La La Land
Fernab meiner naturgemäß rein persönlichen Einschätzung ist dem diesjährigen Oscarfavoriten zumindest ein Rekord nicht mehr zu nehmen, denn „La La Land“ gelang es, sieben Golden Globes zu gewinnen, ohne dabei in einer einzigen Kategorie unausgezeichnet und überflügelte damit „Einer Flog Über Das Kuckucksnest“. Schon allein deswegen war die Neugier auf Chazelles dritte und ein halbes Jahrzehnt umfassende Regieführung, die seit Veröffentlichung einen enthusiastischen Kritiker- und Publikumstenor evoziert, verhältnismäßig hoch. Im Gegenzug polarisiert wohl kein anderes Genre im selben Maße wie die Musical-Sparte und vielleicht auch aus diesem Grund kann ich mich der Rezension meines Kollegen zwar größtenteils, jedoch nicht vollumfänglich anschließen. Sinnbildlich orientiert am Fortschreiten der Jahreszeiten, entfaltet „La La Land“ zunächst einmal sowohl unbändige Lebensfreude, Liebe als auch eine sich vertiefende Melancholie sowie einen stilsicheren, schwärmerischen Umgang mit dem Jazzmilieu. Insbesondere an der optisch-inszenatorischen Aufmachung lässt sich nicht das Geringste beanstanden, da Kamera, Schnitt, Ton und Ausstattungselemente perfekt miteinander sympathisieren und gekonnt mit den beschwingten Klängen und souverän gemeisterten Musikstücken rund um „City Of Stars“ ineinandergreifen. Ebendiese Perfektion hätte ich mir auch in Bezug auf das bisweilen glatte Storytelling gewünscht, denn trotz aller Spielfreude der Beteiligten wirkt die typische, über zwei Stunden andauernde Liebesgeschichte reichlich althergebracht und führt dazu, dass speziell der Mittelteil relativ zäh geraten ist, zudem hätte es einer an „Glee“ erinnernden Sequenz keinesfalls bedurft. Eine etwaige Auszeichnung für das beste Drehbuch erachte ich daher nicht als gerechtfertigt. Erfreulicherweise vermochte Emma Stone es hingegen, mich endlich einmal von ihren Qualitäten als ernstzunehmende Schauspielerin zu überzeugen und harmoniert mit dem ebenfalls sehr authentisch auftretenden Ryan Gosling in geradezu entzückender Weise. Des Weiteren sorgte J.K. Simmons neben Rosemarie DeWitt erneut für einen überaus denkwürdigen Kurzauftritt. Trotz aller angesprochenen Vorzüge vermag Damien Chazelle daher nicht ganz an die allumfassende Durchschlagskraft seines Erstlingswerkes anzuknüpfen, nichtdestotrotz ist „La La Land“ entgegen des (banalen) Titels eine größtenteils dinghafte und in angenehmer Weise altmodische, humorvolle, romantische und bittersüße Reminiszenz an gleich mehrere Filmklassiker und besitzt ungeachtet dessen, dass ich das Werk nicht als potentiellen zehnfachen Oscargewinner erachte, uneingeschränkte Daseinsberechtigung.
Love & Friendship
Der letzte Film, den ich im vorübergezogenen Jahr 2016 per Zufall zu Gesicht bekam, bildete zugleich eine äußerst positive, rundum unterhaltsame Überraschung. In der erstmaligen Verfilmung des Briefromans „Lady Susan“ von 1790, den Jane Austen im Alter von gerade einmal 14 Jahren (!) verfasste, wird anhand der verwitweten Protagonistin die Notwendigkeit der Ehe in fast schon satirischer Weise hinterfragt. Die dialogreiche, irisch-französisch-niederländische Koproduktion verfügt nicht nur über optische Schauwerte, sondern in inhaltlicher Hinsicht vor allem über konsequente Bissigkeit und geschliffenen Wortwitz, der trotz des Settings in der frühneuzeitlichen Epoche äußerst modern und lebensweltlich anmutet und die gelegentlich auftretende, psychologische Befangenheit der Vorlage wettzumachen versteht. Angesichts der zeittypischen Kostüme und elegant fotografierten, filigranen Kulissen mutet das geringe Budget von gerade einmal 3 Millionen US-$ darüber hinaus als bemerkenswert an, was einmal mehr als Indiz aufzufassen ist, dass es nicht immer die teuersten Produktionen sind, die das Auge rundum erfreuen können. Kate Beckinsale liefert als biestige Aristokratin eine uneingeschränkt bravouröse Vorstellung voll von Charisma und ungeahnter Präsenz, die als gelungenste ihrer Karriere gelten dürfte und reißt nahezu jede Szene an sich. Doch auch die übrigen Ensemblemitglieder, allen voran Xavier Samuel, Stephen Fry und Chloë Sevigny, überzeugen mit nuancierten Darbietungen. Dass „Love & Friendship“ nur von einer überschaubaren Anzahl an Kritikervereinigungen berücksichtigt wurde und von Seiten der BAFTA vollständige Ignoranz erfuhr, mutet als überaus bedauerlich an, lässt sich aber womöglich damit erklären, dass der Film bereits vor einem Jahr auf dem Sundance-Festival uraufgeführt wurde und weltweit im Frühjahr anlief. Dessen ungeachtet bietet die elegante Genremischung nicht nur für Liebhaber historischer Stoffe vergnügliche Momente und stellt amüsierendes, erfrischendes Arthouse-Kino der feineren Art dar, sondern tritt ferner den Beweis an, dass britische Literatur für Filmemacher nicht von ungefähr nach wie vor ein ergiebiges Reservoir bildet.
