Valerie – Eine Woche voller Wunder (OT: Valerie a týden divu)

Valerie - Eine Woche voller Wunder 3

„Valerie a týden divu“, wie dieses surreale Horror-Märchen im Original heißt, gilt als eines der letzten großen Werke der „Tschechoslowakischen Neuen Welle (Československá nová vlna)“.
Diese Filmbewegung entstand Anfang der 1960er-Jahre nach dem Vorbild der französischen „Nouvelle Vague“ und hatte das Ziel auch hinter dem Eisernen Vorhang alte Bildstrukturen zu sprengen und neue Sehgewohnheiten hervorzubringen. Neben Jaromil Jireš, dem Regisseur von „Valerie“, dürfte wohl der zweifache Oscar-Preisträger Miloš Forman das berühmteste Mitglied dieser Künstlerbewegung gewesen sein. Jireš gilt zudem als deren Haupt-Initiator.

„Valerie“ gilt unter vielen Cineasten als ein Highlight des tschechischen Films und besitzt bis heute eine sehr treue Fangemeinde. Ich wollte den Film auch lange schon mal sehen und bin in den letzten Tagen nun endlich dazu gekommen.

Die Handlung dreht sich um die 13-jährige Valerie, die auf dem Land bei ihrer Großmutter aufwächst. Der Film beginnt damit, dass Valerie im Schlaf die Ohrringe gestohlen werden. Als sie dies bemerkt und dem Dieb nachstellt sieht sie den sogenannten „Iltis“, ein entstelltes Monster, und läuft erschrocken davon. Am nächsten Tag bekommt sie ihre Ohrringe von dem jungen Erwachsenen Orlikú zurück, der ihr verrät, dass dies magische Ohrringe sind die Valerie, solange sie sie trägt, vor allem Bösen bewahren und er vom Iltis gezwungen wurde sie ihr zu stehlen, weshalb Orlikú nun von ihm bestraft würde.
Kurz darauf kommen Missionare in die Stadt, von denen einer bei Valeries Großmutter Unterschlupf erhält. Bei deren Einzug in die Stadt entdeckt Valerie jedoch wieder den Iltis in ihren Reihen. Valerie wird alsbald von dem Geistlichen in ihrer Wohnung mit eindeutigen Absichten in ihrem Schlafgemach aufgesucht, kann jedoch dank ihrer beschützenden Ohrringe einer Vergewaltigung entgehen. Valerie entdeckt, dass es sich beim Iltis und den Missionaren in Wahrheit um blutsaugende Vampire handelt, zudem scheint auch ihre eigene Großmutter in die Sache verwickelt zu sein … .

Der deutsche Titel ist trügerisch, denn auch wenn er schwer nach einem klassischen tschechischen Märchenfilm für die ganze Familie klingt, ist er doch definitiv nichts für Kinder. Die Horrorszenen sind zwar alle sehr harmlos gehalten und auch bei den (angedeuteten) Sexszenen sieht man in der Regel verhältnismäßig wenig Haut, doch ist eben die gesamte Grundstimmung eindeutig auf Erwachsene ausgerichtet und auch die Thematik ist sicher nichts für Kinderaugen.
Neben der offensichtlichen Vampirgeschichte geht es im Subtext v.a. um die aufkeimende Sexualität Pubertierender, sexuelles Verlangen und den Reiz des Bösen. Man kann aber noch vieles mehr in die Geschichte hineininterpretieren. Jedes einzelne Bild erzählt im Prinzip eine eigene Geschichte.
Die Erzählstruktur des Films ist zwar linear, dennoch ist es nicht ganz einfach ihm zu folgen. Ungewohnte Schnitte, wechselnde Tempi im Erzählfluss und ein wahrer Bilderreigen, der von verträumten Landschaftsaufnahmen bis zu gotisch anmutenden Kellerverliesen reichen, erfordern die volle Aufmerksamkeit des Zuschauers. Die Anleihen an Buñuel und Murnau sind hier offensichtlich. Die ungewöhnliche Musik von Luboš Fišer, die kirchenmusikalische Themen ebenso aufgreift wie Kammermusik und von dröhnenden Orgeln und Streichern dominiert wird, tut ihr übriges.

„Valerie – Eine Woche voller Wunder“ ist von seiner Machart wirklich sehenswert. In dieser Hinsicht absolut verständlich, dass er als Meisterwerk des osteuropäischen Kinos gilt. Gerade dieser Film konnte auch aufgrund der zensorischen Lockerungen die durch den Prager Frühling möglich wurden, gewagtere, dort bis dato nicht gesehene Bilder zeigen. Meines Erachtens stellenweise sogar etwas zu gewagt. Denn auch wenn ich den Großteil des Films durchaus genießen konnte, finde ich es doch grenzwertig ein gerade mal 13-jähriges Mädchen (so alt war die Valerie-Darstellerin Jaroslava Schallerová beim Dreh) in diversen lasziven Posen und für wenige Augenblicke sogar vollkommen nackt in Szene zu setzen. Vladimir Nabokov hat sicher noch seine Freude daran gehabt.

Wertung40

Tschechoslowakei – 1970 – 1 Std. 13 Min.
Regie: Jaromil Jireš
mit: Jaroslava Schallerová, Helena Anýžová, Karel Engel, Jan Klusák, Petr Kopriva
Genre: Märchen / Horror

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