Catch The Killer (OT: To Catch A Killer)
Ein unbeschwerter Jahreswechsel inmitten von Baltimore, Maryland, endet jäh, als sich ein grausames Serienverbrechen ereignet. Binnen kürzester Zeit werden zweieinhalbdutzend Personen scheinbar wahllos, aber mit beängstigender Präzision aus der Ferne in Innenräumen erschossen. Vom Schützen fehlt zunächst jede Spur, bis ein FBI-Agent einer anwesenden Streifenpolizistin mit finsterer Vergangenheit für die Aufarbeitung engagiert. In seinem erst vierten Spielfilm verliert der Argentinier Szifron, der zuvor für „Wild Tales“ eine Oscarnominierung generierte, hinsichtlich des Spannungsaufbaus keine Zeit und beleuchtet einen Kriminalfall, der sich erschreckenderweise in heutigen Tagen jederzeit in ähnlicher Form ereignen könnte und sich gezielt auf Motivsuche begibt. Hervorragend geschnitten und mit einem Soundtrack zum Aufhorchen untermalt, welcher exakt an den signifikanten Stellen eindringt, zeichnet sich das Skript durch Intelligenz, Doppelbödigkeit und psychologisches Interesse an den Charakteren aus und sorgt sowohl für ein hohes Maß an bedrohlicher Atmosphäre als auch für einen kritischen Fokus auf Kriminalbehörden, denen in Bezug auf den steigenden Druck der Öffentlichkeit allzu oft fatale Fehler passieren. Dass die Macher im Wettlauf mit der Zeit stets nur schemenhafte Einblicke auf die Morde gewähren, erweist sich als probates Mittel, sodass ein etwas zu ausgewalzter Schlussakt im Prinzip als einzige Reserve identifiziert werden kann. Shailene Woodley überzeugt in der greifbaren und hochpräsenten Hauptrolle, vor allem in der direkten Interaktion mit Ben Mendelsohn, doch auch die Nebenbesetzung liefert insgesamt starke Leistungen, welche über gewöhnliche Spartenmaßstäbe hinausgehen. Nicht nur Genrefreunde sollten sich die Möglichkeit, „Catch The Killer“ ab seinem offiziellen, deutschlandweiten Kinostart am 24. August 2023 in Augenschein zu nehmen, somit keinesfalls entgehen lassen.
Elemental
Verhältnismäßig selten passiert es, dass eine Nicht-Realverfilmung im Rahmen der renommierten Filmfestspiele an der Côte d’Azur uraufgeführt wird. „Elemental“ stellt die inzwischen 27. spielfilmlange Produktion der Pixar Studios – ironischerweise sowohl Tochterfirma als auch Konkurrent von Disney – dar, das seit seiner Gründung exakt ein Dutzend Oscartrophäen abräumte. Erfreulicherweise basiert das Animationsabenteuer, in dessen Zentrum die vier miteinander in Koexistenz lebenden Elemente der Astrologie stehen, endlich einmal nicht auf einer altbekannten Vorlage, sondern ausschließlich auf einem Originaldrehbuch. Insbesondere deswegen mutet es als bedauerlich an, dass ebendiese Kreativität bis dato speziell an den Kinokassen nicht honoriert wurde, denn die nicht unbeträchtlichen Fertigungskosten wurden jenseits des Atlantiks nach ein paar Wochen nur mit Ach und Krach amortisiert. Das sorgt vor allem für Unverständnis, weil die romantisch angehauchte Geschichte sowohl mit zeitlosen Qualitäten aufwartet als auch mit Szenen voller Relevanz und findigem Wortwitz für alle Altersgruppen, die sich in angenehmer Weise vom Mainstream abheben. Liebevoll, vielfach traditionell und nie überladen animiert und entscheidend von der Arbeit der Synchronsprecher/innen profitierend, vergeht die zweistündige Laufzeit trotz sporadischer Redundanzen wie im Flug. „Elemental“ erweist sich somit als eine überaus positive Überraschung und weiß als warmherziges, kurzweiliges Porträt über den oft nur auf dem Papier bestehenden Gegensatz von Feuer und Wasser zu überzeugen. Speziell von Genrefans sollte er eine Chance erhalten, unabhängig davon, ob der / die Oberservierende dem Element Luft, Feuer, Wasser oder Erde angehören sollte. Prädikat: Wertvoll.
