
In einem fast leeren Pariser Apartment begegnen sich zwei Fremde – ein namenloser, emotional abgestumpfter Amerikaner mittleren Alters (Marlon Brando) und eine junge Französin (Maria Schneider). Zwischen ihnen entwickelt sich eine radikale, körperbetonte Beziehung, die auf Anonymität und emotionaler Entgrenzung basiert. Das Apartment wird zum isolierten Raum existenzieller Selbstentblößung – fernab gesellschaftlicher Regeln…
Der letzte Tango in Paris von Bernardo Bertolucci gilt als eines der einflussreichsten und zugleich umstrittensten Werke der Filmgeschichte. In der Hauptrolle brilliert Marlon Brando als gebrochener Amerikaner, der in einem leeren Pariser Apartment auf eine junge Französin (gespielt von Maria Schneider) trifft. Zwischen beiden entspinnt sich eine radikale, körperlich getriebene Beziehung – ein verzweifelter Versuch, Schmerz, Vergangenheit und Identität hinter sich zu lassen. Das Apartment wird dabei zum symbolischen Raum völliger Entgrenzung, fernab von Namen, Herkunft oder moralischen Regeln.
Ästhetisch entfaltet Bertolucci ein intensives Kammerspiel voller visueller Poesie. Vittorio Storaros Kameraarbeit verwebt sanfte Bewegungen mit klaustrophobischen Einstellungen. Gato Barbieris melancholischer Jazz-Soundtrack verleiht dem Film eine emotionale Tiefe, die zwischen Erotik und Verlorenheit oszilliert. Brando liefert eine rohe, beinahe improvisierte Darstellung, die seine eigenen inneren Kämpfe in die Rolle überführt – ein Meilenstein des Method Acting.
Gleichzeitig steht der Film im Zentrum einer der größten ethischen Debatten des Kinos. Besonders berüchtigt ist die sogenannte „Butterszene“, in der Brando und Bertolucci laut späteren Aussagen Maria Schneider nicht vollständig einweihten. Schneider fühlte sich von Regisseur und Schauspielpartner verraten, sprach später von einem emotionalen Übergriff und gab an, nach dieser Erfahrung psychisch schwer belastet gewesen zu sein. Auch Bertolucci selbst bestätigte Jahre später, dass er absichtlich Informationen zurückhielt, um eine „authentische“ Reaktion zu provozieren – eine Regieentscheidung, die aus heutiger Sicht als moralisch nicht vertretbar gilt.

Der Film wurde zum Skandal – verboten in Italien, teils zensiert, oft missverstanden. Und doch war er auch revolutionär: Er öffnete dem westlichen Kino neue Räume des Erzählens, indem er Sexualität nicht als Erotik, sondern als existenzielle Sprache inszenierte. Das Resultat war ein Werk zwischen Kunstfilm, psychologischem Drama und Grenzüberschreitung – ein Film, der bis heute provoziert und spaltet.
Fazit: Der letzte Tango in Paris ist ein filmisches Meisterwerk, dessen künstlerische Kraft nicht losgelöst von seinem ethischen Versagen betrachtet werden kann. Es steht exemplarisch für eine Zeit, in der männliche Autorenregisseure kompromisslose Visionen verfolgten – oft auf Kosten anderer. Heute lässt sich der Film eher mit kritischer Distanz betrachten: Als ästhetisch eindrucksvolles Zeitdokument und gleichzeitig als mahnendes Beispiel dafür, wo die Grenze zwischen künstlerischer Freiheit und moralischer Verantwortung überschritten wurde.

Regie: Bernado Bertulucci
Genre: Drama
Darsteller: Marlon Brando, Maria Schrader, Catherine Breillat, Maria Michi, Giovanna Galletti, Catherine Breillat, Jean-Pierre Lelaud, uva.