Stranger Things (4)

Stranger Things
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Seit der Schlacht von Starcourt, bei der Hawkins von Schrecken und Zerstörung heimgesucht wurde, sind sechs Monate vergangen. Die Freunde haben mit den Folgen zu kämpfen und sind zum ersten Mal voneinander getrennt. Dass sie außerdem mit den Schwierigkeiten der Highschool fertig werden müssen, macht das Ganze nicht einfacher. In dieser so schutzlosen Zeit taucht eine neue und schreckliche übernatürliche Gefahr auf, die ein grausames Rätsel aufwirft, dessen Lösung dem Grauen der anderen Seite endlich ein Ende setzen könnte…

Die neuen Folgen starten mit einer Cold-Open-Szene, die das Publikum nochmal daran erinnert, welche unmenschlichen Dinge Elf durchmachen musste, ehe sie zu Beginn der Serie zu den Freunden aus Hawkins gestoßen ist. Man kann also davon ausgehen, dass die Experimente an den Kindern doch nochmal eine größere Rolle spielen werden. Bislang wurde lediglich in der umstrittensten Folge von Staffel 2 kurz darauf eingegangen, dass es auch andere Kinder wie Elf gibt. Anschließend wurde dieses Thema jedoch weitestgehend ausgeschwiegen, um sich den Ereignissen in der Kleinstadt Hawkins fokussiert zu widmen.

Spätestens seit dem Ende der dritten Staffel war aber klar, dass die Schauplätze von Stranger Things Staffel 4 sehr weit über die Stadtgrenzen hinausgehen werden. Die Serie verlässt immer mehr die inzwischen doch etwas eintönig gewordenen Gefilde, wodurch sich alles in der neuen Season auf einen Schlag gewichtiger und relevanter anfühlt. Die Bedrohungslage erweitert sich auf globale Ausmaße. Gleichzeitig wird durch die Pre-Intro-Szene auch ein Kontrast dazu aufgebaut, was dem Publikum dann innerhalb der ersten Folge lange Zeit präsentiert wird. Denn da steht erstmal der Schulalltag der inzwischen doch deutlich reiferen Kids im Fokus. Die Herausforderungen lauern eben nicht nur im Upside Down, sondern vor allem für Elf im Sozialleben. Etwas klischeehaft und arg nervig werden typische Mobbing-Szenarien durchexerziert, die hart abnerven, wer aber die erste und auch zeitgleich die schwächste Folge der Staffel übersteht, wird zumindest am Ende mit einem düsteren Ende belohnt, welches von Folge zu Folge getoppt wird und eine starke Sogwirkung offenbart.

Stranger Things 4”: Der Trailer zu Ausgabe 2 ist da – und verspricht ein düsteres Finale | GQ Germany
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Wer mit dem überbordenden Retro-Charme von Stranger Things schon immer Schwierigkeiten hatte, der darf auch hier keinen Kurswechsel erwarten. Die Produktion ist und bleibt eine Hommage an die großen Coming-of-Age-Wälzer von Stephen King und ist gleichzeitig dabei weiterhin die beste Adaption einer Geschichte des Horrorliteratur-Papstes, die auf keine eigene Vorlage zurückgeht. Die Konstellation unserer Gruppe von Teenagern erinnert immer offensichtlicher an den „Losers Club“ aus Es. 

Für die dichte Atmosphäre der Serie steht auch hier wieder die perfekt passende Musikauswahl. Auch in der inzwischen vierten Staffel hat man wieder einige Klassiker dieser Zeit richtig gut in die Handlung eingewoben, wie Kate Bushs „Running up that Hill“ beweist, der seit Veröffentlichung dieser Staffel weltweit (!) wieder ganz oben in den Charts zu finden ist. Gepaart mit der Detailliebe bei der Ausstattung, bis hin zu den Frisuren und Outfits, bleibt das stimmige Gesamtbild von Stranger Things gewahrt, das den Erfolg von Beginn an bedingt hatte.

