dem Buchautor der Vorwurf zu machen wäre und filmisch eine gewisse Deutungsrichtung eingeschlagen werden musste. Fest steht jedoch zweifellos, dass die Kennzeichen Neros – seine anfängliche Popularität, sein ausgeprägtes, untypisches Faible für Dichtung, Gesang und die hellenistische Kultur sowie sein stufenweiser Verfall zum hysterischen Tyrannen – hervorragend getroffen wurden. Obschon wir nicht wissen, ob der Herrscher, der sich seinerzeit (wie korrekt dargestellt) außerhalb Roms in seiner Sommerresidenz befand, tatsächlich der Urheber der fatalen Brandlegung war, erscheint es in ebendiesem Kontext überaus plausibel. Bedauernswert ist dagegen, dass die Deklarierung Neros von Seiten des Senats zum Volksfeind sowie der Sturz durch Galba nur unzureichend thematisiert worden sind, die Zeit also gerafft wurde. Die politisch-geistige Sphäre stand für meinen Geschmack letztlich etwas zu stark im Schatten der opulenten Inszenierung und, noch stärker, der Liebesgeschichte, deren Verlauf für meinen Geschmack etwas holprig daherkommt. Andererseits wurde bebildert, dass christliche Ideen eine neue geistige Kraft in Gang setzten, die unter den Bürgern Roms zunächst nichts als Zynismus hervorrief, dennoch erreichte die religiöse Suppression erst lange nach Neros Ableben ihren Höhepunkt. Viele der gewählten Metaphern – wie beispielsweise der Umstand, dass die Gemeinde unter Simon Petrus bis zum Tod in der Arena chroralähnliche Lieder singt, sind zwar unbelegt, überzeugen aber gerade auf dramaturgischer Ebene.
Zugute zu halten ist LeRoy überdies, dass die italienische Hauptstadt endlich einmal als hauptsächlicher Drehort eines Films über Rom fungierte, denn für spätere Produktionen musste man mangels Genehmigung oftmals nach Nordafrika ausweichen. Aufgrund dieses Glückfalls, imposanten und vor Ästhetik strotzenden Sets, herrlichen Kostümen für Menschen aller Volksschichten sowie der originalgetreuen Nachbildung von Hoheitszeichen kann der Film optisch mit heutigen Genrevertretern beinahe vollständig mithalten und vermittelt ein authentisches, zeitgenössisches Lebensgefühl. Gelungen ist überdies der Schnitt, vor allem aber der wiederholte Wechsel zwischen weitschweifigen Kameraperspektiven und jenen, die auffallend fokussiert auf Gefühlsregungen gerichtet sind. Insbesondere das letzte Filmdrittel stellt ein inszenatorisch perfektes, furioses, von Effekten getragenes Spektakel dar. Die Sequenzen der brennenden, größten Stadt der damaligen Welt sowie der barbarischen „Brot und Spiele“-Praxis, die diesmal mit aller Härte die Andersglaubenden traf, sind in ihrer frühen Darstellungsart angsteinflößend realistisch und von großem Symbolwert.
Es muss schlichtweg als skandalös und unverständlich angesehen werden, dass Ustinov zwar drei Mal äußerst verdient als Darsteller für den Oscar nominiert worden ist, dennoch aber gerade für diese Rolle nicht gewonnen hat, denn sie zählt für mich nicht nur zu dem Besten, was der Weltbürger je abgeliefert hat, sondern auch zum Kanon der stärksten, männlichen Nebendarstellungen der Filmgeschichte. Wie das reale Vorbild spielt er all seine Gegenspieler förmlich an die Wand, brilliert in humoresken, ruhigen Szenen genau so wie in jenen, in denen er als wahnsinniger Despot, dem ein Leben als Poet sicherlich besser gestanden hätte, auftritt. Ustinovs intensive Darstellung zählt zu jener Sorte Schauspielkunst, die jeden beeindrucken dürfte, unabhängig davon, ob dieser die Sparte nun mag oder nicht. Ursprünglich war Gregory Peck für die Hauptrolle vorgesehen, aber ob er die bessere Wahl gewesen wäre, vermag ich nicht zu diagnostizieren. Taylors Leistung jedenfalls bewegte sich zeitweise zwischen äußerst fesselnd und einer Spur zu bemüht. Auch Deborah Kerr gibt als christliche Lygia eine gewohnt souveräne Performance, doch insgesamt punktet sie weniger durch Facettenreichtum als durch ihre makellose Schönheit. Viel überzeugender empfand ich dagegen Leo Genn als Senator und besonders Patricia Laffan, die Neros intransparente Gemahlin mit einer brillanten Arroganz und Präsenz verkörperte.