Gran Turismo
2023 scheint das Jahr zu sein, in dem vor allem Materien der Freizeitgestaltung ehemaliger Kinder und Teenager Hochkonjunktur auf der Leinwand genießen, denn neben „Super Mario“ und „Barbie“ wurde nun auch „Gran Turismo“, einer der meistgespielten Motorsport-Konsolenspiele, ein filmisches Ehrenmal gesetzt. Basierend auf wahren Ereignissen, widmet der Südafrikaner Blomkamp seine fünfte Arbeit als Regisseur nicht nur dem 1997 erstveröffentlichten Playstation-Modul, sondern zentriert vor allem den Werdegang des GP3-Rennfahrers Jann Mardenborough, der einst als Hobbygamer begann und durch eine Verlosung in den Rennzirkus geriet. Ähnlich wie schon im Falle von „Le Mans 66“ und „Rush – Alles Für Den Sieg“ ist das handgemachte Zusammenspiel von Kamera, Schnitt und Ton mit regelrechter Perfektion inszeniert wurden und die größtenteils am Hungaroring in Budapest gedrehten Verfolgungsjagden entfalten einen spannenden Sog. Obwohl das Handlungskonstrukt von leichter Vorhersehbarkeit und einer drängenden Figurenentwicklung gekennzeichnet ist, verfügt speziell die Dialogführung über weitaus mehr Anspruch und Realitätsnähe als die sämtlicher „Fast And The Furious“-Teile zusammen und beleuchtet vor allem den Umgang mit Rivalität und das urmenschliche Bedürfnis nach Wertschätzung, aber auch die Mechanismen einer rasanten Sportart. Unter den Akteuren vor der Kamera versteht es neben den lässig agierenden Jungdarstellern David Harbour mit Abstand am besten, mit der souverän verkörperten Rolle des gescheiterten Mentors im Gedächtnis zu bleiben. Im Gegenzug hätte es allerdings nicht geschadet, wenn Orlando Bloom zwei oder drei Gänge runtergeschalten hätte, während der Kurzauftritt von „Ginger Spice“ Geri Halliwell, die ihr Engagement wohl vor allem ihrer Ehe mit Red-Bull-Teamchef Christian Horner verdanken dürfte, sogar zum Totalausfall geriet, die jeder weiteren Beschreibung spottet. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei „Gran Turismo“ summa summarum um eine solide Produktion, die weitestgehend auch eine Klientel ansprechen dürfte, die weder Motorsport noch Videospiele als persönliche Metiers betrachtet.
Hypnotic
Zum Tiefpunkt der beiden Monate avancierte ein Streifen, dessen offizieller Kinostart erst für den 17. August terminiert wurde. Angeraten sei eine Inaugenscheinnahme jedoch nicht beziehungsweise nur schmerzfreien Zeitgenossen. Dass ausgerechnet Robert Rodriquez, der zuvor mit „From Dusk Till Dawn“ und „Sin City“ bereits zwei Geheimtipps für Cineasten schuf, Verantwortung für „Hypnotic“ trägt, erschreckt besonders, denn schon nach wenigen Minuten wird klar: Man wird zum Zeugen einer Katastrophe, in der hinten und vorne absolut nichts zueinander passt. In regelrecht penetranter Weise wird der Versuch unternommen, die Handlungen von „Inception“ und teilweise auch „Matrix“ zu kopieren – auf sämtlichen Ebenen allerdings voller Dilettantismus. Das Gebotene zentriert eine gedankenkontrollierende Geheimorganisation und verkommt zum billig produzierten, pseudo-intellektuellen Quark, das vorhersehbareren, unspannenden Mustern folgt und vor haarsträubenden, grenzdebilen Dialogen und allgemeiner Sinnfreiheit und unfreiwilliger Komik nur so strotzt. Dies war wohl auch den Akteuren vor der Kamera bewusst, denn während Ben Affleck in Gänze lediglich zwei Gesichtsausdrücke offeriert, wirkt seine Co-Schauspielerin Alice Braga, die in „I Am Legend“ immerhin eine respektable Leistung lieferte, lustlos agiert und phasenweise eher wirkt, als wäre sie während des Drehs bereits im Kopf die Einkaufsliste des Folgetags durchgegangen. Die Macher waren letzten Endes zumindest insofern gnädig, dass sie dem Zuschauer „nur“ anderthalb Stunden an deutlich effektiver nutzbarer Lebenszeit stahlen. Anschauen? Nur auf eigene Gefahr!
