Unbroken

1

Wahrscheinlich offenbare ich kein Mysterium, indem ich verrate, dass ich seit der letzten Oscarverleihung dem Kinostart von „Unbroken“ entgegengefiebert und Angelina Jolies zweiter Regietätigkeit ebenso frühzeitig als persönlichen, vielversprechensten Saisonfavoriten deklariert habe. Auf dem Papier hatten sowohl die Geschichte als auch das Team der Verantwortlichen einfach alles, sodass ich auf den ganz großen Wurf gewettet hätte – verbunden mit der Hoffnung, dass endlich mal wieder eine weibliche Person von Seiten der Academy Berücksichtigung fände. Wie wir seit gestern wissen, ist dieser Wunschtraum zerplatzt, weil das Kriegsdrama „lediglich“ drei Nennungen in Nebenkategorien verbuchen konnte. Dies jedoch hielt mich nicht davon ab, mir im Lichtspielhaus meines Vertrauens schnellstmöglich selbst ein Bild davon zu machen, denn ich empfinde es prinzipiell als bedauernswert, wenn dem Ergötzen an der Nichterfüllung von Erwartungen mehr Aufmerksamkeit zugestanden wird als dem Werk selbst…

2

Basierend auf der beeindruckenden Vita des italo-amerikanischen Olympioniken Louis Zamperini wird das Publikum vorderhand Zeuge der letzten drei Jahre des Zweiten Weltkriegs, in welchem Louis nach einem Flugzeugabsturz in die Gefangenschaft der Achsenmacht Japan gerät und den Torturen mit unbändigem Überlebenswillen trotzt, was thematische und formale Parallelen zu „Paradise Road“ erkennbar werden lässt. In Form anfänglicher und gut platzierter Zeitsprünge wird sowohl auf die ideologischen Spiele von 1936 eingegangen, auf die Eckpunkte des Kriegsverlaufs im Pazifik als auch auf propagandistische Charakteristika der Internierung eingegangen. Primär auf historischer Ebene gibt es aus meiner Sicht nichts zu bemängeln, was für eine akribische Beschäftigung mit der Ära spricht. Ein Pluspunkt besteht neben der verdichteten Bezugnahme auf die Romanvorlage darin, dass Jolie die Geschichte konsequent, d.h. mit aller gebotenen Härte und ohne Beschönigungsversuche inszeniert, weswegen es als wichtiger erachtet worden ist, den Tatsachenbericht so authentisch wie möglich zu bebildern anstatt Emotionen künstlich zu evozieren. Leichte Kost ist „Unbroken“ trotz seines dokumentarischen Stils nämlich keinesfalls, wofür vor allem die ausführliche Beleuchtung des sadistischen Umgangs mit den Internierten verantwortlich ist. Das Gesehene vermag nicht nur zu provozieren und seelische Schmerzen zu bereiten, sondern auch nachzuwirken. Darauf fußend griff man – wie in vielen anderen Kriegsporträts – intentioniert auf schwarzweißmalerische Komponenten zurück, was ich aufgrund der Machart und des gezielten Fokus’ auf die Hauptperson als legitim und notwendig erachte. Andererseits wurde in ebendiesem Zusammenhang ein Teil des Potentials verschenkt, weil man nicht ausreichend in das Seelenleben der Hauptcharaktere eingedrungen ist und die Handlung etwas aktionsfreudiger hätte ausfallen können. Insbesondere im abschließenden Viertel des Films verdrängt darüber hinaus ein uramerikanisches Pathos die Option zur Einbindung. Das Martyrium der Soldaten auf hoher See wurde beispielsweise zu stark in die Länge gezogen, wenngleich vor allem diese Sequenzen sich wiederum durch auffallend imponierende Dialoge auszeichnen.

