Victoria

 Victoria

Ich überlege gerade, wann ich einen deutschen Film zuletzt bewusst im Kino sehen wollte. Das müsste bei FREIER FALL bzw. SEIN LETZTES RENNEN gewesen sein! Nach dem VICTORIA vor 2 Tagen ganze 6 deutsche Filmpreise für den Besten Film, die Beste Regie, beide Darsteller, die Kamera und die Filmmusik gewonnen hat, wurde er natürlich zur Pflicht. Aber auch schon Tage davor stand er auf meiner Watch-Liste und dies nicht nur, weil er an einem Stück gefilmt wurde.

Was BIRDMAN ohne sichtbaren Schnitt bereits zu Oscarehren im Februar diesen Jahres führte, sollte Regisseur Sebastian Schipper gänzlich in nur einem Take gedrehten Werk überbieten, für das nur 3 Monate geprobt und lediglich 3 Mal gedreht wurde!

Das Positive an VICTORIA ist aber, Gott sei Dank, dass sich der Film nicht nur auf diese technische Spielerei ausruht, sondern auch auf inhaltlicher und darstellerischer Ebene einiges zu bieten hat und wechselt ganz nebenbei sogar 22 Mal die Lokation…

Nachdem die Namen der Darsteller auf der Leinwand erschienen sind, beginnt die erste Einstellung mitten in flackernde Stroboskoplichter und stampfende Electro-Beats zu „Burn with me“ von Dj Koze, bis sie bei der titelgebenden Protagonistin inmitten eines Berliner Nachtclubs angelangt ist und die nächsten 135 Minuten, bis auf wenige Sekunden, auch nicht mehr von der Seite weicht.

Victoria 2

Schipper nutzt Improvisation und setzt ganz auf die Authentizität seiner Darsteller, allen voran Laia Costa und Frederick Lau, die jeder für sich, aber vor allem im Zusammenspiel eine intensive Ausstrahlung entfalten und dennoch lebensecht wirken. Diese Echtheit ist die große Stärke von VICTORIA, auch wenn die Motivation der Titelfigur teilweise echt schon weit hergeholt zu sein scheint. Doch blenden wir diese Unlogik einmal aus bzw. versuchen wir ihr mit Victorias Charakterzeichnung entgegenzuwirken.

Das erste Drittel des Films wird genutzt um die Protagonisten näher kennenzulernen und „endet“ mit einem virtuosen Klavierspiel zwischen Sonne (Frederick Lau) und Victoria, welches einen Äußerst intensiven Höhepunkt- und gleichzeitig emotionalen Wendepunkt darstellt. Hier wird der Bogen zu Victorias Vergangenheit gesponnen, welches zudem ihr inneres Dilemma darstellt aus dem ihre Zerbrechlichkeit, aber auch Stärke und sich einfach treiben bzw. gar verführen lassen zu wollen, gewachsen sein muss. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die Talfahrt der Protagonisten in der man den Zuschauer spätestens verliert oder gänzlich für sich einnimmt, da Victorias Bereitschaft sich auf das Abenteuer einzulassen für jeden nachdenkenden Menschen spätestens an dieser Stelle enden würde.

An dieser Stelle der Appell: Lasst Euch drauf ein. Die Dialoge sind nicht immer schön, aber echt. Die Kamera komponiert Bilder, ist mal objektiv und mal subjektiv, sie atmet und lebt, sie beobachtet und schweift dann doch wieder ab, die Filmmusik ist dezent, um dann zu dominieren. Die Darsteller wirken durch ihre Improvisationen laienhaft, um dann zu darstellerischen Höchstleistungen aufzulaufen. VICTORIA bricht mit nahezu jeder Regel, wirkt frisch, mutig und neu und bewegt einen, ob positiv oder negativ, aber er bewegt einen und schauen und lieben wir nicht daher Filme?

6-facher Gewinner des Deutschen Filmpreises (Lola):

  • Bester Film
  • Beste Regie (Sebastian Schipper)
  • Beste Darstellerin (Laia Costa)
  • Bester Darsteller (Frederick Lau)
  • Beste Filmmusik (Nils Frahm)
  • Beste Kamera (Sturla Brandt Grovlen)

Weitere Nominierung:

  • Beste Tongestaltung
USA 1959 - 114 Minuten Regie: Joseph L. Mankiewicz Genre: Psychodrama Darsteller: Elizabeth Taylor, Katharine Hepburn, Montgomery Clift, Albert Dekker, Mercedes McCambridge, Gary Raymond, Mavis Villiers, Patricia Marmont, Joan Young
Deutschland 2015 – 140 Minuten
Regie: Sebastian Schipper
Genre: Drama / Thriller / Romanze
Darsteller: Laia Costa, Frederick Lau, Franz Rogowski, Burak Yigit, Max Mauff, André Hennicke
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