Kultregisseur Quentin Tarantino meldet sich auf der großen Leinwand zurück. Und keiner hat sich wahrscheinlich so darauf gefreut, wie ich. Tarantino zählt für mich zu den größten Regisseuren aller Zeiten, da er Filme versteht und inszeniert wie kein Zweiter. „Pulp Fiction“ ist zweifelsohne ein Klassiker, „Inglourious Basterds“ mauserte sich 2009 zu meinem Tarantino-Liebling Nr.2 und „Kill Bill“ ist wohl das Non-Plus-Ultra wenn es um’s Zitatenkino geht. Ich habe dem neuen Film also hoch entgegen gefiebert.
Nachdem er uns mit „Inglourious Basterds“ zuletzt eine Rache-Oper im zweiten Weltkrieg servierte, handelt es sich bei dessen Nachfolger nun um einen Western. Der Film spielt kurz vor’m amerikanischen Bürgerkrieg und erzählt die Geschichte des Sklaven Django (Jamie Foxx), der im Süden der USA vom deutschen Kopfgeldjäger und ehemaligen Zahnarzt Dr. King Schultz (Christoph Waltz) vor seinen Peinigern gerettet wird. Django soll Schultz helfen, die Brittle-Brüder zu finden, denn an das folternde Trio kann er sich nur allzu gut erinnern und kann sie somit auch für den Kopfgeldjäger identifizieren. Im Gegenzug will das Duo gemeinsam Djangos Frau Broomhilda (Kerry Washington) aus den Klauen des durchtriebenen Plantagenbesitzers Calvin Candie (Leonardo DiCaprio) befreien…
Der Plot bleibt soweit relativ simpel. Wofür sich der Regisseur aber immer wieder auszeichnet sind seine ausgezeichneten Dialoge, die auch hier wieder die große Stärke des Films bilden. Die Gespräche zwischen Jamie Foxx und Christoph Waltz liefern eine große Bandbreite: Teils urkomisch, bieten sie aber auch tiefgründig philosophische Züge. Und auch Leonardo DiCaprio bekommt ausgezeichnete Zeilen in den Mund gelegt, wobei dessen Ausführung über die Sklaven stark an die von Hans Landa über die Juden in „IB“ erinnert. Tarantino zitiert sich quasi selbst. Und auch Zitate dürfen natürlich im Tarantinoverse nicht fehlen: Von einer Hommage an Ur-Django Franco Nero über die klassischen Sergio Leone Western bis hin zum Blaxploitation-Kino der 70er ist wieder einmal alles dabei, was das Cineasten-Herz höher schlagen lässt.
Der Film hat allerdings leider auch viele Defizite, wie ich sie bei Tarantino eigentlich nicht gewohnt bin. Ich persönlich mag es ja, wenn Film lange dauern. Aber „Django“ ist mit seinen 165 Minuten eindeutig etwas zu lange geraten. Wo Tarantino sonst in seiner Handlung viele Überraschungen bietet, bleibt der Film in dieser Hinsicht doch relativ blass. Vieles scheint vorhersehbar und somit zieht sich der Film stellenweise ganz schön in die Länge. Die Rolle des Antagonisten Calvin Candie ist für meinen Geschmack auch nicht völlig ausgeschöpft – der Charakter hat viel mehr Potential, aber Tarantino lässt ihm leider nicht genügend Raum. Das ist meiner Meinung nach auch einer von zwei Gründen, weshalb DiCaprio nicht für den Oscar nominiert wurde. Ihm kann man eigentlich nichts vorwerfen, denn er hat aus der Rolle alles rausgeholt. Der zweite Grund ist wohl der, dass Christoph Waltz von „Lead“ zu „Supporting“ geschoben wurde – sein Dr. King Schultz bleibt einem einfach aufgrund der Rollengröße mehr im Gedächtnis. Aber natürlich legt auch Waltz wieder eine Spitzenperformance hin. Viele werfen ihm ja vor, er hätte Landa kopiert – ich versichere aber, dass die Rolle weitaus vielschichtiger angelegt ist und der Herr eine brillante Darstellung abliefert. Lobenswert zu erwähnen ist hier auch Samuel L.Jackson, der als Haussklave Stephen eine perfekte Onkel-Tom-Karikatur zeichnet und eine amüsante Ergänzung auf der Seite der „Bad Guys“ ist – schade, dass er nicht auch bei manchen Awards bedacht wurde, denn er gibt hier seine beste Darstellung seit „Pulp Fiction“. Jetzt haben wir drei fantastische Nebendarsteller – aber leider einen sehr blassen Hauptdarsteller, womit wir beim letzten Kritikpunkt des Films wären. Es ist schwer zu sagen, ob Tarantino seinen Protagonisten nicht so gut ausgebaut hat, wie dessen Partner oder ob Jamie Foxx der Sache einfach nicht gewachsen ist. Wahrscheinlich ist es sogar eine Mischung aus beidem. Aber in meinen Augen ist es Gift für einen Film, wenn der Zuschauer keinen wirklichen Zugang zur titelgebenden Hauptperson findet. Stets sind es die „Nebendarsteller“ auf die man sein Auge wirft, während „Django“ völlig in die Nebensächlichkeit abdriftet. Das ist fatal und macht vor allem das letzte Viertel des Films fast unerträglich. Nach „Death Proof“ ist „Django Unchained“ damit wohl der zweitschwächste Tarantino-Streifen, aber immer noch gut. Fazit: Sehr gutes Mittelmaß.
Und zum Glück hat uns Tarantino wieder einen richtig fetten Soundtrack gebastelt. Funk, Country und Hip-Hop im späten 19. Jahrhundert: Das kann nur Quentin!
EDIT: Nach wiederholter Sichtung muss ich gestehen, dass ich den Film doch besser finde, als ich es mir wohl anfangs eingestehen wollte. Wahrscheinlich haben das Fehlen von Kevin Costner bzw. Kurt Russell, sowie das Weglassen gewisser Szenen aus dem Original-Drehbuch mir die Suppe etwas versalzen. Inzwischen habe ich mich aber mit dem Film versöhnt und habe trotz des schwachen Hauptdarstellers und einer etwas zu simpel gestrickten Szene am Ende doch eingesehen, dass es eigentlich nur „Meckern auf hohem Niveau“ ist. Denn letztendlich ist es Quentin Tarantino. Und der macht, wie gesagt, keine schlechten Filme. Und nachdem Stephan auch nochmal in Detail dargelegt hat, was diesen Film doch eigentlich ausmacht, habe ich es doch noch eingesehen: Wenn auch ein paar kleine Defizite zu vermerken sind – Es ist ein Spitzenfilm. Und wären Ace Woody und die Scotty Harmony-Szene noch drin geblieben, wäre es für mich wahrscheinlich eine 10 geworden 🙂
USA – 2012 – 2 Std. 45 Min.
Regie: Quentin Tarantino
mit Jamie Foxx, Christoph Waltz, Leonardo DiCaprio, Kerry Washington und Samuel L. Jackson
Genre: (Italo-)Western, Action