Film des Monats: Ein Platz An Der Sonne (OT: A Place In The Sun)

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Zusammen mit „Mein Großer Freund Shane“ und dem von mir besonders geschätzten „Giganten“ bildet „Eine Platz An Der Sonne“, dessen Titel einen unverkennbaren Bezug zum Zeitalter des Imperialismus aufweist, George Stevens „Amerika-Trilogie“. Die früheste dieser Leinwandproduktionen wurde inmitten einer der stärksten Filmsaisons der Dekade mit ganzen sechs Oscartrophäen bei insgesamt neun Nominierungen bedacht. Völlig zu Recht – wie ich finde, denn dieses Werk ist nicht bloß eines der vielen baugleichen Melodramen, sondern eine exemplarische, vielschichtige Gesellschaftsstudie, die dauerhaft im Gedächtnis zu verbleiben imstande ist und den karrierebesessenen George porträtiert, der zwischen zwei, ihm verfallenen Frauen steht und schlussendlich für seine Pläne über Leichen geht. Der zugrunde liegende, mir leider bis heute unbekannte Roman namens „Eine Amerikanische Tragödie“ soll Literaten zufolge Sozialkritik in Form eines Hammerschlags verüben, dieses Element jedoch hat Stevens in bemerkenswerter Manier auf ein adäquates und fokussierteres Niveau heruntergebrochen, um primär Platz für die bittersüße Dreiecksgeschichte und das Innenleben der Involvierten zu schaffen, weswegen es im Zusammenspiel mit der Gestaltung verhältnismäßig schwer fällt, diesen Kassenschlager einem einzigen Genre zuzuordnen.


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In inszenatorischer Hinsicht aufwendig, jedoch keinesfalls effekthaschend ausgeschmückt, bestmöglich fotografiert und dramaturgisch arrangiert wie ein klassisches, vieldeutbares Drama der griechischen Antike, ist „Ein Platz An Der Sonne“ vor allem eine eindringliche Parabel für ein humanes, zweifelsohne in der Realität erdenkliches Trauerspiel. Den dargebotenen Erzählstil, der zwischenzeitlich leicht abflaut, um in der abschließenden halben Stunde schlagartig seinen Höhepunkt zu erreichen, hat man konsequent an der inneren Zerrissenheit des Protagonisten ausgerichtet und mit substantiellen, gelegentlich äußerst sensiblen Dialogen und ästhetischer Erotik ummantelt, die gerade dann bewusst in Kontrast zur unerbittlichen Härte des Geschehens und der unvermeidbaren Konsequenzen des menschlichen Handelns stehen. Ob man George jedoch verachtet, bemitleidet, vielleicht sogar versteht oder sein Verhängnis als Genugtuung empfindet, obliegt einzig und allein dem jeweiligen Betrachter, was den größten Pluspunkt des Werkes bildet. Überdies entstanden die variablen Kompositionen in der Blütezeit der opulent-orchestralen Filmmusiken und spiegeln die unterschiedlichen Stimmungen und Wendungen perfekt auch für das Ohr wider.

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Die Seite an Seite agierenden Hauptdarsteller lieferten fesselnde Performances auf Augenhöhe, wobei Montgomery Clift und Shelley Winters sogar ihre für mein Befinden jeweils besten Karriereleistungen erbracht haben. Besonders Clift hat trotz eines schicksalhaften Privatlebens voller Depressionen und Rückschläge nahezu ausschließlich Nominierungwürdiges geleistet und vermag durch seine charakterstarke Verkörperung unzählige Facetten seines Könnens zu visualisieren. Freilich gab es in schauspielerischer Hinsicht weder an Vivien Leigh noch an Kim Hunter ein Vorbeikommen, allerdings hätte ich Winters weitaus lieber mit einem Oscar für diese Rolle gesehen als für jene in „Das Tagebuch Der Anne Frank“ und Elizabeth Taylor ist wohl im Alter von gerade einmal 19 Jahren nur knapp an ihrer ersten Nominierung vorbeigeschrammt. Unglücklicherweise fielen einige der Szenen von Anne Revere in einer ihrer letzten, überzeugenden Engagements aus politischen Gründen der Schere zum Opfer.

MBDPLIN EC046

Zweifelsohne erfordert Stevens düster-amouröses Drama mehr als nur eine konzentrierte Sichtung, weshalb man es durchaus mit einem vollmundigen, eigenwilligen, exzellenten Wein vergleichen kann. Wenngleich ich im betreffenden Jahr „Endstation Sehnsucht“ nach wie vor als das filmische Nonplusultra erachte, folgt „Ein Platz An Der Sonne“ dicht dahinter und daher finde ich es bedauerlich, dass beide Meisterstücke ausgerechnet in der wichtigsten Kategorie gegenüber „Ein Amerikaner In Paris“ das Nachsehen hatten. Dieser zeitlose, aufschlussreiche und psychologisch feingezeichnete Klassiker sollte jedenfalls zum Inventar eines jeden Cineasten gehören.

USA 1951 - 122 Minuten Regie: George Stevens Genre: Liebesdrama / Literaturverfilmung Darsteller: Montgomery Clift, Elizabeth Taylor, Shelley Winters, Anne Revere, Keefe Brasselle, Fred Clark, Raymond Burr, Herbert Heyes, Shepperd Strudwick, Frieda Inescort
USA 1951 – 122 Minuten
Regie: George Stevens
Genre: Liebesdrama / Literaturverfilmung
Darsteller: Montgomery Clift, Elizabeth Taylor, Shelley Winters, Anne Revere, Keefe Brasselle, Fred Clark, Raymond Burr, Herbert Heyes, Shepperd Strudwick, Frieda Inescort
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