Die Wolken von Sils Maria (OT: Sils Maria)

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Interessanterweise haben wir in diesem Award-Jahr eine ähnliche Konstellation wie vor drei Jahren. Nämlich, dass zwei inhaltlich völlig unterschiedliche Filme wie „Hugo Cabret“ und „The Artist“ dennoch eine ähnliche Thematik, in diesem Fall die Liebe zum Film und den Anfängen des Kinos, aufgreifen.
In diesem Jahr heißen die beiden Filme „Birdman“ und „Die Wolken von Sils Maria“. Auch sie sind auf den ersten Blick inhaltlich komplett verschieden und doch eint auch sie eine ähnliche Thematik. Hier eine satirische Abrechnung mit der Traumfabrik Hollywood und der Sehnsucht nach echter Kunst im sonst so oberflächlichen Schauspielgeschäft, die man vermeintlich nur auf der Theaterbühne findet. Auch wenn „Sils Maria“ leider wohl nichts mit den großen Awards zu tun haben wird, einige Kritikerpreise dürften aber durchaus im Bereich des möglichen liegen.

Maria Enders (Juliette Binoche) ist eine gefeierte internationale Schauspielerin, die ihre größten Erfolge auf verschiedenen europäischen Bühnen und in kleineren Independantfilmen hatte. Sie hat aber bis vor ein paar Jahren auch in dem ein oder anderen großen Hollywood-Blockbuster mitgespielt. Doch mittlerweile ist ihr diese Welt zu oberflächlich, zu berechnend und seelenlos. Gemeinsam mit ihrer ihr treu verbundenen jungen Assistentin Valentine (Kristen Stewart) macht sie sich daher auch oft über neue kommerzielle Angebote lustig, auch wenn Valentine ihr immer wieder zu erklären versucht, dass sich große Hollywood-Produktionen und künstlerischer Anspruch nicht zwangsläufig ausschließen müssen.
Als die beiden gerade auf dem Weg nach Zürich sind, wo Maria bei einer Preisverleihung eine Laudatio auf ihren alten Entdecker und Freund, den Schweizer Schriftsteller Wilhelm Melchior, halten soll, erfahren sie von dessen plötzlichem und unerwartetem Ableben. Melchior war seiner Zeit einer der gefragtesten intellektuellen Bühnenautoren (Friedrich Dürrenmatt lässt grüßen) und hatte Maria vor 20 Jahren als junges 18-jähriges Mädchen in seinem Stück „Maloja Snake“ als forsche, karrierebewusste Sigrid besetzt, die ein Verhältnis mit ihrer mehr als doppelt so alten labilen Chefin Helena eingeht und diese letztlich in den Selbstmord treibt. Mit dieser Rolle wurde Maria damals schlagartig berühmt.

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Bei der Preisverleihung, die nun leider postum stattfinden muss, kommt sie schließlich mit dem Regisseur Klaus Diesterweg (Lars Eidinger), einem neuen aufstrebenden Theaterwunderkind, ins Gespräch, der eine Neuaufführung von „Maloja Snake“ in London plant, und Maria, und nur Maria, dort als Helena besetzen möchte. Er hatte ihr schon mehrfach Anfragen gestellt, die Maria jedoch bisher unbeantwortet ließ. Bei ihrer Unterredung kann Klaus ihr nun zumindest ein entschiedenes Vielleicht abringen, was aber de facto einer festen Zusage gleichkommt. Er besitzt zudem bereits die Zusage des neuen amerikanischen Teenie-Stars Jo-Ann Ellis (Chloë Grace Moretz), für die Rolle der Sigrid. Diese kommt in ein paar Wochen in die Schweiz um ihren neuen Science-Fiction-Blockbuster zu promoten und im Zuge dessen sollen sich die beiden erstmals treffen und kennenlernen.
Maria zieht sich daraufhin für die nächsten Wochen mit Valentine in Melchiors Ferienhaus im beschaulichen Bergdörfchen Sils Maria im Engadin zurück um dort schon mal den Text der Helena zu lernen. Doch sie hadert mit der Rolle, da sie sich immer noch mit „ihrer“ Sigrid verbunden fühlt (auch wenn sie jetzt natürlich bereits im Alter von Helena ist) und es als Verrat an ihr ansehe jetzt die komplett gegenteilige Rolle zu spielen. Zudem eröffnet sich ihr beim googlen nach Jo-Ann, dass diese eine wilde Partymaus zu sein scheint, die bereits öfter mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist. Und mit so oberflächlichen Dingern wollte sie eigentlich nie mehr etwas zu tun haben. …

