Frau Müller muss weg!

Frau Müller muss weg!

Elternabend in einer Grundschule in Dresden: Ein halbes Duzend Eltern haben sich in den Kopf gesetzt mit Frau Müller (Gabriela Maria Schmeide, Die Friseuse), der Klassenlehrerin ihres Nachwuchses, kurzen Prozess zu machen. Sie gefährdet den ersehnten Übertritt der Kinder aufs Gymnasium und muss laut Filmtitel „weg“. Die Elternteile setzen sich zusammen aus dem jungen Ehepaar Patrick (Ken Duken) und Marina (Mina Tander), die der oberen Mittelschicht angehören, dem arbeitslosen Wolf (Justus von Dohnányi), der mehr mit Katja (Alwara Höfels) gemein hat als man zuerst annehmen darf und die eiskalte Hosenanzug-Trägerin und selbst ernannte Wortführerin Jessica (Anke Engelke). Der Plan gerät jedoch beträchtlich ins Wanken als Frau Müller sich als resolute, sehr engagierte Pädagogin erweist, die nicht vor hat ihre Klasse aufzugeben.

In „Gott des Gemetzels“ war es ein Streit zwischen zwei Schülern, die zu einer Zusammenkunft der Eltern führten und sich gute 80 Minuten Wortgefecht an Wortgefecht reihten. Das Besondere war nicht nur die Inszenierung, die wie in der Theaterversion, lediglich in einer der elterlichen Wohnungen spielte, sondern auch die Figurenkonstellation und die Beziehungen zueinander, die sich von Szene zu Szene änderte. Auf diesen Zug wollte sichtlich auch Sönke Wortmann und Drehbuchautor Lutz Hübner aufspringen, die ihr Theaterstück filmgerecht umgeschrieben haben, leider mit mäßigem Erfolg…

Zugegeben das erste Drittel war ausgesprochen gut, der Klassenraum als Druckkammer funktioniert einwandfrei, schon bald liegen die Nerven blank, Vorwürfe liegen im Raum, Ressentiments brechen auf und Ossis, Wessis, Paare fallen übereinander her und beginnen sich wie im großen Vorbild selbst zu demaskieren. Aber was passiert dann? Ja, dann ziehen Wortmann und Hübner den Stecker, bevor es zu hässlich wird oder sich jemand noch ernsthaft verletzt.

Frau Müller öffnet die Türe und stürmt aus dem Raum, der Druck entweicht. Die Eltern gehen im Gebäude auf die Suche nach ihr. Und damit verliert sich der Film leider etwas in belanglosem Geplänkel, das mit einem defekten Getränkeautomaten und einem im Schwimmbecken versunkenen Handy seine komödiantischen Tiefpunkte erreicht. Noch dazu nimmt Sönke Wortmann mit Gabriela Maria Schmeide aus dem Spiel, seine mit Abstand beste Schauspielerin, die den Eltern Minuten vorher noch so schön jegliche Illusionen über ihre hibbelige, raufende, ständig störende Drachenbrut geraubt hat.

Darf man dem deutschen Publikum keine bösartige Komödie vorsetzen? Gerade das deutsche Schulsystem und die Erwartungen der Gesellschaft an die Kinder und Eltern, sowie die innerfamiliären Konflikte hätten definitiv noch Stoff gehabt, die 88 minütige Laufzeit clever und bissig zu füllen. Hier hätte man ein großes Werk mit Nachhaltigkeit schaffen können, doch dafür hätte es mehr Mut gefordert. Wortmann und Hübner hätten eine Mittelschicht aufs Korn nehmen müssen, die zwischen Sorgen um Statusverlust und Selbstüberschätzung um sich selbst kreist und die Schule zum Kriegsschauplatz um Interessen macht, die mit dem Wohl der eigenen Kinder nur bedingt etwas zu tun hat. Aber dem Publikum den Spiegel vors Gesicht zu halten, war leider noch nie Wortmanns Sache.

Als Frau Müller letzten Endes das Klassenzimmer wieder betritt, wird dem Zuschauer zwar noch eine mittelböse Pointe vorgesetzt, die kurzfristig zu gefallen weiß, aber nicht für das verschenkte Potential entschädigt, die das Werk gehabt hätte. Neben Gabriela Maria Schmeide sind es vor allem Justus von Dohnányi und Anke Engelke, die den Film dann doch noch irgendwie retten. Ihnen schaut man im Gegensatz zu Mina Tander gerne zu, die fast jegliche ihrer Szenen grauenvoll künstlich überspielt und die damit einhergehende Ehe mit Ken Duken (Patrick) sehr unglaubhaft wirkt. Für einen Sonntag-Nachmittag reicht FRAU MÜLLER MUSS WEG! zwar irgendwie schon noch, der recht große Publikumserfolg will mir dann aber doch irgendwie nicht einleuchten oder ist das deutsche Publikum wirklich so unkritisch geworden? Hier hätte aus einem netten Film wirklich was Großes werden können! Chance vertan!

USA 2014 - 115 Minuten Regie: Jean-Marc Vallée  Genre: Drama / Biographie Darsteller: Reese Witherspoon, Laura Dern, Thomas Sadoski, Michiel Huisman, Gaby Hoffmann, Kevin Rankin, Earl Brown, Brian van Holt, Nick Eversman
D 2014 – 88 Minuten
Regie: Sönke Wortmann
Genre: Komödie / Satire
Darsteller: Gabriela Maria Schmiede, Anke Engelke, Justus von Dohnányi, Alwara Höfels, Mina Tander und Ken Duken
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