Wie sehr wurde diese Verfilmung doch von meiner Seite erwartet! Dies liegt einerseits daran, dass ich die Romanvorlage von F. Scott Fitzgerald liebe (und diese nicht umsonst zu den meistgelesenen und besten Werken der neueren Literaturgeschichte zählt), andererseits aber auch daran, dass mich seit einem endlos anmutenden Zeitraum von etwa zwei Monaten (!) kein anderer Film wirklich angesprochen oder letztlich dazu bewogen hat, endlich einmal wieder ins Kino zu gehen. Meine Erwartungen waren angesichts des Hauptdarstellers und natürlich des Regisseurs, welcher vor 12 Jahren „Moulin Rouge“, einen meiner liebsten Filme aller Zeiten, schuf, von Vornherein recht hoch und konnten im Großen und Ganzen bestätigt werden.
Zunächst ist zu erwähnen, dass ich die Verfilmung von 1974 nur teilweise kenne, und ich somit keinen Vergleich dazu ziehen kann. Dennoch war es mir (wie immer) besonders wichtig, dass die Adaption sich nicht an irgendwelchen Neudeutungen oder erfundenen Inhalten orientierte, sondern direkt an der literarischen Basis. Antwort: Sie tut es fast vollständig, was einer der größten Pluspunkte sein dürfte! Luhrmann hat es geschafft, sowohl das Lebensgefühl der Goldenen Zwanziger treffend zu skizzieren als auch moderne Einflüsse einzuflechten, die größtenteils ins Gesamtbild passten. Größtenteils sage ich deshalb, weil dies auf die Filmmusik nicht gänzlich zutrifft. Dass Jay-Z seine Finger im Spiel hatte, wäre nämlich fast böse ins Auge gegangen. Der Score ist zweifellos gut, vor allem der wunderschöne Song „Young & Beautiful“ von meiner über alles verehrten Lana Del Rey, der hoffentlich in Nominierungslisten Beachtung finden wird, oder auch Beyoncés „Back To Black“-Cover, allerdings haben mich die wenigen Hip-Hop-Titel doch massiv gestört, weil sie im Gesamtkontext einfach irritierend und völlig unpassend waren. Man hätte diese einfach weglassen sollen und stattdessen auf klassischen Jazz setzen sollen.
In Bezug auf die visuelle Inszenierung gibt es rein gar nichts zu bemängeln: Atemberaubende Kostüme und virtuose, zeittypische Arbeiten von Szenenbildnern und Make-Up-Artisten verliehen dem Film eine optische, beinahe berauschende Perfektion und waren andererseits durch Luhrmanns Regieführung vorauszusetzen. Dort, gleiches trifft auf Kameraführung und Schnitt zu, sehe ich einige Oscarchancen und hoffe, dass die Academy-Mitglieder ein Langzeitgedächtnis besitzen. 🙂 Bewusst habe ich ihn mir NICHT in 3D angesehen und war darüber auch nicht enttäuscht, da die Szenen, in denen dies wirklich Sinn gemacht haben dürfte, einfach zu spärlich waren und sich somit wiederum der leise Verdacht aufdrängt, dass man ihn vorrangig wegen der anvisierten, höheren Einnahmen auf diese Weise gedreht hat. Dies soll aber keine Kritik am Werk sein, schließlich kamen Empathie und Schnelllebigkeit auch in 2D hervorragend zum Ausdruck!
Herzstück des Erfolgs ist natürlich Leonardo DiCaprio. Er spielt den verschlossenen, geheimnisumwobenen, charmanten, attraktiven Millionär Jay Gatsby mit solcher Raffinesse, Glaubwürdigkeit und Genauigkeit, dass man am liebsten applaudieren möchte und sich fragt, warum beim Satan er noch keinen Oscar hat! Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass sich dies 2014 ändern wird, wenn auch für eine andere Rolle. Seine Besetzung als blendende Titelfigur, von der man stets mehr erfahren will, hätte in meinen Augen jedenfalls nicht besser ausfallen können. Nicht ganz so schaut es bei seiner Geliebten aus: Carey Mulligan konnte mich leider nicht durchgängig überzeugen, obwohl es durchaus Sequenzen gab, in denen sie bemüht, abwechslungsreich und authentisch agierte. Leider gab es aber auch Momente, in denen das genaue Gegenteil der Fall war. Letztlich stimmte die Chemie zwischen ihr und DiCaprio jedoch, was für die Handlung von existentieller Bedeutung war. Hinzu kamen souveräne, wenn auch nicht erstklassige Auftritte von Tobey Maguire, Joel Edgerton und Isla Fisher, welche das Ensemble bereicherten. Gerade, dass Maguires Charakter die tragisch endenden Ereignisse aus seiner Sicht erzählt und verarbeitet, hat mir überaus gut gefallen und sorgte für zusätzliche Spannung.
Neben den bereits angesprochenen Defiziten einiger Filmsongs war ich in Ansätzen ein bisschen unglücklich darüber, dass die handelnden Personen nicht in der optimalen Tiefe beleuchtet wurden und manche Szenen zu kurz, andere dafür schlichtweg etwas zu lang geraten sind. Gesellschaftskritische Aspekte hätten ausgebaut werden können und sollen, die Bedeutung der Wiederholung innerhalb des menschlichen Daseins wurde im Gegenzug treffend herausgearbeitet. Wären diese gelegentlichen Oberflächlichkeiten, die dazu geführt haben, dass ich nicht ausnahmslos emotional berührt worden bin, nicht gewesen, hätte die Verfilmung meines Erachtens echt ein unvergleichliches Meisterwerk werden können. So ist „nur“ ein sehenswerter, pompöser, mitreißender Film für alle, die gern in einer facettenreichen, bunten Ära der Geschichte schwelgen, herausgekommen. Das ennt man man wieder: Meckern auf hohem Niveau! Hoch anzurechnen ist Luhrmann aber in jedem Fall die werkgetreue, charmante Umsetzung der literarischen Grundlage, weswegen ich den Kinosaal schlussendlich zufrieden verlassen habe.