Meine „Ein-Absatz-Kritiken“ (Juni, Juli & August 2015)

0

Ben Hur (OT: Ben-Hur)

1

Bekanntermaßen ist „Ben Hur“ unter inflationsbereinigtem Augenmerk neben „Cleopatra“ die mit großem Vorsprung kostspieligste Produktion der Filmgeschichte, welche unfassbare elf Oscars gewann – eine Marke, die bis heute zwar eingeholt, jedoch nicht übertroffen werden konnte. Dies geschah auch aus heutiger, cineastischer Perspektive nicht aus heiterem Himmel oder weil es in der betreffenden Saison zufällig keine filmische Konkurrenz gegeben hätten, denn Wylers Epos muss in vielen Belangen als monumental und wegweisend angesehen werden. Dass die literaturbasierte Handlung historische Details und Zusammenhänge aus der Lebenszeit Jesu Christi enthält, welche unter die Rubrik der künstlerischen Freiheiten gezählt werden müssen, empfand ich zur Abwechslung einmal nicht als tiefgreifendes Manko, da der grundsätzliche Gesamtkontext in der wohl dynamischsten Epoche der Antike beherzigt worden ist. Allerdings kann ich demgegenüber nicht anders als zu monieren, dass die Verantwortlichen es sich vor allem bezüglich der Antagonie zwischen Christentum und der Römischen Supermacht etwas zu einfach gemacht haben, indem sie vor allem in der zweiten Hälfte auffallend schwarzweißmalerisch, fast schon mit verbissen missionarischen Manier vorgegangen sind, dennoch kamen andererseits auffallend viele der sinnbildlichen Bibelbotschaften zum Ausdruck. Unzählige Sequenzen des Dreieinhalbstünders sind ein regelrechtes Fest für alle Sinne, speziell das populäre Quadrigarennen im Circus Maximus und die Massensets sowie Kulissen wurden mit derart superlativem, visionären Aufwand arrangiert, dass sie auch aus heutiger Perspektive noch konkurrenzfähig erscheinen. Während Charlton Heston, der den Part überraschender Weise erst nach Absagen von Marlon Brando und Paul Newman erhielt, mithilfe von Empathie in Höchstform agierte und seine umfangreichen Rolle abwechslungsreich umsetzte, zeigten Haya Harareet, die einzige israelische Staatsbürgerin des Ensembles, sowie Stephen Boyd in ihren Co-Lead-Rollen durchgängig Ansehnliches, vom für den Part des Scheichs mit dem Oscar ausgezeichneten Hugh Griffith hatte ich mir jedoch schon vorab mehr erwartet. In meinen Augen ist Wylers Klassiker somit zwar nicht auf sämtlichen Ebenen uneingeschränkt brillant, dass ich ihn nun zum Kreis der besten Filmen der Geschichte zählen würde, doch in jedem Fall ist er durch seine inszenatorische Güte ein Muss für alle Liebhaber opulenter Geschichtsporträts, auch wenn er natürlich – analog zu anderen Klassikern – Zeit, Geduld und ein gewisses Maß an Öffnungsbereitschaft erfordert. Demzufolge kann man „Ben Hur“ zu Recht als einen bedeutenden Meilenstein sowie als eindringliches Freiheitssymbol funktionierendes Mammutwerk ansehen, das seine kleinen Unzulänglichkeiten mit seiner exorbitanten Bildgewalt auszugleichen vermag.

USA 1959 – 212 Minuten Regie: William Wyler Genre: Historiendrama / Monumentalfilm Darsteller: Charlton Heston, Haya Harareet, Stephen Boyd, Jack Hawkins, Marta Scott, Cathy O’Donnell, Hugh Griffith, Sam Jaffe, Frank Thring, André Morell
USA 1959 – 212 Minuten
Regie: William Wyler
Genre: Historiendrama / Monumentalfilm
Darsteller: Charlton Heston, Haya Harareet, Stephen Boyd, Jack Hawkins, Marta Scott, Cathy O’Donnell, Hugh Griffith, Sam Jaffe, Frank Thring, André Morell

Du Lebst Noch 105 Minuten (OT: Sorry, Wrong Number)

2

Spätestens nach der erstmaligen Sichtung dieses energetischen, subtil ausgeformten Thrillers der besten Sorte mauserte sich Barbara Stanwyck, die leider mit Ausnahme eines hochverdienten Oscars für ihr fantastisches Lebenswerk von Seiten der Academy bis zu ihrem Tod unausgezeichnet geblieben ist, langsam aber sicher zu einer meiner Lieblingsschauspielerinnen aus der Goldenen Hollywood-Ära, denn sie hatte einfach eine ganz eigene Art des brillanten Schauspiels, das vielfach vergebens nachgeahmt, jedoch nie wirklich erreicht wurde. Doch nicht nur wegen der famosen, hochemotional agierenden Hauptdarstellerin, deren Ängste man in der Rolle des Zuschauers förmlich nachfühlen kann, vermag Litvaks hervorragend dialogisiertes Werk auf engstem Raum, das absolut keiner sichtbaren Horrorelemente bedarf, längerfristig im Gedächtnis zu bleiben. Ähnlich wie „Die Schlangengrube“ wählte der ukrainische Regisseur ein unangenehmes Thema und skizzierte ein psychologisch dichtes, gleicherwohl düsteres Kammerspiel, in dem eine Ehefrau durch eine telefonische Fehlschaltung in ein Mordkomplott gerät. Im Gegensatz zu vielen Kritikern erachte ich sogar den deutschen Titel im Übrigen als ansprechend, da er bereits eine gewisse Anspannung in Gang setzt, bevor man auch nur den Vorspann in Gänze zu Gesicht bekommen hat. Die sich gemächlich aufbauende, allerdings zielstrebig zum Nervenkitzel hinstrebende Dramatik wird mithilfe von ideal platzierten akustischen und visuellen Stilmitteln und der Aufdröselung einer verschlungenen, immer beklemmendere Kreise annehmenden, nichtdestotrotz logischen Intrige erreicht. Einziger kleiner Wermutstropfen bildet aus meiner Sicht der Umstand, dass den übrigen, nicht allumfassend überzeugenden Darstellern in ihren Kleinrollen sehr wenig Raum zur Entfaltung gegeben worden ist, weswegen die Protagonistin das schauspielerische Nonplusultra bleibt. Summa summarum jedoch stellt „Du Lebst Nur Noch 105 Minuten“ nicht nur einen exzellenten Klassiker des „Film Noirs“ dar, sondern darüber hinaus einen selbst im Hochzeitalter der Kommunikationstechnologie fesselnden, straff inszenierten Geheimtipp innerhalb der frühesten Phase des Genres.

