Nebraska

Nebraska

Woody Grant (Bruce Dern) ist ein 77-jähriger Alkoholiker und Veteran, von dem seine Frau Kate (June Squibb) und seine beiden erwachsenen Söhnen den Eindruck haben, als wäre er geistig nicht mehr zurechnungsfähig. Ausschlaggebender Grund für die Annahme ist, als er sich zu Fuß auf den weiten Weg von Montana nach Nebraska machen will. Woody hat nämlich einen dieser Marketing-Briefe erhalten, die dem Adressaten einen Riesengewinn versprechen. Diesen millionenschweren Gewinn will er sich nun persönlich abholen. Weil sich seine Frau weigert, ihn zu begleiten, fasst sich sein Sohn David (Will Forte) ein Herz und fährt mit seinem Vater los, in der Hoffnung, noch einmal ein paar gemeinsame Tage erleben zu können.

Wenn man nicht wüsste, dass Alexander Payne für die Regie und vor allem für das Drehbuch verantwortlich ist, man würde es spätestens nach den ersten 5 Minuten des Films herausfinden. Payne hat durch seine tragikomödiantische Art einen vielleicht nicht einzigartigen aber dennoch eigenen und vor allem markanten Stil, den ihn von zig anderen Filmschaffenden unterscheidet. Seine nüchterne aber stets emotionale Betrachtungsweise lässt den Zuseher einerseits mit einem lachenden und andererseits mit einem weinenden Auge zurück. Payne schließt nahtlos dort an, wo er bei Filmen wie The Descendants oder About Schmidt schon bravourös aufgehört hat. Zwar muss man dieses mal durch ein paar langwierigere Szenen und aufgrund der etwas durchsichtigeren Handlung ungewohnte Abstriche machen, jedoch ist dies lediglich Jammern auf höherem Niveau.

Ein wichtiger Bestandteil, der bei Filmen von Payne bisher immer funktioniert hat, ist die Wahl der Darsteller, die den Charaktären Leben einhauchen sollen. Hollywood-Größen wie Robert Forster, Gene Hackman, Jack Nicholson oder Robert Duvall waren für die Rolle des Woody angedacht, hatten jedoch gegenüber dem etwas unbekannteren Bruce Dern (u.a. Monster Meine teuflischen Nachbarn) nur das Nachsehen. Genau so war es auch bei der Auswahl von Woody’s Sohn. Breaking Bad-Star Bryan Cranston war einer der vielen, weitaus bekannteren Darsteller, die für die Rolle des David vorsprachen. Die Wahl fiel aber letztendlich auf Will Forte, der vor allem in den USA als Comedian (u.a. Saturday Night Live) bekannt ist. Eine vielleicht von außen etwas merkwürdig wirkende aber dennoch hervorragende Entscheidung, die Alexander Payne hier getroffen hat. Beide gehen in ihren Rollen wunderschön auf und liefern zwei überzeugende Darstellungen. Besonders Bruce Dern spielt als verbitterter, alter Knacker wohl die (späte) Rolle seines Lebens.

Neben den beiden ist es aber eigentlich eine andere Person, die den Hauptdarstellern teilweise die Show stiehlt. June Squibb spielt die Frau von Bruce Dern und liefert eine herrlich ulkige Leistung ab. Squibb, die in ihrer bisher 23-jährigen Schauspielkarriere weder mit einem Schauspiel-Preis noch einer Nominierung bedacht wurde, sollte in den nächsten Monaten mit vermehrter Aufmerksamkeit rechnen. Ihre aberwitzige Darstellung ist eines der absoluten Highlights des ganzen Films.

Nebraska ist nicht nur ein Film, der einen senilen, alten Mann mit seinem einfältig wirkenden Sohn bei einem Road Trip der etwas anderen Art zeigt. Es ist viel mehr als Lektion des Lebens gedacht, bei der wesentliche Begriffe wie „Familie“, „Zusammenhalt“ und „Zuwendung“ zur zentralen Achse des Films avancieren. Das ist es was Nebraska wunderbar vermittelt und letztendlich zu einem besonderen Werk macht.

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Über Johannes Marksteiner

Hauptberuflich: Radio-Redakteur und Sprecher Nebenberuflich: Passionierter Cineast
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