Maleficent – Die Dunkle Fee (OT: Maleficent)

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Malefiz! Was für eine großartige, gleichsam an purer Bösartigkeit kaum zu übertreffende Filmfigur! Für mich ist die Fee der gelungenste Disney-Bösewicht aller Zeiten, welcher mir noch heute Angstschauer über den Rücken jagt. Schon allein deshalb und wegen des vielversprechenden Trailers freute ich mich auf die reale Adaption, obgleich ich gestehen muss, dass ich inständig gehofft habe, nicht allzu viele inszenatorische Similaritäten zu dem ähnlich gearteten, jedoch missglückten „Snow White And The Huntsman“ zu finden. Zudem war ich im Besonderen gespannt auf das Agieren der Hauptdarstellerin. Angelina Jolie hat nämlich für mein Empfinden ein ausgeprägtes Talent dafür, entweder großartige Performances abzuliefern, so geschehen in „Der Fremde Sohn“ sowie „Salt“ oder eben das krasse Gegenteil wie in „The Tourist“ oder „Alexander“. Somit gab es genug Gründe, sich gleich in die Premierenvorstellung zu begeben…

Die sich unverkennbar an dem Zeichentrickfilm von 1959 orientierende Grundhandlung ist schnell erzählt: Die ehemals gutmütige und naturgemäß geflügelte Fee Maleficent wird zu einer verbitterten Hexe mit einem Herz aus Stein, nachdem sie durch den Verrat eines menschlichen Freundes ihr Reich im Wald an den König der Menschen verlor. Jahre später sieht sie ihre Chance gekommen, diese Schmach zu sühnen: Das Regentenpaar bekommt eine Tochter namens Aurora, welche sie nun mit dem aus dem Grimm’schen Märchen bekannten Fluch belegt. Der König unternimmt nun alles, um sein einziges Kind zu schützen. Maleficent jedoch behält die Heranwachsende zusammen mit ihrem Diener, einem Raben, stets im Auge.

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Robert Stromberg, welcher bisher vor allem für die visuellen Effekte und Kulissen unzähliger Erfolgsproduktionen wie „Aviator“, „Die Geisha“, „Avatar“ oder „Alice Im Wunderland“ verantwortlich war, gibt hier ein mutiges und ambitioniertes Regiedebüt. Ich würde sogar so weit gehen, ihn somit als kleines Allround-Talent klassifizieren zu wollen. Er erzählt die wunderschöne Dornröschen-Geschichte aus entgegengesetzter Perspektive, behält aber die Grundfesten und sämtliche Symbole bei, interpretiert diese aber neu und fügt plausible Details hinzu. Denn beleuchtet werden hier verstärkt die Beweggründe und Vorgeschichte der Antagonistin. Gerade die Skizzierung dessen, dass die Figur des Helden und des Bösewichts manchmal nicht weit auseinander liegt und bisweilen als Synthese in einer Person auftauchen kann, hat mir überaus gut gefallen und sorgte des Weiteren für Überraschungen. Hinzu kam eine wohlproportionierte Mischung aus Spannung, Emotion, Märchen und feiner Humorigkeit, sodass die Zeit wie im Fluge verstrich. Schön war auch die Verwendung von originalen Wortlauten aus „Dornröschen“. Des Weiteren stellen die Verantwortlichen eine für die Handlung essentielle Frage, die mir bei der 50-fachen Sichtung des Originals komischerweise nie in den Sinn gekommen ist: Warum besitzt Malefiz eigentlich – im Gegensatz zu allen anderen Feen – keine Flügel? Dieser Ungewissheit wird in „Maleficent“ in Form eines roten Fadens nachgegangen.