USA 1948 - 88 Minuten Regie: Anatole Litvak Genre: Kriminalfilm / Thriller / Film Noir Darsteller: Barbara Stanwyck, Burt Lancaster, Ann Richards, Harold Varmilyea, Wendell Corey, Ed Begley, William Conrad, Leif Erickson, Jimmy Hunt, Dorothy Neumann, John Bromfield
USA 1948 – 88 Minuten
Regie: Anatole Litvak
Genre: Kriminalfilm / Thriller / Film Noir
Darsteller: Barbara Stanwyck, Burt Lancaster, Ann Richards, Harold Varmilyea, Wendell Corey, Ed Begley, William Conrad, Leif Erickson, Jimmy Hunt, Dorothy Neumann, John Bromfield

Flightplan – Ohne Jede Spur (OT: Flightplan)

3

Auffallend viele Filme aus der Thrillersparte spielen sich fernab der Erdoberfläche in einer luftigen Höhe von mehreren tausend Metern ab, so auch „Flightplan“, eine deutsch-amerikanische Koproduktion, die ich vor exakt zehn Jahren erstmals im Kino gesehen habe und in der es das rätselhafte Verschwinden eines kleinen Mädchens an Bord eines Airbus beleuchtet wird. Bedauerlicherweise erhielt der Film seinerzeit von Seiten der Kritikervereinigungen nicht einmal Nominierungen in technischen Kategorien, allerdings zählen speziell die entfesselte, involvierende Kameraführung in dem bedrückend engem Raum der Flugkabine und die solide, wechselhafte Schnittarbeit zum Besten, was die betreffende Saison hervorgebracht hat. Fortwährend düster, mysteriös und unter Verwendung von Rückblenden inszeniert, steigert sich die anfängliche psychodramatische Studie abrupt zu einem fesselnden, fragenaufwerfenden Erlebnis, in dem auch verschiedene seelenkundliche und sozialkritische Komponenten wie beispielsweise die pauschalisierende Vorverurteilung von arabischen Flugzeugpassieren seit dem 11. September 2001 Ausdruck finden konnten. Unglücklicherweise ist das Drehbuch retrospektiv betrachtet bisweilen etwas holprig und aufgrund von Logiklöchern einen Hauch zu unrealistisch ausgeformt worden, um von einem erstklassigen Thriller à la „Black Swan“ zu sprechen, dennoch hat man es geschafft, die subtile, von den Klängen James Horners unterstützte Spannung bis zum Schluss zu halten. Fans von guten Akteuren dürften ebenfalls auf ihre Kosten kommen, was nicht nur der Hauptdarstellerin zuschulden ist, sondern vielmehr daran liegt, dass das Ensemble rund um Sarsgaard, Bean und Christensen durchgängig als Einheit agiert. Ähnlich wie in „Die Fremde In Dir“ liefert Jodie Foster eine glaubwürdige, bewegte Darbietung, die stets zwischen Beharrlichkeit und intensiver Emotionalität aufgrund der rasenden Sorge um ihre vermisste Filmtochter schwankt. Trotz kleiner Schwächen ist es dem von mir ansonsten nicht allzu geschätzten Regisseur Schwentke folglich gelungen, den wichtigsten Zweck eines actionreichen Streifens zu erfüllen, und zwar den Pulsschlag mehrfach in die Höhe zu treiben und am Schicksal der Protagonisten Anteil nehmen zu wollen.

USA / D 2005 - 94 Minuten Regie: Robert Schwentke Genre: Thriller / Psychodrama Darsteller: Jodie Foster, Peter Sarsgaard, Sean Bean, Marlene Lawston, Kate Beahan, Erika Christensen, Assaf Cohen, Matt Bomer, Stephanie Faracy, Greta Scacchi, Christian Berkel
USA / D 2005 – 94 Minuten
Regie: Robert Schwentke
Genre: Thriller / Psychodrama
Darsteller: Jodie Foster, Peter Sarsgaard, Sean Bean, Marlene Lawston, Kate Beahan, Erika Christensen, Assaf Cohen, Matt Bomer, Stephanie Faracy, Greta Scacchi, Christian Berkel

Glaubensfrage (OT: Doubt)

4

Dass die Filmsaison 2008/2009 von meiner Warte aus zu den mit Abstand besten dieses Jahrhunderts zählte, dürfte ich bereits mehrfach verdeutlicht haben, denn innerhalb weniger Wochen erschien neben den fantastischen Spielfilmen „Der Fremde Sohn“, „Zeiten Des Aufruhrs“, „Der Vorleser“ und „Der Seltsame Fall Des Benjamin Button“ noch ein weiteres und dank seiner Botschaft breit interpretierbares und zutiefst zum Nachdenken anregendes Werk, das nur äußerst knapp an der ganzheitlichen Perfektion vorbeischlittert. Im Mittelpunkt von „Glaubensfrage“ steht mit der mutmaßlichen Übertretung des Keuschheitsgelübdes in Relation zu einem Schutzbefohlenen ein überaus heikles Sujet und eine quälend offene Frage, deren Beantwortung allein dem jeweiligen Zuschauer obliegt. Zwar merkt man Shanleys von messerscharfen Dialogen lebenden, ansonsten reduziert und geradlinig inszenierter Adaption seine ursprünglich bühnengerechte Herkunft wiederkehrend an, allerdings in derart minimaler Form, dass auch „Asympathisanten“ von Theaterstücken auf ihre Kosten kommen dürften, denn auch der Zusammenprall von katholischer Tradition und notwendiger Modernisierung wurde in Gestalt der beiden zu Kontrahenten avancierenden Kirchendienern reflektierend geschildert und das Ordens- und Schulleben so ehrlich und realitätsnah wie selten zuvor bebildert. In Bezug auf die konsequent auf Augenhöhe agierende Riege aus vier sensationellen Akteuren kann ich nur von einem der stärksten Darstellerfilme der vergangenen Jahre sprechen, in dem Viola Davis und Philipp Seymour für mein Befinden sogar ihre jeweiligen Karrierebestleistungen erbringen konnten. Sofern ich darüber hinaus meine Lieblingsperformance von Meryl Streep aus der vergangenen Dekade nennen müsste, würde meine Wahl auf ihren meisterhaften Part als engstirnige, pflichtbewusste Nonne fallen, nichtdestotrotz hat mich Amy Adams in dieser verschüchterten, in sich zerrissenen Rolle am meisten überrascht. (Und ja, lieber Patrick, es hat sich inzwischen herumgesprochen, dass du einzig und allein Davis brillant fandest!) „Glaubenfrage“, ein bis zum Schluss fesselndes, nicht eine Minute zu ausgedehntes, subtil-verbales Schauspielduell der Extraklasse, erscheint nicht zuletzt im Lichte eines eindringlichen, über den Abspann hinaushallenden Mahnrufs, nie allzu leichtfertig Urteile über seine Mitmenschen zu treffen und den Zweifel als Rechtfertigung unserer Existenz anzuerkennen. Denn wie schrieb schon Sokrates sinngemäß: „Ein ungeprüftes Leben ist nicht lebenswert.“

