Sandra (Marion Cotillard) fiel längere Zeit wegen Depressionen auf der Arbeit aus und nun steht ihr Job in einer kleinen Firma auf dem Spiel. Es gab eine Abstimmung, bei der sich die Mitarbeiter entscheiden mussten, ob sie für den Erhalt von Sandras Job auf ihre jährliche Bonuszahlung verzichten oder nicht. Das erste Votum fiel zu Ungunsten der Familienmutter aus, aber die Geschäftsführung erklärt sich bereit, die Abstimmung wiederholen zu lassen. Nun bleibt ihr ein Wochenende Zeit, ihre Kollegen davon zu überzeugen, auf die Prämie von 1000 Euro zu verzichten. Sandra sucht das Gespräch mit jedem einzelnen von ihnen, doch die meisten stecken allerdings selbst in einem Dilemma, sind sie doch auf die Zahlung angewiesen um ihre Mieten zu zahlen und die Kinder zur Schule zu schicken. Unterstützung erhält sie dabei von ihrem Ehemanns Manu (Fabrizio Rongione) doch es scheint ein langer steiniger Weg zu werden ihre Existenz zu sichern, bei dem ihre Depression wieder zum Vorschein zu kommen droht…
Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich Marion Cotillard für die derzeit vielleicht beste und vor allem vielseitigste Darstellerin halte, welches sie in der Vergangenheit nicht nur mit ihrer oscargekrönten Jahrhundertleistung als Edith Piaf in LA VIE EN ROSE zum Ausdruck brachte, sondern auch in Dramen wie RUST & BONE (DT: Der Geschmack von Rost & Knochen) und der Musicalverfilmung NINE. Im letzten Jahr sollte sie für ihre Leistungen in THE IMMIGRANT und ZWEI TAGE, EINE NACHT die meisten Kritikerpreise für sich vereinen und endlich ihre längts überfällige zweite Oscarnominierung erhalten. Entsprechend groß war meine Vorfreude und in der Tat überzeugte sie in beiden Rollen gleichermaßen und liefert zwei oscarwürdige Darstellungen ab, die unterschiedlicher kaum sein könnten! Marion spielt ihre Sandra mit großer, zerbrechlicher Intensität und schafft es mit jedem Hausbesuch immer mehr Facetten ihrer Figur zu offenbaren und eine faszinierende Charakterstudie zu entwerfen. Man fiebert regelrecht mit, wie sie von Person zu Person geht, um diese auf Ihre Seite zu holen. Besonders stark sind ihre Streitgespräche mit ihrem Mann oder Szenen völliger Aufruhr in so stillen Momenten, wie die einer Busfahrt, die ihre ganze darstellerisches Können offenbaren.
Entstanden ist ein wirklich bewegender Film über die Existenzängste in unserer Gesellschaft und zeigt bitter auf, wie ligitim wir es schon beinahe betrachten so ein „unmoralische Angebot“ anzunehmen. Jeder muss ja sehen wo er bleibt, die Starken kommen weiter, während die Schwachen letztendlich auf der Strecke bleiben. Dies wird schon beinahe billigend in Kauf genommen! ZWEI TAGE, EINE NACHT wirft vor allem die Frage auf in wie weit sind wir bereit unseren Standard herabzusenken, um jemandem anderen zu helfen? Was ist uns unser Luxus wert, wenn wir ansehen, wie jemand anderes darunter leidet? Der Film zeigt auf erschreckende Art und Weise, dass zu einem großen Teil wirklich das Ego des Menschen im Vordergrund steht. Manche müssen erst noch an ihre Empathie erinnert werden, bei anderen reicht nicht einmal mehr dieses aus. Doch wie im wirklichen Leben gibt es auch hier nicht nur schwarz oder weiß, richtig oder falsch! Stelle ich meine eigene Familie hinter die Bedürfnisse einer fremden bzw. nicht nahestehenden Person? Jeder hat seine Geschichte und Beweggründe und ein vorschnelles Urteil würde der Problemstellung nicht gerecht werden. Die unterschiedlichen Reaktionen der Kollegen, sind dabei ein Abbild unserer Gesellschaft. Die einen werden aggressiv, den anderen ist es peinlich, wieder anderen tut es leid und dann gibt es einige wenige, die Mut beweisen und Sandra gegen alle Widerstände in der Geschäftsleitung helfen. Er zeigt aber auch, wie die Menschen auf jeden Cent angewiesen sind und innerlich Ihre Zerrissenheit plausibel erklären und die Angst durch eine Entscheidung pro Sandra, selber vor dem Nichts zu stehen. ZWEI TAGE, EINE NACHT ist ein mutiger und realistischer Film, der zeigt, dass jeder sich glücklich schätzen kann, einen Job zu haben. Vielen ist das vielleicht gar nicht bewusst oder sie sehen es als selbstverständlich an. Das ist es aber nicht. Jeden kann der Verlust des Arbeitsplatzes treffen, sei es durch Krankheit oder Einsparung – so funktioniert der Kapitalismus. Fressen oder gefressen werden.
Die Dardenne Brüder schaffen es wieder einmal gekonnt den Zuschauer zum Nachdenken zu bewegen ohne zu moralisieren, dabei werden sie von einer grandiosen Marion Cottilard, sowie einem starken Schauspielensemble unterstützt, die allesamt sehr natürliche und lebensnahe Charakterisierungen abliefern. Dabei wird gänzlich auf Filmmusik verzichtet, welches die Realitätsnähe noch einmal unterstreicht. Die wenigen Songs, die in dem Rund 90-minütigen Werk laufen, werden geschickt dafür genutzt, dass Verhältnis des Ehepaares aufzuzeigen und tiefergehende Strukturen aufzuzeigen. Ich hätte nicht gedacht, wie man aus so einem eher simplen Plot ein derart nachhaltiges Werk schaffen kann, dessen Schluss noch lange nachwirkt. Großartig!
Oscarnominierung:
- Beste Darstellerin (Marion Cotillard)