„Quo Vadis? “ erhielt damals acht Oscarnominierungen, doch für eine Auszeichnung reichte es letztlich in keiner der Kategorien. Zu groß war offensichtlich durch „Endstation Sehnsucht“, „Ein Platz An Der Sonne“ und „Ein Amerikaner In Paris“ die Konkurrenz. Retrospektiv betrachtet hätten die Preise für den besten Nebendarsteller, die Regie, das Szenenbild und das Kostümdesign meines Erachtens an das Mammutprojekt gehen sollen. Trotz der angesprochenen Abstriche und einer geringfügig zu langen Laufzeit kann nicht negiert werden, dass es sich um eine sehenswerte, hervorragend bebilderte und teilweise epische Geschichtsstunde handelt. Das Werk beantwortet nicht nur die titelgebende Frage, sondern erhielt durch den unvergleichbaren Ustinov Kontinuität, ferner läutete es die zwanzigjährige Hochphase der klassischen Monumentalfilme ein, kann also als direkter Wegbereiter von „Ben Hur“ erachtet werden.
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Regie: Mervyn LeRoy
Genre: Monumentalfilm / Historiendrama / Biographie
Darsteller: Robert Taylor, Deborah Kerr, Peter Ustinov, Leo Genn, Patricia Laffan, Finlay Currie, Marina Berti, Buddy Baer, Abraham Sofaer, Norman Wooland, Buddy Baer
Master And Commander – Bis Ans Ende Der Welt (OT: Master And Commander: The Far Side Of The World)
Zweifelsohne zählen die Schifffahrt, die navalen Erkundungsreisen der Geschichte oder Themen wie Piraterie und Seeschlachten zu einem Typus, den man auch mit dem Begriff der Männerdomäne kennzeichnen könnte. Vor zehn Jahren begann einerseits der finanzielle Triumphzug der Filmreihe rund um Jack Sparrow, in derselben Saison wurde andererseits ein Film veröffentlicht, der ausschließlich auf hoher See zu lokalisieren ist und nebenbei ganze zehn (!) Oscarnominierungen für sich verbuchen konnte. Doch bereits der ungewöhnliche Umstand, dass es in der Tat drei Anläufe benötigt hat, bis ich mir Peter Weirs „Master And Commander“ in Gänze ansehen konnte, dürfte Bände sprechen. Beinahe tut es mir leid, dass schon wieder ein Drama mit Russell Crowe in der Hauptrolle im Rahmen dieser Reihe auf relativ wenig Wohlwollen stößt, dennoch erachte ich auch die Produktion im Allgemeinen als einen der überbewertesten Genrevertreter des neuen Jahrtausends, was aufgrund eines unverkennbar hohen Potentials mehr als bedauerlich ist.
Beginnen wir aber diesmal mit den unbestreitbar lobenswerten Aspekten. Die formale Gestaltung von Weirs bisher zweitletzter Regietätigkeit muss, wenn man von teils nervösen Schnitten absieht, als beinahe fehlerlos anerkannt werden. Vor allem die unterschiedlichen Innen- und Außensets mehrerer Schiffstypen sowie die Maskierungen und Uniformen der Seefahrer wurden originalgetreu, reell wirkend und mit Liebe zum Detail reproduziert. Die Kameraarbeit ermöglichte, einen unverschleierten Blick auf das alltägliche Leben eines zur Marine Zugehörigen zu erhalten, das vorrangig von Strapazen, Entbehrungen und Krankheit geprägt war. Zudem stach insbesondere in Bombardierungssequenzen die Akustik hervor, zugleich förderte das Knacken der Planken oder aber das Wellenschäumen eine realistische Atmosphäre. Nach einem furios in Szene gesetzten, erwartungsaufbauenden Start dümpelt der Film nichtsdestotrotz extrem vor sich hin und offenbart aus meiner Sicht schnell eine drehbuchbezogene Unausgegorenheit, welche den einleitenden Eindruck technischer Exzellenz rasch mindert.
