Die Bestimmung – Divergent (OT: Divergent)

Divergent

Um es gleich klarzustellen: Der neueste Blockbuster von Neil Burger, der beispielweise verantwortlich für den recht ansehnlichen Film „The Illusionist“ war, wurde mir wärmstens empfohlen. Aus Eigeninitiative hätte ich ihn mir sicherlich nicht angesehen, da auch der Trailer bereits kein Glanzstück versprochen hat. Dennoch gab es in jüngster Vergangenheit mehrere Science-Fiction-Filme, u.a. „Elysium“, welche mich unerwartet positiv überrascht haben, sodass ich bereit war, mich darauf unvoreingenommen einzulassen. Anhand von „Divergent“ zeigte sich jedoch vor allem eines überdeutlich, und zwar, dass es manchmal doch besser ist, dem eigenen Gespür von Vornherein zu vertrauen und eben nicht jeder x-beliebigen Produktion eine Chance zu geben…

Ich möchte zuallererst festhalten, dass ich die Romanvorlage der erst 25-jährigen Autorin Veronica Roth nicht kenne. Glücklicherweise – muss ich im Nachhinein sagen. Es wird wohl demgemäß auch mit Sicherheit dabei bleiben! Die Handlung spielt im futuristischen, isolierten Nachkriegs-Chicago, in welchem ein strenges Klassensystem vorherrscht. Familien setzen sich darin nicht aus biologisch Verwandten zusammen, sondern aus Zugehörigen zu bestimmten Fraktionen, unter anderem Alturan und Ferox. Ein Eignungstest im juvenilen Alter entscheidet über die jeweilige, lebenslange Mitgliedschaft. Die Protagonistin Beatrice ist jedoch eine „Unbestimmte“, sprich eine gesellschaftliche Gefahr, welche nun danach strebt, sich den Ferox anzuschließen und in eine Verschwörung gerät. Mehr muss und möchte ich zur Handlung nicht sagen… Was in Bezug auf wichtige, wenn auch nicht meinem persönlichen Geschmack entsprechende Werke der Literaturgeschichte wie „1984“ und „Schöne Neue Welt“ funktioniert und zweifelsohne visionär und von hohem Symbolismus war, geht hier episch in die Hose und wirkte auf mich wie der monströseste Unfug, den ich mir je angetan habe. Vielleicht war die grundlegende Intention gar nicht schlecht, also das Aufzeigen einer gewissen sozialen Relevanz, doch die Verantwortlichen nutzten dieses eigentlich dankbare Grundmuster einfach nicht. Der von mir viel gescholtene „Cloud Atlas“ kommt mir im Vergleich plötzlich als gelungenes Genrebeispiel vor, denn er hatte im Gegensatz zu „Divergent“ seine unbestreitbaren, wenn auch überschaubaren Vorzüge.

Verworrenheit und Langatmigkeit müssen sich nicht zwangsläufig gegenseitig ausschließen – das habe ich lernen dürfen. Auch wenn der Vergleich etwas geschmacklos erscheinen mag, fühlte ich während des Films genau das, was wohl auch Anne Boleyn auf dem Weg zu ihrer Hinrichtung gedacht haben muss: Bitte lass die Sache ganz schnell vorbeigehen! „Divergent“ kann als absolut plumper Versuch bezeichnet werden, auf den Zug finanziell erfolgreicher Filmreihen wie „Die Tribute Von Panem“, welche ich ebenfalls nicht überdurchschnittlich, aber doch recht interessant fand, aufzuspringen. Abgekupfert wurde jedenfalls genug! Schemenhaft-eindimensionale Charaktere, deplatzierte, vorhersehbare und sich obendrein mehrfach wiederholende Handlungsabläufe und einfallslose, sinnleere oder künstlich aufgebauschte Dialoge, welche das Ertragbare immens überstiegen, bestimmten das Gesamtbild, und zwar von vorn bis hinten! Insbesondere die soziologische Schwarzweißmalerei fand ich katastrophal und nervtötend. Was will man uns nur mit dem Gezeigten sagen? Ich weiß es beim Besten Willen nicht. Hinzu gesellte sich der Umstand, dass man das Genre des Öfteren verließ und anstelle dessen fürchterlich kitschige und pseudophilosophische Sequenzen erleben musste, wohl ausschließlich um junge Mädchen ins Kino zu locken… Deswegen entstand letztlich Langatmigkeit, aber nie wirklich Spannung oder ein Effekt des Mitfieberns. Wenn schon Action, dann bitte richtig!