Kandahar
Nach gleich drei Sneak Previews in unmittelbarer Folge, von denen keine über Substanz und eine längere Halbwertszeit im Gedächtnis verfügte, überraschte insbesondere, dass ausgerechnet ein Actionspektakel mit Gerald Butler zur Beendigung dieser (selbstgewählten) Pechsträhne beitrug. „Angel Has Fallen“-Regisseur Waugh fokussiert in Gestalt von „Kandahar“, benannt nach der drittgrößten Siedlung Afghanistans, ein aktuelles und zündstoffreiches Thema, denn seit der Rückeroberung des Staates durch die Taliban sind noch nicht einmal 24 Monate vergangen. Der Zweistünder skizziert in erster Linie die zunehmende Unübersichtlichkeit auf scheinbar rechtsfreiem Areal in einer globalisierten, jedoch terrorgeprägten und zunehmend profitbedachten Welt, in dem ein CIA-Agent um sein Leben kämpft. Handwerklich mitreißend inszeniert und im Hinblick auf eine souverän miteinander verzahnte Kamera-, Schnitt- und Tongestaltung sogar auf hohem Niveau zu verorten, erweist sich insbesondere die Anzahl an präsentierten Personen mitunter als etwas hinderlich und auch bezüglich der Dialoge gab es wiederkehrend „Luft nach oben“, allerdings wurde dankenswerterweise auf das allzu oft gebotene US-typische, militärische Pathos verzichtet. Während Gerald Butler nach Langem wieder eine Darbietung zeigt, der man interessiert folgt, bildet der Iraner Navid Negahban zweifellos das darstellerische Highlight, welcher als dolmetschender Kompagnon wider Willen eine erinnerungswürdige Performance in einer Rolle mit ungeahntem Identifikationscharakter bietet. In Summe stellt „Kandahar“ sicherlich kein allumfassendes Meisterwerk dar, doch entstanden ist zumindest ein unerwartet stimmiger, spannender Zugewinn für Sympathisanten von politisch angehauchten Zeitgeist-Thrillern.
Last Contact (OT Last Sentinel)
Nach dem gänzlich misslungenen „Hypnotic“ wähnte man sich in Sicherheit und dachte tatsächlich, dass es im Rahmen der mittlerweile zur Tradition gewordenen, montäglichen Vorpremiere nicht schlimmer werden könnte. Doch es konnte – wie ein dystopischer, unter estnischer Regie entstandener Thriller in geradezu unverschämter Weise vor Augen führte. „Last Contact“ war der zelluloidgewordene Beweis für ein absolut schreckliches Kinoerlebnis, das abgesehen von der fünfminütigen Ouvertüre allumfassend an einen Schuss mit einem Betäubungsgewehr erinnerte. Während der Plot mancher Filme immerhin auf einer Karteikarte zusammengefasst werden kann, reicht hier bereits ein abreißbarer Schnipsel an der unteren Ecke eines Wochenplaners, denn es passiert schlicht und ergreifend absolut nichts – ausgedehnt auf annähernd zwei volle Stunden. Die an wenigen Händen abzählbaren Dialoge beschränken sich auf einem infantilen, sinnentleerten „Wir sind gef****!“-Niveau. Worin die Notwendigkeit bestand, das Ganze trotz pappmachéartiger Requisiten auf einer Bohrinsel im Jahr 2063 vonstattengehen zu lassen, in dem nur noch zwei Kontinente existieren, ohne einen Erklärungsansatz dafür zu liefern, wussten wohl nicht einmal die Verantwortlichen selbst. Dem Darsteller-Quartett ist immerhin eines gemein: Sie agieren allesamt ungefähr so blass wie eine Mischung aus ungebackenen Tiefkühlbrötchen und „Berlin – Tag & Nacht“ – Laien und ließen den Low-Budget-Dreh ohne jedweden Anflug von Elan oder Glaubwürdigkeit an sich vorüberziehen, insbesondere Kate Bosworth offerierte wiederholt mimische Regungen mit unfreiwillig komischer Wirkung. Dass man den Saal nicht vorzeitig verließ, grenzt somit retrospektiv betrachtet als Mysterium und war vermutlich in erster Linie dem Umstand geschuldet, sich nicht im Dunkeln an fünfzehn Personen vorbeidrängeln zu wollen. Finger weg von diesem Schund mit treffendem Titel!
Polite Society
Einer der größten sozialen Umbrüche vollzog sich in jüngsten Jahren im Hinblick auf eine spürbare Abkehr der klassischen geschlechterspezifischen Berufswahl. Männer- und Frauendomänen scheinen selbst in traditionelleren Kulturkreisen zunehmend der Vergangenheit anzugehören. Auf ebendiesen Wandel nimmt die aus Pakistan stammende Regisseurin Nida Manzoor in Gestalt ihrer ersten Arbeit in Spielfilmlänge unmittelbaren Bezug und erzählt die Geschichte zweier Schwestern, von denen die jüngere unabdingbar als Stuntfrau durchstarten will. Im Kontrast dazu schlittert die Erstgeborene auf ein klassisches Dasein als Hausfrau und Mutter zu, das sich aber schrittweise als gefährlich entpuppen soll. Eingeteilt in fünf Kapitel, sorgt „Polite Society“ zunächst für etliche Fragezeichen, da das Gebotene in keine Schablone passen möchte und sich erst allmählich vom netten Jugendfilm zur actionreichen, skurrilen Sozialsatire wandelt. Da der Erzählduktus (zu oft) wechselt, sind es eher gelungene Einzelsequenzen mit „In-Your-Face“-Charakter, die das Interesse aufrechterhalten sowie Einzelelemente wie das raffinierte, augenerfreuende Kostümdesign im finalen Viertel sowie die ambitionierten Schauspielleistungen der Newcomer. Im Gegensatz zu diversen, gezeigten Martial-Arts-Angriffen tut der Film als solcher allerdings nicht weh und bietet solide Unterhaltung, auch wenn einen der Eindruck beschleicht, dass Teile des Potentials achtlos liegengelassen wurden und das Skript mit etwas weniger Neofeminismus noch wirkungsvoller gewesen wäre. In Summe schnitt „Polite Society“ bei Kritikern, wohl intentionsbedingt, überraschend gut ab, mutet aber letzten Endes nicht wie eine Explosion an, sondern eher wie ein solides Tischfeuerwerk für zwischendurch.