USA 2008 - 104 Minuten Regie: John Patrick Shanley Genre: Drama / Historienfilm Darsteller: Meryl Streep, Philip Seymour Hoffman, Amy Adams, Viola Davis, Joseph Foster, Alice Drummond, Paulie Litt, Audrie J. Neenan, Susan Blommaert
USA 2008 – 104 Minuten
Regie: John Patrick Shanley
Genre: Drama / Historienfilm
Darsteller: Meryl Streep, Philip Seymour Hoffman, Amy Adams, Viola Davis, Joseph Foster, Alice Drummond, Paulie Litt, Audrie J. Neenan, Susan Blommaert

Härte

5

Eine Produktion unter der Hauptverantwortung des Mannes, der seinerzeit Hape Kerkeling einem unfreiwilligen, öffentlichen Outing unterzog, ist grundsätzlich ein auf Provokation ausgelegtes und kompromissloses Unterfangen, selbst oder gerade dann, wenn darin – wie im Falle von „Härte“ – die ungeschminkte Geschichte einer realen Person porträtiert wird. In dem adäquat betitelten Werk, das konsequent zwischen Bühnenstück und Dokumentation hin- und herpendelt, steht Andreas Marquardt im Zentrum, der in seiner Kindheit in häuslicher Umgebung missbraucht wurde, dann zum Spitzensportler avancierte, um anschließend im Sumpf der Zuhälterei zu versinken. Infolge des frontalen Erzählduktus‘, erscheint die Großstadt-Thematik gleichermaßen unangenehm wie essentiell, weil sie sich durchaus als Appell gegen individuelle Wehrlosigkeit verstehen lässt. Dass die kammerspielartige, klaustrophobische und gewinnbringender Weise in Schwarzweiß gefilmte Inszenierung insbesondere im Hinblick auf die Kameraführung und die schlichte Ausstattung recht amateurhaft anmutet, war sicherlich vom Regisseur genau so beabsichtigt, dürfte aber anfangs merkwürdig wirken und daher nicht jedermanns Sache sein. Nichtsdestotrotz hilft gerade dieses Momentum, dass das anfangs entfernte Innenleben der Charaktere nach und nach derart verdichtet und eindringlich auf den Zuschauer einwirkt. So ist es vor allem Katy Karrenbauer, welche die überwiegende Mehrheit wohl ausschließlich mit der Fernsehrolle als Knastlesbe Walter in „Hinter Gittern“ assoziieren dürfte, obwohl sie sich seit Längerem als hervorragende, wenngleich durch ihren markanten Phänotyp recht spezielle Theaterdarstellerin etabliert hat, die hierin eine erschreckend echte und brillante Performance gezeigt hat. Diese ist auf Augenhöhe zum Hauptdarsteller Hanno Koffler, der nach „Freier Fall“ schon zum zweiten Mal in kurzer Zeit Großes leistete, anzusiedeln und wurde meines Erachtens im Zuge des „Deutschen Filmpreises“ zu Unrecht übergangen. Sofern die diesjährige Entscheidung unseres Heimatlandes für den Oscarbeitrag als „Bester Fremdsprachiger Film“ tatsächlich auf „Härte“ fallen sollte, würde ich vermutlich aufgrund des Mutes zu dieser Entscheidung applaudieren, aber leider glaube ich wegen der Erfahrung der letzten Jahre nicht so recht daran, was aber nichts daran ändert, dass das Porträt das Gedächtnis lange nicht verlassen will.

D 2015 - 89 Minuten Regie: Rosa von Praunheim Genre: Biographie / Dokumentation / Drama Darsteller: Hanno Koffler, Andreas Marquardt, Luise Heyer, Katy Karrenbauer, Marion Erdmann, Rüdiger Götze, Ilse Amberger Bendin
D 2015 – 89 Minuten
Regie: Rosa von Praunheim
Genre: Biographie / Dokumentation / Drama
Darsteller: Hanno Koffler, Andreas Marquardt, Luise Heyer, Katy Karrenbauer, Marion Erdmann, Rüdiger Götze, Ilse Amberger Bendin

In 80 Tagen Um Die Welt (OT: Around The World In 80 Days)