Ich bin eigentlich fest davon ausgegangen, dass mich wenigstens die visuelle Gestaltung überzeugen würde, wenn schon nicht das schreckliche Drehbuch, doch auch dies war nicht der Fall! Die Kulissen und Kostümierungen wirken eher wie eine improvisierte und schlecht durchdachte Baustelle. So, als hätte letztlich Zeit gefehlt, weil der Kinostart plötzlich ein halbes Jahr nach vorn verlegt worden wäre… Unglaubliche Lieblosigkeiten in Bezug auf die Gestaltungsmittel entsprachen der Regel. Der übertriebene Kamera-Fokus auf die Augen der jeweils handelnden Personen nervte mich ebenfalls auch irgendwann nur noch. Wenigstens die Arbeit der Cutter war halbwegs in Ordnung. Das Budget von 85 Millionen Dollar hat man dem Trauerspiel jedoch optisch zu keinem Zeitpunkt angemerkt.

Auf darstellerischer Ebene wird man hier nahezu allumfassend mit „Leistungen“ von Nachwuchsschauspielern konfrontiert, welche kaum unterirdischer hätten ausfallen können. Hauptdarstellerin Woodley, welche in „The Descendants“ ja noch ganz anständig spielte, agiert hier wie ein Anfänger innerhalb einer besonders schlechten Schultheater-AG. Weder kann man sich mit ihr identifizieren, noch kauft man ihr die Rolle als entschlossene Kämpferin durchgängig ab, noch wirkt ein einzelner, gesprochener Satz von ihr glaubhaft. Selbst die Filmmutter, die zweifach Golden-Globe-Nominierte Ashley Judd ratterte ihren Text eher gelangweilt herunter als zu spielen. Von den männlichen Ensemblemitgliedern ganz zu schweigen. Die Vorzüge von Theo James und Jai Courtney beziehen sich leider nur auf ihre jeweilige Optik, nicht aber auf ihre oberflächlichen, laienhaften Performances. Charisma, Wandelbarkeit und Überzeugungskraft? Fehlanzeige – und das generell! „Twilight“ lässt grüßen…

Zwei kleine Aspekte haben letztlich dafür gesorgt, dass ich „Divergent“ nicht schon nach einer halben Stunde abgebrochen habe. (Das Desaster zu retten, vermochten diese allerdings auch nicht.) Zum einen erwartungsgemäß Kate Winslet, welche mit ihrer (zwar extrem oberflächlich gezeichneten und darüber hinaus absolut unterfordernden) Darbietung dennoch einige anschauliche Akzente setzen konnte sowie ein bisweilen annehmbarer Song-Score, welcher jeweils einen guten Song von Ellie Goulding sowie Snow Patrol enthielt. Dennoch passte die Mehrheit der Lieder und teilweise kopiert klingende Stücke schlichtweg nicht zu dem, was man gerade sah. Das Motiv des Unüberlegten zog sich also wie roter Faden allumfassend durch die beinahe zweieinhalb Stunden, welche mir quälend lang vorkamen.

Zusammenfassend ist mit „Divergent“ ein durch und durch grausamer und noch dazu absolut unnötiger Film entstanden, welcher bitte lediglich bei der Verleihung der „Goldenen Himbeere“ eine übergeordnete Rolle spielen sollte. Man muss sich erneut wundern, wie viele Menschen sich mit dilettantischem Schauspiel sowie anspruchsloser, klischeehafter, derivativer und irrelevanter Unterhaltung zufrieden geben. Es ist schon bedenklich, wenn es von solchem Schund noch (mindestens) zwei Fortsetzungen geben wird. Für diese steht Neil Burger im Übrigen als Regisseur nicht zur Verfügung. Er weiß wohl selbst, warum. Ich hätte die Zeit echt lieber mit Nichtstun an der frischen Luft verstreichen lassen sollen – das wäre effizienter und weniger ärgerlich gewesen! Lebenszeitverschwendung!


USA – 2014 – 2 Std. 19 Min.
Regie: Neil Burger
mit Shailene Woodley, Theo James, Kate Winslet, Maggie Q, Ansel Elgort, Ashley Judd, Zoe Kravitz, Miles Teller, Ray Stevenson, Jai Courtney
Genre: Science-Fiction / Action

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