Die Frau Des Nobelpreisträgers (OT: The Wife)

© Sony Pictures Classics

Nach Aussage der frisch gebackenen und für den sicherlich emotionalsten Moment der vorgestrigen Verleihung sorgenden Golden-Globe-Preisträgerin Glenn Close verstrichen ganze vierzehn (!) Jahre, bis der bereits 2003 erstveröffentlichte Roman „Die Ehefrau“ von Meg Wolitzer als Leinwandadaption realisiert werden konnte. Eine ebenso lange Zeitspanne liegt die bisher letzte Regietätigkeit des verhältnismäßig unbekannten Schweden Björn Runge zurück. Das urdeutsche Sprichwort „Was lange währt, wird endlich gut.“ bewahrheitete sich anhand des seit Donnerstag in den Kinos laufenden Resultates in gleich mehrfacher Hinsicht, denn „Die Frau des Nobelpreisträgers“ stellt nicht nur eine zelluloidgewordene Tour de Force der mittlerweile 71-jährigen Protagonistin dar, sondern auch ein psychologisch dichtes Abbild einer destruktiven Lebensgemeinschaft, das auch auf der Theaterbühne seine Daseinsberechtigung gehabt hätte.

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In enger Kongruenz mit der basalen Romanhandlung erzählt die trinationale Koproduktion die fiktive Geschichte des Ehepaares Castleman, das in den 90ern zur Entgegennahme des renommierten Literaturnobelpreises nach Stockholm reist, wo ein sich schrittweise enthüllender Konflikt zur Eskalation führt. In Folge der unkonventionellen Eingangssequenz mit einem Bonmot über das allzu häufig ausgeklammerte Sujet „Sexualität im Alter“ nähert sich der Fokus mittels Rückblenden mit Engelsgeduld und Feingefühl den beiden Hauptcharakteren und ihren Beweg- und Hintergründen. Während die Sequenzen der Gegenwart einen insgesamt stärkeren Eindruck hinterlassen als jene in den 50ern, mutet das Handlungsgefüge sporadisch einen Hauch zu vorhersehbar an, dennoch schmälert dies nicht die tiefliegende Dramatik des brillant in Szene gesetzten und überaus scharf dialogisierten Endes, das man auch als „Viertelstunde der Wahrheit“ bezeichnen könnte. In glaubhafter Form entlädt sich der geballte Schmerz einer Frau, die jahrzehntelang schweigend und milde lächelnd in der zweiten Reihe hinter dem vermeintlichen Literaturgenie verweilen musste und lanciert eine noch längst nicht überwundene Gender-Problematik, die sich in der Realität ähnlich zugetragen könnte und Diskurse anregen dürfte und sollte. Darüber hinaus bleibt das abschließende Musikstück des Films voller bezaubernder Eleganz im Ohr, sodass man sich ernsthaft fragen muss, warum nicht eine höhere Anzahl vergleichbarer Arrangements der Komponistin als Untermalung eingesetzt worden ist. Kamera und Kulissen wirken angenehm reduziert und treten konsequent hinter die Bedürfnisse der Schauspieler zurück, die rasch zum Dreh- und Angelpunkt avancieren. Wahrlich selten darf man ein Werk erleben, in denen die Mimik der Hauptdarstellerin die Atmosphäre so sehr beeinflusst wie es in „Die Frau des Nobelpreisträgers“ der Fall ist. Die sechsfach oscarnominierte Glenn Close brilliert mithilfe eines eindringlichen Minimalismus und bringt die stets hinter Selbstbeherrschung verborgenen Gefühle in unvergleichlicher Weise mit scheinbarer Mühelosigkeit zum Ausdruck. Letztlich ist es jedoch die furiose Finalsequenz, die ihr den Globe beschert hat und vermutlich und verdientermaßen den Pfad zum Academy Award ebnen wird, den man mit objektivem Blick definitiv nicht als „Karriere-Oscar“ brandmarken sollte. Dem einst die männliche Hauptrolle in „Evita“ verkörpernden Jonathan Pryce gelingt es hingegen, seiner grandiosen Partnerin standzuhalten und die Rolle, für die ursprünglich Gary Oldman vorgesehen war, zu der Seinigen zu machen, während Max Irons und Christian Slater ebenfalls nuancierte Darbietungen offerieren können.

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Speziell in den Zeiten der „Time‘s-Up“-Kampagne erscheint der erste Ausflug von Runge ins internationale Filmgeschäft einerseits zu einem wohlgewählten Zeitpunkt, ist aber andererseits nicht von ungefähr ganz auf die im Originaltitel benannte Figur zugeschnitten. Bei dem Drama handelt es sich nicht nur um eine austauschbare Skizze eines x-beliebigen Ehekrachs, sondern vielmehr um ein mit ruhiger Hand gezeichnetes, mitreißendes, nachfühlbares und vortrefflich besetztes Porträt von ungeahnter Gesellschaftsrelevanz, das einen wertvollen Beitrag zur längst überfälligen Diskursanregung zu leisten vermag.

USA / SE / UK – 101 Minuten
Regie: Björn Runge
Genre: Drama
Darsteller: Glenn Close, Jonathan Pryce, Christian Slater, Max Irons, Harry Lloyd, Annie Starke, Alix Wilton Regan, Elizabeth McGovern
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