Anfangs hatte Netflix nicht mit diesem Welterfolg gerechnet, aber schon sehr bald zeichnete sich ab, dass aus der kleinen 80s-Hommage und dem filmgewordenen Liebesbrief an Stephen King ein popkulturelles Phänomen erwächst. Das führte dazu, dass von Staffel zu Staffel größer gedacht werden konnte und durfte, dass Millie Bobby Brown und Co. zu den begehrtesten Jungschauspielern wurden, dass Winona Ryder einen zweiten Karrierefrühling erlebt oder dass inzwischen bis hin zu einem Upside-Down-Legoset das komplette Marketinggame durchgespielt werden konnte. Die Serie ging 2016 an den Start und der Hype wurde dann durch das gegenseitige Befruchten mit der Neuverfilmung von Es zur Initialzündung eines regelrechten Stephen-King-Booms der letzten fünf bis sieben Jahre.

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Der einzige Kritikpunkt ist jedoch für den ein oder anderen Zuschauer womöglich nicht ganz so leicht zu schlucken. Denn zumindest beim Ausreizen des Hypes um die Show, geht man in Sachen Laufzeit schon an die Belastungsgrenze des Publikums. Selbst die kürzeste Folge ist klar über eine Stunde lang, die längste in Stranger Things Staffel 4 um die zweieinhalb. Dass es sich selten wirklich gestreckt anfühlt, ist ein großer Verdienst, den man den Duffer-Brüdern zusprechen muss. Für diese Kurzweiligkeit sorgen ein fantastischer Schnitt und Szenenübergänge zum Niederknien. Inszenatorisch, aber auch den Produktionswert betreffend, hat man mit dieser Staffel wieder die Messlatte im Serienbereich raufsetzen können, vor allem was den Härtegrad und Horroranteil angeht.

Die Schauspieler sind weiterhin grandios, auch wenn man immer deutlicher anzumerken ist, welche Figuren den Brüdern mehr am Herzen liegt als anderen, was schon etwas schade ist, denn man hätte sich gewünscht, dass gerade die männlichen Figuren (besonders Will und Mike) etwas mehr Screentime erhalten, dafür entschädigt besonders ein Gastauftritt einer Horrorikone im letzten drittel der Staffel, welches auch ganz eindeutig dem Peak der Staffel – vielleicht sogar der ganzen Serie bedeutet, die etliche Stränge so nachvollziehbar zusammenbringt, dass man sich fast wünscht, die Duffer Bros hätten „Stranger Things“ mit dieser Season (und dann eben etwas runder) zu Ende gebracht.

Darstellerisch sticht Sadie Sink, alias  Max, alle aus. Sie kriegt sehr viel Fokus, ihre Geschichte wird glaubhaft beleuchtet, hat mir in allen Komponenten gut gefallen, da wäre eine Emmy-Nominierung eigentlich fällig gewesen. 13 Nominierungen gab es dennoch, auch wenn keine für den Main Cast, dem Drehbuch oder der unfassbar geilen Regie. Leider trauen sich die Duffer Brüder nicht wirklich eine Figur aus dem Maincast für die Dramaturgie zu opfern. Nicht, dass ich mir den Abgang einer liebgewonnenen Figur wünsche – bei all dem, was in Hawkins passiert, wäre das bei aller Liebe aber einfach zwangsläufig und auch eine Chance für die Serie. Hier bleibt „Stranger Things“ einfach zu zahm, aber vielleicht werden wir in der finalen Staffel ja eines besseren belehrt – who knows?! So ganz eindeutig geklärt ist das Schicksaal einer Figur am Ende der Staffel ja auch noch nicht, mich würde aber gegenteiliges wundern.

Folgen-/Wertungsübersicht

  1. Der Höllenfeuer-Club (6,0/10)
  2. Vecnas Fluch (8,0/10)
  3. Das Monster und die Superheldin (9,0/10)
  4. Lieber Billy (10/10)
  5. Das Nina-Projekt (8,5/10)
  6. Auf Tiefgang (9,0/10)
  7. Das Massaker im Hawkins Lab (10/10)*
  8. Papa (9,0/10)
  9. Huckepack (9,5/10)

[Gesamt: 8,8/10]

USA 2022 CREATOR: MATT & ROSS DUFFER GENRE: DRAMA, FANTASY, HORROR DARSTELLER: FINN WOLFHARD, MILLIE BOBBY BROWN, GATEN MATARAZZO, DAVID HARBOUR, WINONA RYDER, CALEB MCLAIGHLIN, SEAN ASTIN, CHARLIE HEATON, NOAH SCHNAPP, U.A.
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