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Zweifellos zählt „Unbroken“ in technischer Perspektive zu dem Besten, was ich innerhalb des letzten Kalenderjahres gesehen habe, denn der Schnitt, die Effekte und die Akustik ließen keine Wünsche offen und sorgen dafür, dass die Schlachtszenen zum Nervenkitzel avancieren. Zur gefühlt zwanzigsten, absolut meisterhaften Kameraarbeit von Roger Deakins bedarf es eigentlich keiner erklärenden Worte, schließlich lebt der Zweistünder auffallend von der mitreißenden, einzigartigen, cinematographischen Gestaltung. Sollte Deakins bei seiner nunmehr zwölften (!) Nominierung nicht endlich mit dem längst überfälligen Oscar belohnt werden, wird es wahrscheinlich niemals geschehen… Des Weiteren muss neben den Sets auch das Make-Up gesondert gelobt werden, denn die Blessuren wirken erschreckend realistisch. Nominierungswürdig wären für mein Empfinden auch die herausragenden, expressiven und vielfältigen Klänge gewesen, die mich stellenweise an Abel Korzeniowskis Werke erinnerten. Zwar erhielt der grandiose Desplat in diesem Jahr sogar eine (seltene) Doppelnennung, in meinen Augen können speziell die Kompositionen für „Grand Budapest Hotel“ jenen in „Unbroken“ aber nicht das Wasser reichen. Im Übrigen sticht sogar das ergiebig arrangierte „Miracles“ inmitten einer Saison voller mediokrer Filmsongs positiv heraus – und das sagt jemand, der den meisten Coldplay-Liedern recht wenig abgewinnen kann…

Der mir bisher gänzlich unbekannte Jack O’Connell gibt in seiner anspruchsvollen und tief empfundenen Rolle das Maximum und ließ die Torturen gerade wegen seiner zum Vorschein kommenden, inneren Stärke und des authentischen Mienenspiels erlebbar werden. In einem Jahr, das nicht derart viele starke Hauptdarstellerleistungen mit sich gebracht hätte, wäre auch ihm mehr Anerkennung zu wünschen gewesen. Neben einer sehenswerten Performance von Domhnall Gleeson offerierte jedoch Miyavi uneingeschränkt das darstellerische „Wow-Erlebnis“, denn er brillierte als diabolischer Kommandant trotz seiner äußerst begrenzten Screentime in jeder Sekunde und jagte mir durch seine barbarischen Blicke partiell Angstschauer über den ganzen Körper. Seine intensive Darstellung verdeutlicht aus meiner Sicht, dass asiatische Schauspieler häufig unter Wert verkauft werden…

4

Obgleich „Unbroken“ sich wegen seiner Länge und drehbuchbezogener Defizite letztlich nicht als das von mir ersehnte Meisterwerk entpuppt hat, ist es dennoch ein ambitioniertes, technisch perfektes und belangreiches Historienporträt mit unbestreitbaren Vorzügen, die ihn vom Einheitsbrei unterscheiden. Darüber hinaus sollte man im Hinterkopf behalten, dass es sich um die Produktion einer Frau handelt, die sich erst am Beginn ihrer Regiekarriere befindet, weshalb ich es für möglich halte, dass diese imstande ist, sich eines Tages in die Gesellschaft von Kathryn Bigelow zu begeben. Es muss als schade erachtet werden, dass Zamperini im vergangenen Juli verstorben ist und die Endfassung somit nicht mehr selbst zu Gesicht bekam, da der Film seinem außergewöhnlichen Leben größtenteils gerecht wird.

USA 2014 - 137 Minuten Regie: Angelina Jolie Genre: Historiendrama / Biographie / Kriegsfilm Darsteller: Jack O’Connell, Garrett Hedlund, Domhnall Gleeson, Takamasa Ishihara (Miyavi), Finn Wittrock, Jai Courtney, Alex Russell, Luke Treadaway, Jordan Patrick Smith
USA 2014 – 137 Minuten
Regie: Angelina Jolie
Genre: Historiendrama / Biographie / Kriegsfilm
Darsteller: Jack O’Connell, Garrett Hedlund, Domhnall Gleeson, Takamasa Ishihara (Miyavi), Finn Wittrock, Jai Courtney, Alex Russell, Luke Treadaway, Jordan Patrick Smith
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