Die Handlung, basierend auf dem Roman „Manöver Um Feuerland“ des marinehistorischen Autors Patrick O’Brien kann auf die Phase des Machtzenits Napoléon Bonapartes datiert werden, in welcher Frankreich eine kontinentale Handelssperre verhängte. Dadurch war Großbritannien zunehmend gezwungen, Häfen in Lateinamerika für den Warenaustausch zu nutzen, was einen spannenden Ansatz geboten hätte, sofern der Fokus tatsächlich darauf gelegt worden wäre. In der Leinwandadaption wird allerdings – im Gegensatz zur faktengetreueren Vorlage – geschildert, wie die beiden europäischen Hegemonien sich auf den Ozeanen nahe des Kap Hoorns aus Rachemotiven verfolgen und bekriegen. Dementsprechend muss bereits die Ausgangslage als unkorrekt und gewissermaßen willkürlich klassifiziert werden, denn die britische Krone befand sich 1812 nicht in militärischen Auseinandersetzungen mit Napoléon, sondern primär mit der aufstrebenden Flotte der noch jungen Vereinigten Staaten. Obgleich der häufig aufgegriffene Verweis auf die englisch-französisch Erbfeindschaft allein freilich noch kein Desaster darstellt, war ich doch äußerst verwundert darüber, dass es gar nicht als notwendig erachtet worden ist, den Kontrahenten näher zu beleuchten, schließlich bleibt ebendieser durch den alleinigen Fokus auf die britische Garnison fortwährend seltsam anonym und für den Zuschauer nicht greifbar. Deswegen blieben auch die Charaktere oberflächlich und austauschbar, während deren Entwicklungen und Wortwechsel häufig unplausibel, überamerikanisch oder aber uninteressant anmuteten, sodass man sich nicht mit ihnen identifizieren wollte.
Der anscheinend forcierte und anhand des Kapitäns und des Bordarztes personifizierte Zusammenprall von Ehre und Tradition sowie evolutionärer Wissenschaft und Gedanken der Aufklärung gefiel mir ebenfalls ansatzweise, dennoch passt auch dies nicht wirklich in den Kontext, da der neuzeitlich-geistige Aufbruch schon 300 Jahre vorher begann, die Darwin’schen Ideen im Gegenzug erst drei Dekaden später Veröffentlichung fanden. Ein weiteres Problem besteht darin, dass all diese inhaltlichen Kontrastierungen angeschnitten werden, aber kein Symbol konsequent zu Ende gedacht wurde, wodurch weder ein sinnspendender, roter Faden noch eine konkrete Erzählabsicht ersichtlich werden konnten. Annähernd 90 Minuten finden wir eine stringente Handlungsarmut vor, die nahezu nur Langeweile verströmt. Gerade ich bin grundsätzlich kein Gegner langer Filmlaufzeiten. WENN man etwas zu sagen hat, ist ein Ausholen sogar von Vorteil, doch leider war dies nicht der Fall. Sämtliche Grundideen driften wegen der dokumentarischen Darstellungsart des Alltagslebens ins Bedeutungslose ab. Die wenigen dramatischen Momente des Mittelteils werden anhand der Schiffsjungen generiert, was für mein Empfinden allzu aufgesetzt wirkt, außerdem will das äußerst sentimentale Ende so gar nicht zur übrigen, rabiat-maskulinen Skizze passen. Hinzu kam, dass die Kompositionen das Ohr überraschend schnell verließen. „Master And Commander“ kommt, wie der deutsche Untertitel suggeriert, nirgends an. Und auch die Effekthascherei, welche ein Drittel der Laufzeit ausmacht, reichte mir für ein selbsternanntes Historiendrama bei Weitem nicht aus, gerade weil es auch an schauspielerischer Authentizität mangelte. Wie angedeutet blieb Crowe in der Rolle des Jack Aubrey meiner Meinung nach größtenteils blass. Die kühnen, bereits in „Gladiator“ an den Tag gelegten Blicke und Gesten trugen nicht dazu bei, mit seiner zentralen Person mitzufühlen oder es zu wollen. Paul Bettany dagegen holt aus seiner Rolle das Möglichste heraus und muss innerhalb eines insgesamt schwachen Ensembles als einziges Highlight erachtet werden. Demgegenüber ließ Billy Boyd durch sein stellenweise unfreiwillig komisches Agieren durchblicken, dass er zeitgleich noch als Hobbit Pippin vor der Kamera stand.
Die beiden Oscars für die Kamera und den Tonschnitt mögen ihre Berechtigung haben, viele der restlichen Nominierungen stoßen bei mir noch immer sauer auf. Actionfans werden wegen der effektvoll inszenierten Kampfszenarien sicherlich auf ihre Kosten kommen, allerdings bewahrt dies den seelenarmen Film letztlich nicht davor, Schiffbruch zu erleiden. Eine anfangs geplante Fortsetzung wurde womöglich wegen des absolut unbefriedigenden Einspielergebnisses bei hohem Aufwand bisher nicht realisiert – und das entspricht angesichts der ungewöhnlich kurzen Halbwertszeit im Gedächtnis wohl keinem großen Versäumnis. Von einem Filmschaffenden, der für ein Meisterwerk wie „Der Club Der Toten Dichter“ verantwortlich war, hätte man schlicht und ergreifend deutlich mehr erwarten dürfen.
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Regie: Peter Weir
Genre: Historiendrama / Abenteuer
Darsteller: Russell Crowe, Paul Bettany, Max Pirkis, Billy Boyd, Chris Larkin, Robert Pugh, James D’Arcy, Richard McCabe