Avatar – The Way Of Water
Eines sollten sich nicht nur Cineasten und Statistikfreunde einmal auf der Zunge zergehen lassen: Von den vier Spitzenreitern der Filmgeschichte, welche bis dato die höchsten Einspielergebnisse generierten, stammen drei von ein- und demselben Regisseur, und zwar von James Cameron. Pandemiebedingt und aufgrund von skriptbezogenen Diskrepanzen verschob sich die Fortsetzung von „Aufbruch Nach Pandora“ um mehrere Jahre, der nunmehr seit Mitte Dezember ununterbrochen in den hiesigen Kinos läuft. Bedauerlicherweise ist „The Way Of Water“ in vielerlei Hinsicht ein zutiefst durchschnittlicher Blockbuster, der zwar das Auge erfreut, aber darüber hinaus keine Wagnisse eingeht. Noch eine halbe Stunde länger als der Vorgänger von 2009, erweist sich das Epos streckenweise als gähnend handlungsarm. Zwar regen einige Sequenzen vor dem Hintergrund des Klimawandels zum Nachdenken an, allerdings zeugen vor allem deplatzierte, philosophische Einschübe von gewisser Überheblichkeit. In visueller Hinsicht lässt das Gebotene kaum Wünsche offen, denn in Bezug auf die Ton- und Effektgestaltung ist es Cameron gelungen, sich selbst zu übertreffen, ganz besonders aufgrund der Verlagerung des Settings vom Urwald in berauschend fotografierte Unterwasserwelten. Allerdings versteht sich ebendiese stilsichere, handwerkliche Raffinesse bei Produktionskosten von rund 400 Millionen (!) US-Dollar ein Stück weit von selbst und trägt im Alleingang nicht dazu bei, dass das Interesse bis zum Schluss aufrechterhalten wird. Man kann nur hoffen, dass in Bezug auf die drei angekündigten Sequels Besserung eintritt, denn nur Effekthascherei dürfte wohl lediglich Hardcore-Fans des Franchise auf Dauer bei der Stange halten.
Die Fabelmans (OT: The Fabelmans)
Neun Mal wurde Steven Spielberg bereits für den Oscar als „Bester Regisseur“ nominiert, zweifach war er bis dato siegreich. Derzeit erlebt eines seiner persönlichsten Werke mit autobiographischer Prägung die Veröffentlichung, in dessen Zentrum ein Junge steht, der sich in den 1950ern aufgrund eines prägenden Kinobesuchs den Lebenstraum entwickelt, eines Tages selbst als Filmemacher Erfolg zu haben. In vielen Belangen ist das Gebotene inszenatorisch nahezu fehlerfrei und bezüglich der Optik reich ausgestattet, dennoch möchte der allerletzte Funke an Magie bisweilen nicht zu 100 Prozent überspringen, was wohl nicht nur der Lauflänge zuschulden ist, sondern auch an einem allgemeinen Hang zur Poliertheit und einem Verzicht an narrativen Brüchen. Kraftvoll ist dagegen jedoch die Anordnung als therapeutisches, nahezu 10 Jahre umfassendes Szenario einer jüdischen Familie, die harmonisch verkörpert wird. Eine überzeugende, charmante Performance offeriert insbesondere Michelle Williams, der mehrere Momente zugestanden worden sind. Leider wird sie aufgrund der Dominanz ihrer mitnominierten Kolleginnen allerdings auch im fünften Anlauf knapp an der Oscarstatuette vorbeischrammen. Während außerdem die beiden Jungdarsteller, die Sam verkörpern, im Gedächtnis bleiben, darf die Nominierung des 87-jährigen Judd Hirsch für einen rund 8-minütigen Auftritt wohl eher als Würdigung seiner Lebensleistung verstanden werden. „The Fabelmans“ erfüllt souverän Erwartungen, geht aber letztlich nicht darüber hinaus und erweist sich daher im Vergleich zu „Belfast“ als schwächer, dennoch funktioniert das Werk insbesondere als Lobgesang auf Familie und die universelle Kraft bewegter Bilder.
