Als George Clooney Frontrunner bei den Oscars im Frühjahr 2012 zählte, wusste ich nicht ob ich lachen oder weinen sollte, denn was Michael Fassbender in SHAME ablieferte kann man nur mit oscarwürdiger Tour-De-Force-Performance in Worte fassen. Außerdem wurde er für „Hunger“, „Inglorious Basterds“ und „Fish Tank“ innerhalb kürzester Zeit ignoriert, die Chance dies wieder wett zu machen war da, vor allem nach dem Gewinn des „Coppi Volpi“ als „Bester Darsteller“, dem Preisregen bei den Kritikerawards und der Golden Globe-Nominierung, doch dann kam das unfassbare: George Clooney gewann Golden Globe- und den Hauptpreis bei den Kritikern und wurde bei den Oscars wieder einmal übergangen und nicht mal nominiert! Seitdem frage ich mich was muss er denn noch tun Academy um wahr genommen zu werden? Shame, on you Academy! Shame!
Die Geschichte um Brandon, der an Sexsucht leidet ist eigentlich nicht mal das Spektakuläre an dem Film. Es ist ein Gesellschaftsportrait unserer Zeit und Menschen die eigentlich jede Freiheit haben, sich aber ihr Gefängnis selbst erschaffen bzw. sich von Idealen formen lassen und sich ganz simpel dennoch nach einem Menschen sehen, der sie liebt und versteht. Seine Schwester Sissy (ebenso brilliant: Carey Mulligan), die sich bei ihm für ein paar Tage einquartiert, gesteht sich den Seelenschmerz allerdings im Gegensatz zu Brandon offen ein. Bis zum emotionalen Höhepunkt, der traurigsten Version von „New York, New York“, die einem nach dem Film bei erneutem anhören, sogar fast zerreisen vermag, ist der Film erstmal recht unspektakulär. Ab dem Zeitpunkt an hat Brandons Kontrolliertheit erstmals keinen Erfolg mehr, die Interpretation hat ihn berührt, vor allem als Sissy mit seinem Boss dann eine leidenschaftliche Zeit beginnt, obwohl dieser eigentlich verheiratet ist. Er entleert sich seiner riesigen Pornosammlung und versucht ein normales Date zu haben und eine Frau richtig kennenzulernen, doch beim 2. Treffen scheitert es und er fällt zurück ins alte Muster und lebt seine Exzesse noch viel intensiver aus.
Es ist die Ohnmacht von Brandon die Michael Fassbenders Performance zur intensivsten Darstellung des Jahres macht. Mit Jean Dujardin hat dann Gott sei dank ein würdiger Preisträger den Goldjungen erhalten, aber betrogen wurde meines erachtens Michael Fassbender, zumindest bei der Nominierung dürften wirklich alle zustimmen!
Aber in dem Jahr gab es einige Darstellungen, die nicht berücksichtigt wurden: Ryan Goslings brillianter Driver, z.B. oder DiCaprios J. Edgar, wobei seine Nichtberücksichtigung für den Film im Nachhinein eher in Ordnung geht als das ignorieren für „Django Unchained“.
Zurück zu Fassbenders brillianter Dartsellung: Sein Schmerz ist beängstigend fühlbar und absolut schonungslos gespielt, nicht nur weil man wirklich ALLES von ihm sieht, sondern weil seine Lust, Frust und Ohnmacht selbst in den wirklich recht ausgiebigen Sexeskapaden zu spüren ist. Wie man dies nicht würdigen kann, ist mir schier weg ein Rätsel, er hat meine Erwartungen bei weitem noch übertroffen. Lobend erwähnend muss man ebenso Carey Mulligan, die eine ebenso faszinierende Charakterstudie offenbart, die am Ende allen aus den Sitzen hauen dürfte. Dazu die Bilder von New York, die Fülle und doch Einsamkeit der Straßen, der unaufdringliche, aber sogwirkhafte Score. Faszinierend!
Fazit: Ein weiteres Meisterwerk von SteveMcQueen der unbequemeren Art. Wenn man sich ganz auf den Film einlässt, hat er eine beängstigende, sogwirkhafte Faszination, die man so noch nicht oder sehr lange nicht gespürt hat. Meine absolute Empfehlung!