The Dive
Vor etlichen Jahren setzte Maximilian Erlenwein in Gestalt von „Stereo“ ein spannungsreiches, von Kritikern gelobtes Ausrufezeichen. Bei dem Nachfolger „The Dive“, ebenfalls im Rahmen der Sneak Preview dargeboten mit offiziellem Kinostart im September 2023, handelt es sich um eine deutsch-amerikanische Koproduktion, welche sich lose an dem Film „Breaking Surface“ orientiert, in dem zwei Schwestern bei einem Tauchgang auf einer entlegenen Insel aufgrund eines Felsrutsches in Todesgefahr geraten. Was sich auf dem Papier überaus spannend liest, stellt sich bedauerlicherweise weder als spannend noch als sonderlich originell heraus, denn außer ein paar netten Luft- und Tauchaufnahmen bietet der Thriller erschreckend wenig Veritables oder Logisches. Nur an zwei Stellen spitzt man die Ohren – was insbesondere deswegen überrascht, weil der schwache Soundtrack vom frisch gebackenen Oscargewinner Volker Bertelsmann stammt. Faktischer Genickbruch des Dramas ist, dass die beiden Schwestern namens Drew & Maeve nicht nur die blanke Antipathie auslösen, sondern teilweise so miese Darbietungen zeigen, dass jedweder Involvierungseffekt ausbleibt und es für den Zuschauer zunehmend belanglos wird, ob sie überleben oder nicht. Nach anderthalb Stunden und einer ganzen Reihe an zwischen Dümmlichkeit und Naivität schwankenden Dialogen, ungewollt peinlichen Momenten und geradezu zwanghaft eingepressten Retrospektiven in die Kindheit der Protagonistinnen kann man aufatmen – und zwar nicht aus narrativen Gründen oder wegen eines guten Finalakts, sondern weil man sich schlichtweg über den Augenblick freut, in dem der Abspann beginnt. Leider ist die Produktion – man möge mir das sich aufdrängende Wortspiel verzeihen – ein komplett luftleerer Thriller, der unweigerlich und qualvoll absäuft.
The Knocking (OT: Koputus)
Zur Kompensation des sprichwörtlichen Sommerlochs wird besonders häufig, so scheint es zumindest, auf Produktionen aus dem Gruselgenre zurückgegriffen. Neben „Pearl“ und „Bed Rest“ erlebte im beginnenden Hochsommer auch ein finnischer Independentfilm seine Veröffentlichung und fordert vor allem eines vom Betrachtenden ab: Geduld. Bis die naturalistische Szenerie im typisch skandinavischen Stil rund um drei Geschwister, die ihren Grundbesitz auf einer abgeschiedenen Insel zu verkaufen versuchen und dabei auf ein uraltes Geheimnis stoßen, richtig Fahrt aufnimmt, dauert es bedauerlicherweise viel zu lange, sodass so mancher innerlich bereits abgeschaltet haben dürfte, bevor das durchaus gelungene, finale Drittel mit einer cleveren Wendung als krasser, handwerklich souverän inszenierter Gegensatz endlich voller Spannung und ohne allzu viel Rücksicht hereinbricht. Die unverbrauchten, allesamt über die Landesgrenzen nahezu unbekannten Darsteller machen ihre Sache jedoch weitestgehend anständig, allen voran die beiden weiblichen Protagonisten. Insgesamt handelt es sich daher trotz aller Ambitionen, sich von typischen Horrorcharakteristika abzuheben, um eine letzten Endes durchschnittliche Mischung mehrerer Sparten, welche jedoch zumindest nicht versäumt, dem geflügelten Satz „Mein Freund, der Baum.“ eine ganz neue, perfide Bedeutung zu geben und überdies lehrt, dass es sich gefährlich enden kann, auf Gehölz zu klopfen.