6

In Jules Vernes mit Abstand bekanntester, literarischer Veröffentlichung von 1873, die zu den meistgelesenen Romanen aller Zeiten zählt, wird mit einer Weltumrundung entlang des Äquators wohl einer der größten Menschheitsträume thematisiert. Insgesamt fünffach wurde das Buch bis dato verfilmt, wovon die mit fünf Oscarstatuetten ausgezeichnete Adaption von 1956 mit David Niven wohl die bekannteste sein dürfte, doch ein weiteres Mal stellt eine im amerikanischen Fernsehen uraufgeführte Miniserie die für mein Befinden beste Version eines Literaturklassikers dar. Abgesehen von deutlich stärker herausgearbeiteten, humoristischen Tendenzen unterscheidet sich die vierstündige Produktion erfreulicher Weise wenig von der wunderbaren und zeitlos faszinierenden Vorlage und enthält eine ausgewogene Mischung aus Abenteuersafari, zarter Romanze, spannenden Momenten und Herz. Darüber hinaus hat man mit der plausiblen Einflechtung von realen Persönlichkeiten wie Louis Pasteur, Jesse James, Sarah Bernhardt und der chinesischen Kaisermutter Cixi, die im Roman ebenfalls nicht vorkommen, interessante, geschichtliche Komponenten in logischer Form hinzugefügt. In inszenatorischer Hinsicht lässt die Miniserie ebenfalls kaum Wünsche offen, betört durch mannigfache, zeittypische Szenenbilder, Drehorte, Kostüme und Frisuren sowie eingängige Kompositionen und wurde daher zu Recht für drei Emmys vorgeschlagen. Bereits sechs Jahre bevor er sich erstmals in den Dienst Seiner Majestät begab, konnte Pierce Brosnan in der Rolle des minutiös peniblen, versnobten Briten mit Authentizität voll und ganz punkten, während insbesondere der gut aufgelegte Peter Ustinov als verbissener Detektiv Fix jede einzelne Szene förmlich an sich riss und nach vielen Agatha-Christie-Verfilmungen erneut unter Beweis stellte, warum man ihn als Charakterdarsteller eigentlich nur schätzen kann. Des Weiteren sorgen natürlich auch das Allround-Talent Eric Idle, Lee Remick als männerverschlingende Französin und Christopher Lee für ein hohes Maß an darstellerischer Klasse. „In 80 Tagen Um Die Welt“ zählt für mich zu den besten und „rundesten“ TV-Produktionen des Jahrzehnts und bietet auch bei wiederholter Sichtung abwechslungsreiche, lehrhafte Unterhaltung für die ganze Familie.

USA / IT / D / YU 1989 - 266 Minuten Regie: Buzz Kulik Genre: Abenteuer / Literaturverfilmung Darsteller: Pierce Brosnan, Eric Idle, Julia Nickson, Peter Ustinov, Jack Klugman, Robert Morley, Roddy McDowall, Lee Remick, John Hillerman, Christopher Lee, Anna Massey, Hugo De Vernier, Lily Leung
USA / IT / D / YU 1989 – 266 Minuten
Regie: Buzz Kulik
Genre: Abenteuer / Literaturverfilmung
Darsteller: Pierce Brosnan, Eric Idle, Julia Nickson, Peter Ustinov, Jack Klugman, Robert Morley, Roddy McDowall, Lee Remick, John Hillerman, Christopher Lee, Anna Massey, Hugo De Vernier, Lily Leung

Mäusejagd (OT: Mousehunt)

7

Gore Verbinski dürfte sich in allererster Linie für die Inszenierung der ersten drei „Fluch Der Karibik“-Episoden einen internationalen Ruf als Kassenmagnet erarbeitet haben, doch die ein Jahrzehnt ältere Slapstick-Komödie „Mäusejagd“ führt einem vor Augen, dass sein Spektrum darüber hinaus reicht, sich gegenseitig bombardierende Piratenschiffe über den Ozean gleiten zu lassen. Wenngleich ich diesen überaus effektvollen Film bei der Erstsichtung im Grundschulalter als noch besser empfunden habe, kann er allerdings auch nach fast zwei Dekaden als buchstäbliches Gagfeuerwerk charakterisiert werden, das sich bestens für einen gemütlichen Abend eignet. Zugegebenermaßen muten manche der überdrehten Momente auf den Spuren einer Maus, die ihr uraltes Herrenhaus mit Verbissenheit verteidigt, eine ganze Dosis zu aberwitzig und überladen an, im selben Atemzug enthält das temporeiche Handlungsgefüge aber mindestens genauso viel Charme, Situationskomik und (Selbst-)Ironie. Alan Silvestris wieder einmal fantastischer Musikgestaltung, der man seine Urheberschaft unmissverständlich anhört, gefiel mir neben den mitreißenden Animationen ebenfalls außerordentlich gut. Humoristisches Herzstück des Ganzen bildet aber zweifelsohne die geradezu sprühende Chemie zwischen dem durch und durch spielfreudigen Duo Nathan Lane und Lee Evans als grundverschiedenes Brüderpaar, dem es aus der Perspektive des Publikums nur sporadisch an Identifikationsflächen fehlt und auch Vicki Lewis und Christopher Walken sorgen für zusätzliche Lacher. Sicherlich mag diese Illustration einer uralten Feindschaft nicht perfekt sein, doch letzten Endes hinterlässt sie einen äußerst kurzweiligen, amüsanten Gesamteindruck und hat das Herz im Gegensatz zu vielen anderen Klamaukfilmen am rechten Fleck.

USA 1997 - 93 Minuten Regie: Gore Verbinski Genre: Komödie Darsteller: Nathan Lane, Lee Evans, Vicki Lewis, Maury Chaykin, Eric Christmas, Michael Jeter, Debra Christofferson, Camilla Søeberg, Christopher Walken, William Hickey
USA 1997 – 93 Minuten
Regie: Gore Verbinski
Genre: Komödie
Darsteller: Nathan Lane, Lee Evans, Vicki Lewis, Maury Chaykin, Eric Christmas, Michael Jeter, Debra Christofferson, Camilla Søeberg, Christopher Walken, William Hickey

Miss Bodyguard (OT: Hot Pursuit)

