Es hätte ein Auftrag wie jeder anderer für den Profikiller (Michael Fassbender) sein sollen, als er nach Paris reist, um dort einen Mann zu erledigen. Er lässt sich viel Zeit, bereitet alles genau vor, alles soll perfekt sein. Und doch dann passiert etwas, was ihm vorher nie passiert ist. Als er daraufhin selbst zur Zielscheibe wird, beschließt er seinen Jägern zuvorzukommen. Und so reist er um die Welt, um alle zu töten, die ihm noch einmal gefährlich werden könnten…
Auch wenn er im Laufe seiner Karriere andere Genres abgedeckt hat, ist David Fincher doch in erster Linie für seine diversen Thriller bekannt. Filme wie Sieben (1995), Fight Club (1999) oder Gone Girl – Das perfekte Opfer (2014) waren Kassenschlager, Kritikerlieblinge und genießen bis heute Kultstatus. Und doch hieß es lange warten, bis er wieder zu dem Genre zurückkehrte. So drehte er über viele Jahre hinweg überhaupt keine Filme mehr und wand sich stattdessen hochwertigen Serien wie House of Cards und Mindhunter zu. Lediglich sein Netflix-Biopic Mank fiel in diese Zeit, dessen verstorbener Vater das Drehbuch schrieb. Nun meldet sich der berühmte Regisseur zurück, erneut auf dem Streamingdienst. Und eben mit einem Thriller, weshalb die Erwartungen an Der Killer zuvor gigantisch waren.
Und hat er sie erfüllt? Ja und teils. Eines vorweg: Wer vergleichbare Geschichten wie bei den obigen Titeln erwartet, der wird enttäuscht. Man kann sich sogar darüber streiten, ob das, was in dem Film geschieht, überhaupt als Geschichte durchgeht. Ein Auftragsmörder, der gejagt wird und selbst zum Jäger wird? Das klingt schon sehr handlungsarm und das ist es zum Teil auch. Bei den Figuren ist auch nicht viel mehr zu holen. So hat der Protagonist keinen Namen, die meisten anderen ebenso wenig. Die Dialoge sind spärlich. Wendungen finden in Der Killer wenig statt. Die größte Überraschung ist noch diese, die alles in Gang setzt. Alles, was danach folgt, ist recht geradlinig, aufgelockert höchstens durch ein wenig Humor, etwa bei der Szene mit Tilda Swinton, die ihrerseits eine Killerin spielt. Sie beeindruckt darstellerisch ebenso wie Kerry O´Malley und Fassbender selbst.
Auch Action steht eher selten an. Zwar wird der Film offiziell als Actionthriller bezeichnet. Eigentlich gibt es aber nur eine Szene in den rund zwei Stunden Laufzeit, die diese Bezeichnung verdient. Aber was ist das bitte auch für eine geil choreografierte und inszenierte Szene? Der Rest zeichnet sich mehr dadurch aus, dass vieles sehr introspektiv ist. Von Anfang an bekommen wir einen Einblick in die Gedankenwelt des Killers. Darin kommentiert er alles, gerade auch die Monotonie seines Berufs, gibt dabei an, worauf es wirklich ankommt. So, als handele sich hierbei um ein Tutorial für angehende Auftragskiller. Diese zum Teil mantraartigen Dialoge werden manche sicher langweilen. Und doch ist Der Killer ein spannender Film, sofern man sich auf ihn einlassen kann. Auch wenn es keine inhaltlichen Wendungen in dem Sinn gibt, wird doch zwischendurch mit Erwartungen gebrochen.
Die sehr freie Adaption der gleichnamigen Comic-Reihe von Luc Jacamon und Alexis Nolent ist vor allem inszenatorisch und visuell sehr sehenswert. Fincher, dessen Karriere als Regisseur von Musikvideo begann, etwa Madonnas Express Yourself, das 1989 das teuerste aller Zeiten war, beweist noch immer, welch scharfes Auge er besitzt. Und natürlich auch welches Stilbewusstsein, wenn er gemeinsam mit seinem Kameramann Erik Messerschmidt, den Oscar für Finchers Mank erhielt, schicke Bilder für den grausigen Trip seines Protagonisten findet. Der Thriller, der bei den Filmfestspielen von Venedig 2023 Weltpremiere hatte, mag im Vergleich zu den großen Titeln des Filmemachers ein inhaltliches Leichtgewicht sein. Aber es ist doch eine willkommene Rückkehr, die einen hoffen lässt, im Anschluss nicht wieder viele Jahre warten zu müssen, bis Fincher ein Lebenszeichen gibt.
Fazit: Der Killer mag inhaltlich etwas dünn sein, wenn ein Auftragsmörder seine eigenen Jäger jagt und doch ist dieser introspektive Thriller sehenswert, wenn der brutale Trip in schicke Bilder, einem grandiosen Sound und überraschend guten darstellerischen Leistungen verpackt wird.