House of Gucci

House of Gucci mit Adam Driver und Lady Gaga
©Universal Pictures International Germany GmbH

Ridley Scott die Zweite! Als Patrizia Reggiani (Lady Gaga) Maurizio Gucci (Adam Driver), einen der künftigen Erben des Gucci-Modehauses, über den Weg läuft steht für sie sofort fest: Den will sie haben! Tatsächlich verfällt der junge Jurastudent der schönen Wilden – sehr zum Ärger seines Vaters Rodolfo (Jeremy Irons), der von der niederen Herkunft der Frau nichts hält und mit Enterbung droht. Davon lässt sich Maurizio aber nicht abbringen, für ihn ist Liebe wichtiger als Reichtum. Das bedeutet jedoch nicht, dass er leer ausgeht. Vielmehr setzt sich Aldo Gucci (Al Pacino), der ältere Bruder von Rodolfo, für eine Versöhnung ein. Dabei ahnt der nicht, dass er sich damit sein eigenes Grab schaufelt: Patrizia, der die 50 Prozent nicht reichen, die Maurizio an dem Unternehmen hält, entwirft einen Plan, wie sie auch an den Erbanteil von Aldo und dessen Sohn Paolo (Jared Leto) kommen kann…

Auch jenseits der 80 scheint es für Ridley Scott keinen Anlass zu geben, mal ein wenig kürzer zu treten. So ist es doch beeindruckend, wie innerhalb kürzester Zeit mit The Last Duel und House of Gucci gleich zwei Großproduktionen der englischen Regielegende in die Kinos kommen. Im Januar soll der Dreh seinen nächsten Films Kitbag beginnen, in dem er sich dem französischen Herrscher und General Napoleon Bonaparte widmet. Historische Stoffe scheinen es dem Filmemacher derzeit also angetan zu haben. Vor allem solche, bei denen auch gewalttätige Konflikte im Mittelpunkt stehen. Beim Porträt des italienischen Modehauses ist schließlich der spektakuläre Mord eines der entscheidenden Verkaufsargumente. Das lässt eigentlich auf ein Krimidrama schließen, vielleicht sogar einen Thriller und zumindest an manchen Stellen hat man auch den Eindruck, dass House of Gucci ein solcher Film hat werden sollen. Aber eben nur an manchen Stellen. Die restliche Zeit  wirkt der Film wie eine lustvoll überzogene Groteske, bei der offensichtlich jeder machen durfte, was er wollte. Während Adam Driver noch vergleichsweise bodenständig auftritt, vom gewöhnungsbedürftigen Akzent einmal abgesehen, sehen andere in der Geschichte eine bezahlte Kostümparty. Besonders der kaum wiederzuerkennende Jared Leto dreht als Familienidiot, der trotz nicht vorhandenen Talents von einer Designerkarriere träumt, regelmäßig völlig auf und poltert überzogen durch die Szenerie. Das steht natürlich in einem starken Kontrast zu der Tragik der Geschichte, was nicht nur bei der Gucci-Familie sauer aufstößt, die rechtliche Schritte angekündigt hat. Auch als unbeteiligtes Publikum darf man irritiert sein. Dafür entschädigen starke Auftritte von den Oscarpreisträgern Al Pacino und Jeremy Irons.

House of Gucci mit Al Pacino, Jared Leto, Adam Driver und Lady Gaga
©Universal Pictures International Germany GmbH

Neben ihnen wird aber vor allem Lady Gaga in Erinnerung bleiben. Nicht wenige sehen sie bereits für eine weitere Oscar-Nominierung als „Beste Hauptdarstellerin“ als gesetzt an. Das wäre beeindruckend, da es sich nach A Star is born lediglich um ihre zweite Hauptrolle handelt. Unverdient wäre es nicht. Wie sie sich in House of Gucci als intrigante Erbschleicherin inszeniert, das hat schon hohen Unterhaltungswert. Zwar ist sie hier nicht so schillernd und lebensbejahend, wie man es von ihrer musikalischen Persona kennt, sondern entspricht eher dem Bild einer Antagonistin, die andere skrupellos ausnutzt oder ins Unglück stürzt.

Spaß macht House of Gucci vor allem, wenn es die Superstar-Variante einer Seifenoper darstellt und sich völlig dem verspielten Wahnsinn hingibt. Schade ist dabei jedoch, dass diese Richtung nicht immer konsequent beibehalten wird und wenn die Richtung schon geändert wird, warum macht Ridley Scott nicht daraus eine Mode-Oper und Familiensaga daraus – Potential hat die Geschichte um den Gucci Clan und die Ermordung von Maurizio Gucci allemal. Dennoch, wer sich darauf einlassen kann, dass der Film irgendwie ein bisschen unrund ist, für den lohnt sich ein Besuch der ebenso kaputten wie irren Dynastie. Mich persönlich hat er gut unterhalten, aber mit etwas mehr Tiefe und Raffinesse hätte der Film wirklich zu etwas Besonderem hätte werden können, aber das heutige Publikum verlangt kaum noch nach Tiefgang und so verwundert nicht, dass House of Gucci finanziell gesehen der deutlich erfolgreichere Filme von Ridley Scott dieses Jahr geworden ist.

USA 2021 – 158 MINUTEN
REGIE: RIDLEY SCOTT
GENRE: KRIMINALFILM / HISTORIENDRAMA
DARSTELLER: LADY GAGA, ADAM DRIVER, JARED LETO, AL PACINO, JEREMY IRONS, JACK HUSTON, REEVE CARNEY, CAMILLE COTTIN, MĂDĂLINA DIANA GHENEA, MEHDI NEBBO, SALMA HAYEK
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