She Said
„Denken Sie im Ernst, dass sich das Gesetz auf meine Seite stellt?“ Diese Fragestellung erfüllt einen mit Schauder und wird zum roten Faden einer Produktion, die sich mit dem gravierendsten Missbrauchsskandal innerhalb der Filmindustrie auseinandersetzt und letztlich die „Me-Too“-Bewegung entfachte. Mit ihrer vierten Regieführung beweist Maria Schrader erneut viel Fingerspitzengefühl, bebildert die Ereignisse bis zum Publikwerden des Weinstein-Skandals mithilfe zweier Journalistinnen der „New York Times“. Die konsequente, investigative Aufarbeitung verliert dabei keine Zeit und überzeugt vor allem aufgrund eines hervorragenden Rahmens, in dessen Mitte überaus scharfe Dialoge eingebettet sind, welche vor allem Zweifel an der Traumfabrik Hollywood und am ach so fortschrittlichen, US-amerikanischen Rechtssystem aufkommen lassen. Insbesondere der Zwang zur Unterzeichnung von Verschwiegenheitsverträgen schockiert dabei und lässt erahnen, warum dieses System jahrzehntelang Bestand haben konnte. Neben einer kraftvollen Filmmusik bildet die Darstellerriege ein schwer wegzudiskutierendes Glanzstück. Neben einer facettenreich als Co-Lead agierenden Carey Mulligan, sind es vor allem Samantha Morton und Jennifer Ehle, die in kurzer Screentime für Ausrufezeichen sorgen. Besondere Brisanz erhält das Drama ferner dadurch, dass zwei von den Übergriffen betroffene Personen Teil des Ensembles sind. Warum der Film schlussendlich nur eine Randerscheinung in der Preissaison darstellte, erfüllt daher mit gewisser Fassungslosigkeit, denn „She Said“ führt nicht zuletzt eines der drängenden Probleme der Gesellschaft nachwirkend vor Augen und lässt einen mit Kloß im Hals zurück.
Till – Kampf Um Die Wahrheit (OT: Till)
Ähnlich wie im Falle von #MeToo genießen auch Verfilmungen, die als Mahnmal gegen Unterdrückung und Unmenschlichkeit rassistischer Art fungieren, spätestens seit Aufkommen der „Black Lives Matter“ – Bewegung auf der Leinwand Hochkonjunktur, erhalten jedoch oft nicht die gebührende Anerkennung. Ähnlich wie bereits „Der Butler“ und „Selma“ ist auch „Till“ ein sehr sehenswerter Beitrag über die aufkeimende Bürgerrechtsbewegung und den Kampf einer Frau um Gerechtigkeit und das Andenken ihres einzigen Sohnes, der im Alter von 14 Jahren einem bestialischen, gemeinschaftlich begangenen Mord zum Opfer fiel – und das nur, weil er mit einer weißen Frau flirtete. Dass die von Whoopi Goldberg und James-Bond-Urgestein Barbara Broccoli koproduzierte Geschichte auf wahren Ereignissen aus dem Jahr 1955 beruht, wirkt wiederholt wie ein Schlag in die Magengrube. Zwar verfügt das chronologisch angeordnete Justizdrama im Mittelteil über gewisse Längen, dennoch entschädigt dafür vor allem das Setdesign, das Make-Up und ein absolut bombastischer von Abel Korzeniowski, vor dem man ehrfürchtig den Hut ziehen möchte. Gleiches trifft auch auf Hauptdarstellerin Danielle Deadwyler zu, die eine herzzerreißende Performance voller glaubhaftem Schmerz liefert und die anderen Ensemblemitglieder praktisch an die Wand spielt. Insbesondere die Szene der Identifizierung des eigenen Kindes stellt dabei einen Gänsehaut-Moment dar, der lange nachwirkt. Dass sie bei der Oscar-Jury das Nachsehen gegenüber Ana de Armas hatte, muss daher als Totalversagen auf ganzer Linie bezeichnet werden.