8

Um ganz aufrichtig zu sein, resultierte die Sichtung dieses, von Reese Witherspoon koproduzierten Streifens eher aus Langeweile als aus Überzeugungskraft hinsichtlich der Qualität innerhalb eines aktuell kaum überschaubaren Pools an Kinokomödien. Doch selbst geringe Erwartungen bewahrten „Miss Bodyguard“ nicht davor, sich als das Schlechteste zu entpuppen, das ich in diesem Kalenderjahr zu ertragen hatte und ich fragte mich im Minutentakt, ob dieser Art des stumpfen Humors tatsächlich mittlerweile massenkompatibel geworden ist. Ohne Anflug von Kreativität oder gar einer einzigen, neuen Idee steuert das simpel gestrickte Konstrukt, das man schwerlich als Drehbuch bezeichnen kann, auf ein absolut vorhersehbares Ende zu und vereint nichts anderes als hirnrissige Dialoge und spasmischen Banalismus, der so verkrampft lustig und temporeich sein möchte, dass es einem körperliche Schmerzen bereitet. Ich für meinen Teil war den Verzweiflungstränen mehrfach näher als irgendeiner anderen mimischen Regung und empfand speziell von dem Umstand, dass eine Frau für dieses unüberlegte Machwerk verantwortlich war, entsetzlich. Die beiden, immerhin jeweils vierfach für den Golden-Globe nominierten Protagonistinnen bieten in ihren fürchterlich stereotypen Rollen parallel zu sämtlichen der hölzernen, gelangweilten Nebendarstellern ebenfalls katastrophale Darbietungen, förderten nicht in einer einzigen Szene die notwendige, schauspielerische Wellenlänge zutage, und sind letztlich alles, aber bei aller Objektivität nicht witzig. Bereits in „Wild“ war ich – im Kontrast zu vielen anderen – nicht derart überzeugt von Witherspoons Glaubwürdigkeit und Bandbreite, dass ich ihr im Gegensatz zu Swank, Chastain oder Adams eine Oscarnominierung zugesprochen hätte, doch was sie nachfolgend liefert, liegt selbstredend mehrere Lichtjahre darunter und spottet jedweder Beschreibung. Und auch Vergara müsste im Falle einer vorhandenen, realistischen Selbsteinschätzung ebenfalls Schamgefühle empfinden. Demzufolge dürfte sich dieser genau so flache und unnötige Streifen schon jetzt berechtigte Hoffnungen auf mehrere „Goldene Himbeeren“ machen, weswegen es mich fast mit einer gewissen Genugtuung erfüllt, dass „Miss Bodyguard“ mit Ach und Krach seine Fertigungskosten einspielen konnte und somit allem Anschein beim Bevölkerungsquerschnitt auch durchfiel.

USA 2015 - 87 Minuten Regie: Anne Fletcher Genre: Komödie / Action Darsteller: Reese Witherspoon, Sofía Vergara, Jim Gaffigan, Robert Kazinsky, Joaquín Cosio, Vincent Laresca, Michael Mosley, John Carroll Lynch, Matthew Del Negro
USA 2015 – 87 Minuten
Regie: Anne Fletcher
Genre: Komödie / Action
Darsteller: Reese Witherspoon, Sofía Vergara, Jim Gaffigan, Robert Kazinsky, Joaquín Cosio, Vincent Laresca, Michael Mosley, John Carroll Lynch, Matthew Del Negro

My Big Fat Greek Wedding – Hochzeit Auf Griechisch (OT: My Big Fat Greek Wedding)

9

Inspiriert durch eine wenige Wochen zurückliegende, lang ersehnte Griechenland-Reise nach Athen, Attika und auf die Halbinsel Peloponnes möchte nun auch endlich ich ein paar Worte zu einer meiner liebsten und wohl warmherzigsten Komödien des neuen Jahrtausends verlieren, die sich einen Kulturschock insofern gewinnbringend zunutze macht, als dass man mit vielen Klischees eines stolzen Volkes mit langer Tradition spielt, das in Europa unglücklicherweise momentan nicht gerade den größten Beliebtheitsgrad genießt. Dabei hat man es jedoch vermieden, den Griechen pauschalisierend zu begegnen oder ihre kennzeichnenden Sitten der Lächerlichkeit preiszugeben und sich stattdessen auf eine wunderschöne, sich durch kulturelle Eigenarten schwierig gestaltende, amouröse Story zu konzentrieren, die darüber hinaus bestmöglich unterhält und regelrechte Lachflashs auslöst. Den sprühenden, zu keinem Zeitpunkt überladenen Gags und interkulturellen Interaktionen geht dank der feinsinnigen, substantiellen Wortwechsel und durchweg spielfreudigen Schauspieler – allen voran sind in diesem Zusammenhang Lainie Kazan, Michael Constantine und Andrea Martin zu nennen, erfreulicherweise bis zum Schluss nicht die Puste aus und im Zuge des rührenden Happy-Ends muss man sich auch als Mann einiger Freudentränen keinesfalls schämen. Die hochverdiente, von Seiten der Academy vergebene Nennung für das hervorragende, nuancierte und von der charmanten Hauptdarstellerin verfassten Drehbuchs hat mich damals sehr gefreut, war aber im Prinzip auch das Mindeste, denn ich hätte darüber hinaus zumindest Michael Constantine äußerst gern auf der Nominierungsliste gesehen. Auch nach dem zehnten Mal ist und bleibt „My Big Fat Greek Wedding“ ein Wohlfühlfilm mit Syrtaki-Klängen und jeder Menge Ouzo, der sich aufgrund der enthaltenen Lebensrelevanz und Mehrschichtigkeit sowie dem niveauvollen Humor wohltuend von den meisten anderen romantischen Komödien abhebt. Was will man mehr?

USA / CA 2002 - 95 Minuten Regie: Joel Zwick Genre: Familienkomödie Darsteller: Nia Vardalos, John Corbett, Lainie Kazan, Michael Constantine, Andrea Martin, Louis Mandylor, Gia Carides, Joey Fatone, Ian Gomez, Bruce Gray, Fiona Reid
USA / CA 2002 – 95 Minuten
Regie: Joel Zwick
Genre: Familienkomödie
Darsteller: Nia Vardalos, John Corbett, Lainie Kazan, Michael Constantine, Andrea Martin, Louis Mandylor, Gia Carides, Joey Fatone, Ian Gomez, Bruce Gray, Fiona Reid