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„Die Wolken von Sils Maria“ kann wie bereits erwähnt, als gute Ergänzung zu „Birdman“ gesehen werden. Beide Film ergäben zumindest ein perfektes Double Feature.
Auch hier geht es im Endeffekt um dieselben Fragen. Was macht gute Kunst aus? Ist Kommerz per se schlecht? Und: wie gehen Schauspieler mit dem Älterwerden um? Wie verändern sich ihre Intentionen, ihre Wünsche?
Wird das ganze bei „Birdman“ natürlich noch etwas zynischer und ausgeflippter erzählt, so versucht „Sils Maria“ eher eine komplett realistische Sichtweise auf die Traumfabrik und das Innenleben von Schauspielerinnen im besten Alter zu werfen.
Die Dialoge sind dabei hervorragend geschrieben, besonders die diversen popkulturellen Anspielungen und der unterschiedliche Bezug der 40-jährigen Maria und der etwa 15 Jahre jüngeren Valentine auf den Zugang zu aktuellen Filmen ist absolut herrlich. Die Story pendelt dabei perfekt zwischen feinem leisen Humor und leichter, nicht zu aufgesetztenr Dramatik.

Juliette Binoche spielt, ähnlich wie Keaton, im Prinzip ihr eigenes Leben. Auch sie ist eine etablierte Schauspielerin im (vermeintlich) künstlerisch hochwertigen Arthouse-Kino, hat aber auch reichlich Mainstream-Erfahrung und auch sie ist in dem Alter in dem die existenziellen Fragen nach dem Sein und dem eigenen Nachwirken aufkommen.
Binoche agiert dabei exzellent und darf von der verführerischen Diva bis zur einfachen verletzlichen Frau von nebenan die volle Bandbreite ihres Könnens zeigen. Kristen Stewarts Rolle als rechte Hand und gute Freundin von Maria ist zwar recht dankbar, da sie nicht die komplette Klaviatur der Gefühle bearbeiten muss, sie macht ihre Sache dennoch wirklich hervorragend und zeigt, dass sie tatsächlich mehr als den bisher bekannten einen Gesichtsausdruck zu bieten hat.
Chloë Moretz darf hingegen stellenweise so richtig schön auf die Kacke hauen und interpretiert ihre Rolle als kongeniale Mischung aus einschlägig bekannten Damen wie Lindsay Lohan oder Miley Cyrus, bedient aber auch die ruhigen und kultivierten Seiten ihrer Figur perfekt. Ihre bis dato beste Performance.

„Die Wolken von Sils Maria“ ist ein wirklich sehenswerter Film, auch wieder besonders für all diejenigen, die den Spagat zwischen Kunst und Kommerz lieben und somit zwangsläufig auch selbst immer wieder auf ähnliche Fragen stoßen.
Das halboffene Ende hat mir dabei auch sehr gefallen, lässt es die gestellten Fragen dadurch eben teils offen, so dass man sich selbst ein Urteil über das Gesehene bilden soll.

„Die Wolken von Sils Maria“ startet am 18. Dezember 2014 in den deutschen Kinos.


F /D /CH – 2014 – 2 Std. 04 Min.
Regie: Olivier Assayas
mit Juliette Binoche, Kristen Stewart, Chloë Grace Moretz, Johnny Flynn, Lars Eidinger, Hanns Zischler, Brady Corbet, Aljoscha Stadelmann, Benoit Peverelli, Luise Berndt, Angela Winkler & Nora von Waldstätten
Genre: Drama

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