Vaiana – Das Paradies Hat Einen Haken (OT: Moana)
Das Regie-Duo Musker & Clements schuf vor fast 30 Jahren in Gestalt von „Arielle“ einen der beliebtesten und qualitativ hochwertigsten aller inzwischen 56 Filme der Meistwerke-Reihe aus dem Hause Disney und wagte sich nun nach einer siebenjährigen Ruhepause an die Geschichte um einer polynesischen Häuptlingstochter, die für ihren Stamm den Pazifik bezwingt. Dass insbesondere das Eintauchen in fremde Kulturen in animierten Werken gelingen kann, beweisen vor allem „Mulan“ und „Aladdin“ eindrucksvoll, allerdings bewegt sich „Vaiana“ ebenso weit von deren Güte entfernt wie Neuseeland von Hawaii. In Folge einer starken Eröffnungsszene verebbt die prinzipiell erzählenswerte Handlung schon nach ungewöhnlich kurzer Zeit und entfaltet trotz des forcierten Fokus‘ auf eine Heldin, die nicht dem Prinzessinnen-Ideal entspricht, überwiegend klamaukartige Momente und altbekannte Running Gags, die Substanz, Einfallsreichtum und Herz fast völlig vermissen lassen. Ursächlich dafür ist die konsequente Überzeichnung der Nebenfiguren, denen man zunehmend weniger Sympathie entgegenzubringen imstande ist, während der in jeder Hinsicht deplatzierte Hahn nach einiger Zeit nur noch die Nerven beansprucht. Zwar mutet es bisweilen nett und kurzweilig an, einen Abriss über die Sitten, Gebräuche und Symbolismen der fernab der Zivilisation befindlichen Inselwelt Ozeaniens zu erfahren, allerdings rettet dies allein die Produktion nicht vor dem Schiffbruch. Erschwerend kommt hinzu, dass die Dichte an Songs geradezu überfrachtet ausfällt und die Kompositionen mit Ausnahme von „How Far I’ll Go“ eher Füllmaterial darstellen. Zuletzt lässt der eigenwillige Animationsstil einmal mehr Wehmut nach den handgezeichneten Vorgängern der alten Schule aufkommen und bildet keine homogene Einheit zur im Übrigen gelungenen visuellen Gestaltung, welche die Aufmerksamkeit zumindest partiell aufrechterhält. Der zeitlose und familienkompatible Geist der meisten Disney-Produktionen, den „Vaiana“ allenfalls von Weitem streift, bildete für mich immer weitaus mehr als reine Kinderunterhaltung und genau deswegen stört es mich auch nicht, angesichts vieler euphorischer Rezensionen mit meiner Meinung scheinbar allein auf weiter Flur zu stehen.
Sing
Um Längen besser als „Vaiana“ gefiel mir im direkten Vergleich eine unabhängig von den großen Konglomeraten gefertigte Produktion, die unsere von diversen Castingshows dominierte Musikwelt gehörig aufs Korn nimmt und mit Elan, Charme und einem fantastischen Soundtrack punkten kann. Die Geschichte als solche um ein buntes Sammelsurium an Tieren, die aus unterschiedlichen Gründen ihren persönlichen Traum auf der Bühne verwirklichen wollen, mag analog zum weit verbreiteten Lampenfieber sicherlich keine Brandneuheit darstellen oder das komplette Potential ausschöpfen, dennoch ist es Garth Jennings direkt mit seinem Animationsdebüt gelungen, ein temporeiches Werk zu schaffen, dessen liebenswerte Charaktere nicht dem Selbstzweck überlassen werden. Nicht nur die gekonnte, detailverliebte Gestaltung sowie die Fixierung auf die Gesichtsausdrücke der Wettbewerbsteilnehmer vermag dabei zu überzeugen, sondern auch zahlreiche gesellschaftliche Anspielungen sowie das universell übertragbare Motiv, zwischen dem familiären Umfeld und dem Erreichen der eigenen Ziele zu stehen, das wiederum greifbar und gleichermaßen amüsant für einen breiten Zuschauerkreis herausgearbeitet wurde. Insbesondere in musikalischer Hinsicht bietet „Sing“ für nahezu jeden Geschmack etwas und enthält von den beteiligten Synchronsprechern weitestgehend fantastisch interpretierte Songs aus sämtlichen Jahrzehnten. Neben mitreißenden Liedern von Seal, Bananarama, Frank Sinatra und Taylor Swift zählte eine sprühend komische Version von Nicki Minajs „Anaconda“ zu den unbestrittenen Highlights sowie der völlig zu Recht für einen „Golden Globe“ nominierte Titelsong „Faith“. Trotz kleiner Schliffe erscheint „Sing“ jedoch als absolut kurzweiliges, schwungvolles und familiengerechtes Feel-Good-Movie, jedoch auch in unaufdringlicher Weise als Blick auf den inzwischen antiquierten „American Dream“, der einem gleich mehrfach ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern imstande ist.