Nine

10

Innerhalb unseres illustren Forums wird speziell diese Produktion, jedoch auch Rob Marshalls Wirken auf dem Regiestuhl recht ambivalent beurteilt. Ich hingegen schwimme mal wieder aus puren Überzeugungsgründen gegen den Strom, indem ich die autobiographische Musicaladaption „Nine“ für deutlich besser als halte als vielfach behauptet wird. Zugegebenermaßen hätte die grundlegend schlichte Storyline um den in einer schweren Mittlebenskrise steckenden Filmschaffenden Guido, dessen Leben und Leiden von sieben glamourösen Damen beeinflusst wird, durchaus einen Hauch mehr Würze und Substanz vertragen können, doch ein ausbaufähigeres Drehbuch allein rechtfertigt in der Tat keinen Verriss. Die Vorzüge des Sozial- und Religionskritik enthaltenden Musicals liegen einerseits in einer nahe an der Perfektion anzusiedelnden Atmosphäre, andererseits an dem Starensemble. Während Dench und Loren den Hauptdarsteller Day-Lewis, seiner depressiven Rolle entsprechend, mit ihren souveränen Fertigkeiten an die Wand spielten und mich besonders die Frontfrau der „Black Eyed Peas“ positiv überraschte, bildete Marion Cotillard das schauspielerische Highlight und ich hätte mir damals gewünscht, dass sie anstelle der lasziven Penélope Cruz eine Oscarnominierung für diese gleichermaßen fragile wie selbstbewusste Darbietung erhalten hätte. All jenen, die meinen, „Nine“ würde überdies keine mitreißenden Songs enthalten, möchte ich hiermit ebenfalls entschieden widersprechen, da „Be Italian“, „Cinema Italiano“, „Unusual Way“ und ganz besonders „Take It All“ hervorragend interpretierte, äußerst vielschichtige und für Amüsement wie Emotionalität sorgende Musiktitel darstellen, welche das italienische Flair der 1960er exzellent hörbar werden ließen. Des Weiteren wurde die optische Ebene völlig zu Recht mit etlichen Preisen bedacht, denn die aufwendigen, stets Theatercharakter verströmenden Kulissen und sichtlich hochwertigen Kostüme dominieren die Atmosphäre in ähnlicher Weise wie beispielsweise der geschickt eingesetzte Wechsel von knalligen Farben zu Sepiatönen, welche die Vergangenheit symbolisieren. Obwohl „Nine“ das Publikum vielleicht nicht derart mitreißen dürfte wie etwa „Moulin Rouge“, finde ich Ersteren sogar überzeugender und unterhaltender als Marshalls dreizehnfach oscarnominiertes, überbewertetes Vorgängerwerk „Chicago“.

USA / IT 2009 - 118 Minuten Regie: Rob Marshall Genre: Musical / Liebesdrama Darsteller: Daniel Day-Lewis, Marion Cotillard, Penélope Cruz, Judi Dench, Stacy "Fergie" Ferguson, Kate Hudson, Nicole Kidman, Sophia Loren, Ricky Tognazzi, Giuseppe Spitaleri
USA / IT 2009 – 118 Minuten
Regie: Rob Marshall
Genre: Musical / Liebesdrama
Darsteller: Daniel Day-Lewis, Marion Cotillard, Penélope Cruz, Judi Dench, Stacy „Fergie“ Ferguson, Kate Hudson, Nicole Kidman, Sophia Loren, Ricky Tognazzi, Giuseppe Spitaleri

Original Sin

11

Schon im Zuge des von mir verfassten Artikels über Erotik auf der Leinwand wollte ich auch „Original Sin“ rezensieren, doch, um über ihn adäquat beurteilen zu können, musste ich ihn nach einer halben Ewigkeit zuerst noch einmal in Gänze sehen. Um es vorwegzunahmen, ist der fast fünfzehn Jahre alte, größtenteils in Frankreich produzierte Film natürlich kein Meisterwerk des erotischen Kinos, dennoch ist die Verfilmung aus meiner Sicht andererseits auch nicht vollständig misslungen. Einem im „Filmdienst“ veröffentlichten Kommentar möchte ich mich deshalb kurzerhand anschließen, denn darin wird treffender Weise geurteilt, es handele sich um ein „…verschwenderisch ausgestattetes Liebes- und Kriminaldrama, das die zugrunde liegende Fabel über die zerstörerische wie heilende Kraft der Liebe zugunsten einer schwülstigen Liebesgeschichte verwässert und sich in kunstgewerblichem Ambiente sowie dekorativer Erotik erschöpft.“ An diese Einschätzung anknüpfend, gefiel auch mir sowohl die Grundintention und die sinnliche Atmosphäre inmitten von Kuba als auch die kraftvoll und ästhetisch ausgeleuchteten Bilder im Einklang mit der träumerischen Filmmusik. Im Gegensatz dazu bildet der Inhalt jedoch den entscheidenden Knackpunkt, an dem sich die Mehrheit zu Recht gestört haben dürfte. Ohne eine Vielzahl an deutlich zu absurden Drehbucheinfällen und Dialogen gegen Ende des Zweistünders, die – verglichen mit der literarischen Basis – allesamt sinnarme Erweiterungen darstellen, wäre aus Cristofers dritter Regierführung vielleicht sogar ein überaus ansehnlicher Genrevertreter geworden. Dass Angelina Jolie für die „Goldene Himbeere“ nominiert wurde, erachte ich hingegen nach wie vor nicht als notwendige „Honorierung“, denn sie passte nicht nur optisch recht gut in die Rolle der verführerischen Femme Fatale und hat in ihrer Karriere überdies schon deutlich Schlimmeres fabriziert, während es Antonio Banderas jedoch in der Tat – wie so oft – an Präsenz mangelte. „Original Sin“ muss folglich einige Klassen schlechter als beispielsweise „Basic Instinct“ eingeordnet werden, dafür jedoch aufgrund unverkennbarer Vorzüge auch Lichtjahre gelungener als andere Genrevertreter im Stil von „Striptease“ oder „Showgirls“. Daher erscheint mir die punktuelle Mitte als gerechtfertigt.