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Insbesondere die optisch-technische Gestaltung bewegte sich meines Erachtens äußerst nahe an der Perfektion. Die opulenten, aufwendigen und abwechslungsreichen Szenenbilder, die detailreichen Kostümierungen und die Arbeiten seitens der Make-Up-Artisten waren zweifelsohne erstklassig und selbst für Genremaßstäbe herausragend. Man hat die Möglichkeit, in eine besondere und mitreißende Fantasiewelt einzutauchen, deren Aussehen entscheidend von Licht, Schatten und ätherischen Farben bestimmt wird. Die 3D-Konvertierung war deshalb größtenteils sinnvoll, obschon die Augen vor allem in den Flugszenen etwas Mühe hatten, folgen zu können. Die Macher der visuellen Effekte verdienen ebenfalls ein großes Lob. James Newton Howard tat zudem sein Bestes, die optisch bestechenden Aspekte mit stimmungsvollen und passenden Klängen hervorzuheben, wozu auch der genial interpretierte Schlusssong von Lana del Rey seinen Beitrag leistete. Trotz der gekürzten Kinofassung, halte ich die Altersfreigabe ab 6 Jahren erneut für stellenweise bedenklich, denn die Dunkelheit sowie einige Kreaturen dürften Grundschulkindern zu viel Angst bereiten, was man zwar dem Film jedoch nicht anlasten kann, wohl aber den Vertreibern.

MALEFICENT

„Zum Glück“ kann der Zuschauer hier, entgegen meiner Befürchtungen, einer starken und facettenreichen Darstellung Jolies gewahr werden. Sie brilliert in erster Linie mithilfe Selbstironie, einem guten Timing, großartigen Gesichtsausdrücken und Wandelbarkeit, sodass man ihr nahezu jede Emotion abnahm und man trotz der Schlechtigkeit ihrer Rolle eine gewisse Sympathie zu ihr aufbaut. Neben der Protagonistin überzeugen auch Copley als kaltherziger König Stefan sowie Sam Riley in der Rolle des Raben. Zwar bekamen die drei guten Feen (leider) neue Namen, nichtsdestotrotz agierten die von Staunton, Temple und Manville Dargestellten wirklich unterhaltsam, wodurch das Gelächter zumeist auf ihre Kosten ging. Einzig und allein Elle Fanning spielte die zu naive, schlafende Schönheit aus meiner Sicht etwas unbeholfen, während Brenton Thwaites wohl lieber noch ein paar Fruchtzwerge hätte essen sollen beziehungsweise eindeutig Schauspielunterricht hätte bekommen müssen. Er agierte dilettantisch und war als Prinz eine Fehlbesetzung auf ganzer Linie, was schade war, da das Ensemble ansonsten harmonierte. Explizit zu erwähnen ist auch die überaus süße Darstellung von Angelina Jolies jüngster Tochter Vivienne als kleine Aurora.

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An das nunmehr 55 Jahre alte Original aus dem Hause Disney – ein Gesamtkunstwerk, welches im Übrigen als einziger (!) Zeichentrickfilmen überhaupt von mir die Höchstwertung erhalten würde, kommt die Realverfilmung sicherlich nicht ganz heran. Dennoch hat „Maleficent“ deutlich überwiegende und unverkennbare Vorzüge, welche ihn zu einem kurzweiligen, spannenden und außergewöhnlich bebilderten Fantasiefilm machen, der den Stoff auf legitime Weise einleuchtend weiterentwickelt beziehungsweise umgestaltet. Verflucht sei an dieser Stelle erneut der ungünstige Kinostart, denn Oscarnominierungen in technischen Kategorien halte ich für verdient und gleichermaßen absolut realistisch. Wobei man hat ja in Bezug auf „Der Große Gatsby“ glücklicherweise sehen konnte, dass die Academy bisweilen ein gutes Gedächtnis hat – zumindest, was bestimmte Sparten betrifft. Anschauen und in der Kindheit schwelgen!

USA 2014 - 97 Minuten Regie: Robert Stromberg mit: Angelina Jolie, Elle Fanning, Sharlto Copley, Sam Riley, Imelda Staunton, Juno Temple, Lesley Manville, Brenton Thwaites  Genre: Fantasy / Abenteuer / Märchen
USA 2014 – 97 Minuten
Regie: Robert Stromberg
mit: Angelina Jolie, Elle Fanning, Sharlto Copley, Sam Riley, Imelda Staunton, Juno Temple, Lesley Manville, Brenton Thwaites
Genre: Fantasy / Abenteuer / Märchen
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