Kritik aus dem Lichtspielhaus – #8



The Gift von Joel Edgerton

Mit The Gift reiht sich Joel Edgerton in die Reihe von Filmemachern ein, die mit ihrem Erstlingswerk direkt das ganz große Los gezogen haben, denn der Spagat zwischen Drama und Thriller gelingt ihm mit solcher Leichtigkeit, dass es eine wahre Freude ist. Was als Drama beginnt, entwickelt sich im Laufe der Spielzeit zu einem nervlichen Thriller bei dem Edgerton immer mehr die Spannungsschraube andreht und bei dem auch der Zuschauer lange Zeit nicht weiß, worauf das Ganze jetzt hinausläuft. Jason Bateman und Rebecca Hall geben am Anfang noch das normale Paar bei dem man bei fortlaufender Dauer aber auch nicht mehr wirklich weiß woran man jetzt ist und vor allem Bateman kann mal wieder seine Stärke ausspielen dass er nicht nur lustige, sondern auch sehr arrogante und auf psychische Ebene beunruhigende Figuren stark verkörpern kann. Aber auch hier ist der große Gewinn mal wieder Joel Edgerton der seinen Gordo am Anfang noch als seltsamen Sonderling anlegt, der aber nach und nach an Facetten dazugewinnt und wieder mal deutlich seinen Status als pures Gold in Nebenrollen unterstreicht.


The Nice Guys von Shane Black

An sein Regiedebüt Kiss Kiss Bang Bang kommt der neue Film von Shane Black zwar nicht heran, aber das Zusammenspiel zwischen Ryan Gosling, Russell Crowe und Angourie Rice ist so fantastisch, dass man über kleine Schwächen in der eigentlichen Geschichte locker hinwegsehen kann. Außerdem stimmt die meiste Zeit über die Mischung aus kleinen, sehr überzeichneten Gewaltspitzen, trockenen Humor und der tollen 70er Jahre-Optik. Gosling zeigt überdeutlich – ähnlich wie Chris Pine – dass er eigentlich viel mehr Komödien drehen sollte, denn sein Timing ist großartig. Russell Crowe bleibt da ein wenig zurück, überzeugt aber auch mit seiner typischen grimmigen Härte und immer wieder aufblitzenden ruppigen Charme und Witz; und auch Matt Bomer weiß zu überzeugen in einer eher untypischen Rolle als Auftragskiller. Der schauspielerische Lichtpunkt aber ist Angourie Rice die gerade im Gespann mit Gosling stark aufspielt und nach These Final Hours wieder deutlich zeigt, dass da hoffentlich noch weitere Einträge in ihrer Filmografie kommen; mit Spider-Man: Homecoming stehen die Chancen nicht so schlecht.


Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln (OT: Alice Through the Looking Glass) von James Bobin

Scheiterte Tim Burton noch fast vollständig mit dem Vorgänger, macht James Bobin jetzt vieles besser und richtiger: Nicht nur ist die eigentliche Geschichte – trotz des vielleicht ausgelutschten Zeitreise-Plot – ist interessanter, die Bauten, Kostüme und visuelle Effekte können sich im wahrsten Sinne des Wortes sehen lassen und auch die Figuren kommen etwas besser zur Geltung die bei Burton von dem ganzen Pomp und den Farben fast erdrückt wurden. Besonders schön kann man das bei Mia Wasikowska sehen die endlich eine Figur verkörpern kann und keinen Avatar für die Zuschauer. Sacha Baron Cohen überzeugt mit im Original dicken Werner Herzog-Akzent und verleiht seiner Figur der Zeit stellenweise genau den Charme und Wärme die man vielleicht bei seinen anderen Figuren immer etwas vermisst. Johnny Depp als Mad Hatter bleibt im Vergleich etwas zurück, spielt aber auch nicht zu großspurig auf, wozu er vom Drehbuch aber auch nicht so viel Möglichkeiten für hat. So bleibt am Ende ein unterhaltsamer Film und ein weiteres Beispiel für die These, dass zweite Teile ihren Vorgänger bei weitem noch übertreffen können.


Whiskey Tango Foxtrot von Glenn Ficarra und John Requa

Man könnte Glenn Ficarra und John Requa sehr leicht den Vorwurf machen, dass ihr Film für eine Komödie stellenweise zu dramatisch ist, für ein Drama zu albern und für eine Satire nicht spitz genug ist. Aber gelingt ihnen die Kombination aus Afghanistan-Kriegsfilm und lustiger Satire sehr viel besser als z. B. Barry Levinson mit Rock The Kasbah. Das liegt vor allem an den Schauspielern die den Film dann doch über den Durchschnitt heben: Tina Fey überzeugt sowohl in den dramatischen als auch in den humorvollen Szenen mit ihrer ganz eigenen Art die ähnlich wie bei Ben Stiller nicht gewollt lustig ist, sondern im Zusammenspiel mit der jeweiligen Situation, Margot Robbie genießt ihre überzeichnete Figur der karrieregeilen Journalistin und serviert dem Zuschauer im O-Ton ihren herrlichen australischen Akzent und wenn wir gerade von Akzent sprechen kommt man natürlich nicht um Martin Freeman herum der es noch mehr als Robbie genießt etwas aus seiner typischen Rolle auszubrechen und seinen Fotografen Iain als großkotzigen Aufschneider mit dicken schottischen Akzent auf den Zuschauer loszulassen.


Vor ihren Augen (OT: Secret in Their Eyes) von Billy Ray

Es ist fast ein wenig bedauerlich, dass Billy Ray mit seinem Remake des argentinischen Oscar-Preisträgers In ihren Augen (OT: El secreto de sus ojos) nicht an seine vorherigen Regiearbeiten Lüge und Wahrheit – Shattered Glass und Enttarnt – Verrat auf höchster Ebene herankommt; und das liegt nicht etwa daran, dass man einfach versucht hat das Original zu kopieren – der Film geht schon eigene Wege und hat einen leicht anderen Tonfall -, sondern dass am Ende ein ganz ordinärer Thriller herausgekommen ist der vielleicht nichts falsch macht, aber auch nicht wirklich viel richtig. Chiwetel Ejiofor spielt gut, aber gerade die Szenen mit Nicole Kidman – die mit Ricardo Darín und Soledad Villamil eine der Stärken des Originals waren und aus dem Film im Grunde auch einen Liebesfilm machen – wirken zu steril und emotionslos, während Julia Roberts fast vollständig fehlbesetzt wirkt. Der große Knackpunkt für Kenner des Originals aber ist die großartige Stadion-Szene die Billy Ray zwar schön in Szene gesetzt hat, sich aber hier den Vergleich mit Juan José Campanella stellen muss und auf allen Ebenen schwächer ist. Die Kritik mag härter klingen als sie ist, aber es bleibt schon ein fader Beigeschmack des verschenkten Potenzials. So ist der Film am Ende nichts halbes und nichts Ganzes.

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