F / USA / UK / CH 2001 - 112 Minuten Regie: Michael Cristofer Genre: Erotikthriller / Drama Darsteller: Antonio Banderas, Angelina Jolie, Thomas Jane, Jack Thompson, Gregory Itzin, Allison Mackie, Joan Pringle, Cordelia Richards: Emily Russell
F / USA / UK / CH 2001 – 112 Minuten
Regie: Michael Cristofer
Genre: Erotikthriller / Drama
Darsteller: Antonio Banderas, Angelina Jolie, Thomas Jane, Jack Thompson, Gregory Itzin, Allison Mackie, Joan Pringle, Cordelia Richards: Emily Russell

OZ – Eine Phantastische Welt (OT: Return To OZ)

12

Fast ein Jahrzehnt hat es gedauert, bis ich endlich diesen lediglich limitiert veröffentlichten Klassiker aus meiner Kindheit auf DVD erhalten konnte. Freilich dürfte ebendieser lange nicht den Bekanntheitsgrad besitzen wie das auf demselben literarischen Material basierende, 45 Jahre ältere Musical mit Judy Garland in der Hauptrolle, doch es erscheint bedauerlich, dass die Masse wohl nur mit dem Inhalt des Auftaktromans von Frank L. Baum vertraut ist, nicht aber mit den zahlreichen Abenteuern infolge von Dorothys Rückkehr ins sagenumwobene Land OZ. Mit der Verfilmung von 1939 hat Murchs kostenintensive Produktion kaum etwas gemein, dennoch ist der Unterhaltungsfaktor ähnlich hoch, während auch die Gesellschaftssituation im Amerika des 19. Jahrhunderts nicht zu kurz kommt. Die visuellen Effekte mögen dreißig Jahre nach der Uraufführung ein bisschen altbacken wirken, besaßen seinerzeit aber einen derartigen Pioniercharakter, dass die Academy sie zu Recht für eine Trophäe vorschlug, gleichermaßen zeichnet sich die Verfilmung durch ein hohes Maß an Liebe für Details und Ästhetik sowie zauberhafte, teils skurrile Charaktere, die einem inmitten der temporeichen Handlung rasch ans Herz wachsen, aus. Neben einer niedlichen Darstellung der erst neunjährigen bereicherten vor allem Nicol Williamson in der Rolle des Zwergenkönigs, Jean Marsh als angsteinflößende Momby sowie Oscarpreisträgerin Piper Laurie die Schauspielerriege mit ihrem souveränen Können. Obschon der angenehm gruselige Fantasyfilm für die jüngsten Zuschauer selbstredend eine Spur zu düster geriet, möchte ich dennoch von einem gelungenen Beispiel anspruchsvoller Märchenunterhaltung sprechen, welche primär die wunderbare und lebensnahe Botschaft kolportiert, dass eine rege Fantasie mit Sicherheit keine Form der Geisteskrankheit darstellt, sondern schlicht und ergreifend den essentiellen Ausdruck einer glücklichen, unbeschwerten Kindheit.

USA 1985 - 113 Minuten Regie: Walter Murch Genre: Fantasy / Abenteuer / Märchen Darsteller: Fairuza Balk, Nicol Williamson, Jean Marsh, Piper Laurie, Matt Clark, Michael Sundin, Mak Wilson, Stewart Larange, Stephen Norrington, Pons Maar, Emma Ridley
USA 1985 – 113 Minuten
Regie: Walter Murch
Genre: Fantasy / Abenteuer / Märchen
Darsteller: Fairuza Balk, Nicol Williamson, Jean Marsh, Piper Laurie, Matt Clark, Michael Sundin, Mak Wilson, Stewart Larange, Stephen Norrington, Pons Maar, Emma Ridley

So Wie Wir Waren (OT: The Way We Were)

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Bis ich kürzlich eine „Sex-And-The-City“-Folge sah, in der die New Yorker Frauenclique davon schwärmte, wie fabelhaft und romantisch der Film „So Wie Wir Waren“ sei, war er mir lustiger Weise gänzlich unbekannt, und das, obwohl mit Sydney Pollack einer meiner favorisierten Regisseure am Werk war. Abgesehen von mehr oder weniger souveränen Darstellungen, dem Fehlen kitschiger Elemente, einer Handvoll sensibel inszenierter Liebesszenen und der hörenswerten, akustischen Untermalung fühlte ich mich angesichts der Story um ein Liebespaar, das aufgrund persönlicher Einstellungen weder miteinander noch ohne einander zu leben imstande ist, jedoch lange nicht so euphorisch wie Carrie, Miranda und Charlotte. Die vermehrt, vorfindbaren, politisch motivierten Zensuren gereichten dem komplizierten Erzählfluss nicht zum Vorteil, obwohl gerade die mit der Beziehung von Hubbell und Katie stets in Verbindung stehende, soziale Sphäre an sich den interessantesten Gesichtspunkt bildete, schließlich trägt sie dazu bei, die individuellen Ideale der Figuren näher zu hinterfragen. Dennoch bleibt die psychologische Skizze exakt an dieser Stelle stehen und verschenkt dadurch und auf Kosten zahlreicher, langatmiger Zeitsprünge viel von ihrem vorhandenen Potential. Gleiches trifft auf das von Redford und Streisand verkörperte Paar zu, denn während Streisand zwar durchaus eine sympathische Performance mit mehrere Facetten kreierte, hatte Redford seiner Drehpartnerin leider kaum etwas entgegenzusetzen, was für einen Liebesfilm aber essentiell gewesen wäre und auch die übrigen Ensemblemitglieder rissen mich nicht vom Hocker. Obwohl die Qualität der zauberhaften, von Marvin Hamlisch komponierten Klänge und des völlig zu Recht preisgekrönten, gleichnamigen Titelsongs keinesfalls zur Disposition stehen, hat die Romanze meinen persönlichen Filmnerv letzten Endes aus den genannten Gründen nicht getroffen und sechs Oscarnominierungen empfinde ich deswegen als ein wenig zu viel des Guten. Einige sehenswerte Einzelsequenzen und substantielle Wortwechsel reichten infolgedessen nicht für die Erfüllung hochgesteckter Erwartungen. Vielleicht hatte ich mir angesichts vieler guter Kritiken einfach weitaus mehr versprochen, wenigstens jedoch berührt zu werden, was leider nur in Ansätzen der Fall war.

