Once Upon A Time … In Hollywood

© Columbia Pictures

Seit gut zwei Wochen läuft „Once Upon A Time … In Hollywood“ in den hiesigen Kinos. Sofern man der Ankündigung des Regisseurs uneingeschränkten Glauben schenken möchte, könnte es sich dabei um dessen vorletzte Regieführung handeln. Schon lange vor der Uraufführung an der sonnigen Côte d’Azur als ernstzunehmender Oscarkandidat gehandelt, kristallisiert sich nicht nur schnell heraus, warum der Südstaatler nicht von ungefähr als einer der eigenwilligsten Filmschaffenden unserer Zeit, mitunter sogar als „Enfant Terrible“, gilt und das Publikum wiederholt spaltet. Die formelhafte Betitelung weckt zunächst Assoziationen an ein Märchen im Spiegel des modernen Zeitalters, die das Endprodukt ironischerweise vor allem im Hinblick auf ein gewisses Maß an Lehrhaftigkeit und einen ureigenen Sadismus einlöst.

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Sowohl vor als auch hinter der Kamera vertraute Tarantino auf ein etabliertes Team, was sich in Summe auf gleich mehreren Ebenen auszahlte. Vor allem die raffinierte Kameraführung und das detailgetreue, optisch Wiederaufleben des Jahres 1969 erfreuen das Auge, ordnen sich dem Skript und dem Ensemble jedoch weder unter noch über. Als stets präsenter Motor für den Fortgang der Handlung erweisen sich dabei die Versagensängste und Selbstzweifel des Protagonisten und verleihen der rauen, mitunter Tarantino-üblich skurrilen Szenerie das nötige Quorum an Menschlichkeit. Ein großes Problem bestimmt die Wirkungsästhetik des Gebotenen fortlaufend: Der Film ist schlicht und ergreifend fast eine Dreiviertelstunde zu lang! Trotz immenser Kürzungen des Rohmaterials fehlt es insbesondere dem handlungsarmen Mittelteil, der durch zwei Stränge mit metaleptischer Verzahnung geprägt ist, an Fokus und überzeugt weniger als homogene Einheit, sondern eher mittels gelungener Einzelsequenzen. Das abschließende Drittel lässt diesen tiefen Durchhänger allerdings verzeihen, indem mit dem bisherigen Erzählstil und der historischen Sphäre (wieder einmal!) komplett gebrochen wird, weswegen detailliertes Hintergrundwissen über die Manson-Morde entbehrlich erscheint. Gekennzeichnet von enormem Tempo erlebt man ein bitter-bitter-böses Finale, das den Zuschauer zugleich fordert, schockt als auch bestens unterhält und an die Kaltschnäuzigkeit vorangegangener Tarantino-Werke erinnert, die man sporadisch nur als „krasse Sch****“ bezeichnen kann und der Darstellerriege Raum zur Entfaltung gibt. Leonardo DiCaprio darf in Gestalt seiner zweiten Kollaboration mit Tarantino Hoffnungen auf eine siebente Oscarnominierung hegen, nachdem er bedauerlicherweise für die Darbietung in „Django Unchained“ außen vor blieb. Hochverdient mutet es an, denn die Verkörperung des alkoholsüchtigen Filmhelden Rick verlangte ihm nicht nur einiges ab, sondern ist durchgängig geprägt von herausragendem Timing, Spielfreude und lange nicht gesehenem Facettenreichtum. Auf ähnlich hohem Niveau, jedoch von gänzlich anderem Naturell, agiert Brad Pitt und liefert mit scheinbarer Mühelosigkeit als Sidekick die stärkste Leistung seit gefühlt einem Jahrzehnt. Demgegenüber wirkt Margot Robbie, bedingt durch ihre ausbaufähig Rollenkonzeption als bildschöne Schauspielerin Sharon Tate, größtenteils wie ein strahlendes Dekorationselement, dennoch gelingt es ihr zumindest, das branchenübliche, notorische Streben nach öffentlicher Anerkennung offen zu legen. Darstellerisches Highlight unter den weiblichen Darstellerinnen bildet die erst 10-Jährige Julia Butters, die inmitten einer hochemotionalen Szene enorme Präsenz an den Tag legt. Von der übrigen Schar an Gastdarstellern bleiben vor allen Bruce Dern, Kurt Russell und Al Pacino im Gedächtnis.

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Schlussendlich bildet „Once Upon A Time … In Hollywood“ ein überaus eigenwilliges Werk, an dem sich erneut die Geister scheiden dürften und das sicherlich nicht als Kino-Kost „to go“ durchgeht. Im Hinblick auf den Gesamteindruck rangiert Tarantinos neunte Kinoproduktion aufgrund eines Hangs zur Redundanz zwar deutlich hinter „Inglourious Basterds“, punktet aber dank seines Ensembles, dialogischer Geistesblitze und konsequenter Bissigkeit, die selbst dann nachwirkt, wenn man es möglicherweise gar nicht möchte.

USA / UK 2019 – 161 Minuten
Regie: Quentin Tarantino
Genre: Drama / Crime / Schwarze Komödie
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Brad Pitt, Margot Robbie, Margaret Qualley, Dakota Fanning, Al Pacino, Kurt Russell, Emile Hirsch, Timothy Olyphant, Luke Perry, Bruce Dern, Damon Herriman, Rafał Zawierucha, Lena Dunham, Damian Lewis, Julia Butters
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