USA 1973 - 118 Minuten Regie: Sydney Pollack Genre: Romanze / Drama Darsteller: Barbra Streisand, Robert Redford, Bradford Dillman, Lois Chiles, Patrick O’Neal, Viveca Lindfors, Sally Kirkland, James Woods, Susan Blakely
USA 1973 – 118 Minuten
Regie: Sydney Pollack
Genre: Romanze / Drama
Darsteller: Barbra Streisand, Robert Redford, Bradford Dillman, Lois Chiles, Patrick O’Neal, Viveca Lindfors, Sally Kirkland, James Woods, Susan Blakely

The Informers

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Witzigerweise lief dieses weitgehend unbekannte Filmchen an einem Familienabend nebenbei auf der Mattscheibe, doch relativ schnell sahen alle Anwesenden mit einer ähnlich kranken Faszination wie bei einem Autounfall zu. Der Streifen, der inmitten der Dekadenz am Beginn der 1980er Jahre zentriert ist, zeigt hauptsächlich eine wüste Zusammenstellung von vermögenden, sozial entfremdeten Individuen, welche ihre innerliche Leere mit Sexeskapaden und Drogen betäuben, doch schnell wird deutlich, dass nackte Haut hier als bloßer Platzhalter für eine nicht wirklich herausfilterbare Dramaturgie herhalten muss. Trotz der überschaubaren Laufzeit kann man die Handlung nämlich mit einem Kaugummi vergleichen, das seinen Geschmack nach einer nicht einmal schlechten Anfangsphase verliert und rasch so schal schmeckt wie die porträtierte Ära angeblich gewesen sein soll, was vor allem den sinnarmen Dialogen und schablonenhaft gezeichneten Charakteren angelastet werden muss. Obwohl auch die Darstellerriege sich vorab bei unvoreingenommenen Blick überaus interessant liest, wurde aus diesen idealen Voraussetzungen kaum etwas gemacht, denn Thornton, Rourke, Ryder und Isaak wirken allesamt seltsam gelangweilt, man möchte sagen wenig auf den etwaigen Ernst der Sache fokussiert und ganz besonders die alternde Kim Basinger sollte langsam ein bisschen sorgfältiger auf ihre Rollenauswahl achten, denn sie „punktete“ ausschließlich mit unfreiwilliger Komik, während auch die Newcomer keinerlei brauchbare Akzente setzen konnte. Rhys Ifans und der recht gekonnte Einsatz der Kamera vermögen nicht im Alleingang, den eindimensionalen Genremix, dessen Titel sich mir überdies im Zusammengang mit dem Gesehenen nicht erschlossen hat, vor dem Kollaps zu bewahren. So bleibt „The Informers“ ein nihilistischer, abgeschmackter und größtenteils nicht notwendiger Film, der dem zugrunde liegenden, sozialkritischen Potential nichts Verwertbares abgewinnen konnte und stattdessen unangenehm voyeuristische Züge trägt, doch dieses Merkmal lockt bekanntermaßen mehr Leute in die Kinosäle.

USA / D 2009 - 95 Minuten Regie: Gregor Jordan Genre: Thriller / Erotikdrama Darsteller: Billy Bob Thornton, Kim Basinger, Mickey Rourke, Winona Ryder, Jon Foster, Amber Heard, Rhys Ifans, Chris Isaak, Austin Nichols, Lou Taylor Pucci, Mel Raido
USA / D 2009 – 95 Minuten
Regie: Gregor Jordan
Genre: Thriller / Erotikdrama
Darsteller: Billy Bob Thornton, Kim Basinger, Mickey Rourke, Winona Ryder, Jon Foster, Amber Heard, Rhys Ifans, Chris Isaak, Austin Nichols, Lou Taylor Pucci, Mel Raido

Traum Meines Lebens (OT: Summertime)

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Auch ein weiteres Exempel aus dem weit mehr als ein halbes Jahrhundert umfassenden, künstlerischen Lebenswerk von der aus meiner Sicht unübertroffenen Katharine Hepburn darf im Zuge dieser Ausgabe zu guter Letzt nicht fehlen. Unter der Regie von David Lean, welcher wenige Jahre später für „Die Brücke Am Kwai“ und „Lawrence Von Arabien“ jeweils den begehrten Regie-Oscar abstauben konnte, entstand in Gestalt von „Traum Meines Lebens“ ein ruhiger, bewusst wenig turbulent inszenierter und elegisch-träumerisch fotografierter Film, der in erster Linie bestens als Parabel für den Zusammenprall südeuropäischer und amerikanischer Existenzentwürfe funktioniert und inhaltlich insbesondere von der Kontrastierung von individueller Lebenslust und Einsamkeit lebt. In diesem Kontext bildet vor allem das auf einem Bühnenstück basierende Drehbuch voll von nachdenkenswerten Wortwechseln das Herzstück des angenehm tragikomisch angehauchten Anderthalbstünders, der sich spürbar von den vielen der schwermütigen, düsteren Theateradaptionen der 1950er abhebt, ohne dabei gekünstelt zu wirken. Vor allem Hepburns ein weiteres Mal allumfassende und scheinbar mühelose Präsenz, die zu ihrer seinerzeit sechsten Nominierung als „Beste Hauptdarstellerin“ führte, gepaart mit wunderschönen Bildern aus der einzigartigen Lagunenstadt Venedig lässt einige Phasen des inhaltlichen sowie dramaturgischen Leerlaufs und den Umstand, dass das Filmende doch verhältnismäßig vorhersehbar anmutet, durchaus verzeihen, insbesondere weil auch die übrigen Ensemblemitglieder sehenswerte Darbietungen zeigen konnten. Summa summarum wird dem Publikum mithilfe von Leans Produktion vielleicht keiner der ganz großen Würfe geboten, doch speziell selbsterklärte Spartenfans und auch Weltenbummler werden der Romanze im italienischen Stil nicht nur oberflächlich etwas abgewinnen können.

USA 1955 - 100 Minuten Regie: David Lean Genre: Romanze / Drama Darsteller: Katharine Hepburn, Rossano Brazzi, Isa Miranda, Darren McGavin, Mari Aldon, Jane Rose, MacDonald Parke
USA 1955 – 100 Minuten
Regie: David Lean
Genre: Romanze / Drama
Darsteller: Katharine Hepburn, Rossano Brazzi, Isa Miranda, Darren McGavin, Mari Aldon, Jane Rose, MacDonald Parke
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