Die beiden Ehepaare Keller (Hugh Jackman) und Grace Dover (Maria Bello) und Franklin (Terrence Howard) und Nancy Birch (Viola Davis) wohnen gewissermaßen Tür an Tür in einem kleinen Vorort und sind eng miteinander befreundet. Die familiäre Idylle gerät allerdings ins Wanken, als nach einem gemeinsamen Thanksgiving-Essen die kleinen Töchter der beiden Familien, Anna Dover (Erin Gerasimovich) und Joy Birch (Kyla Drew Simmons), spurlos verschwinden. Bei seinen Ermittlungen stößt Detective Loki (Jake Gyllenhaal) schon bald auf den zurückgebliebenen Alex (Paul Dano), der zur Tatzeit mit seinem Wohnmobil gesichtet wurde und nach einem missglückten Fluchtversuch festgenommen wird. Aufgrund mangelnder Beweise wird er bereits einige Tage später wieder freigelassen, was Keller nicht zulassen kann. Kurzerhand entführt er Alex, um mit allen Mitteln aus ihm herauszupressen, was er mit den beiden Mädchen gemacht hat…Selten war ein Filmtitel wohl treffender. Simpel und kurz, bringt er alle Charaktere des Films auf den Punkt – Gefangene sind sie, Gefangene des Gesetzes, Gefangene der Moral, Gefangene ihrer selbst. Während die beiden Mädchen und später der zurückgebliebene Alex im wahrsten Sinne des Wortes gefangen gehalten werden, ist Loki eingeschränkt und gefangen im Rahmen seiner eigenen Möglichkeiten als Ermittler, der die Freilassung des Hauptverdächtigen wegen mangelnder Beweise genau so wenig billigt wie der zornige Familienvater. Und auch Keller Dover wird Gefangener seiner eigenen Wut und seiner eigenen Überzeugung, wenn ihm klar wird, dass er schon längst zu weit gegangen ist, um wieder umzukehren und er bei der Folter-Szene selbst kaum seine Tränen zurückhalten kann. Villeneuve will Charakter-Drama UND Psycho-Thriller aus seinem Film machen – ersteres gelingt ihm dank der großartigen Schauspieler, letzteres nur bedingt.
Den Zuschauern gefangen zu nehmen, dass vermag „Prisoners“ durchaus in seinen spannenden Momente. Regisseur Villeneuve weiß diesen Spannungsmomenten wenig Neues abzugewinnen, macht sie aber dennoch packend, wenn auch manchmal etwas zu berechenbar – wie bei einem Horrorfilm, den man bereits gesehen hat und bei dem man genau weiß, hinter welcher Ecke die Überraschung lauert. Kleines Manko, auf sonst hohem Niveau, bewegt sich „Prisoners“ sehr im üblichem Hollywood-Rahmen, in dem man nicht zu befürchten hat, dass die Macher sich den Mut nehmen, sich ohne jede Vorwarnung eine der Hauptfiguren zu entledigen. Da wäre noch mehr drin gewesen!
„Prisoners“ nimmt seine Zuschauer an die Hand, führt ihn durch sein mit Puzzleteilen und MacGuffins vollgestopftes Labyrinth und am Ende stolz des Rätsels Lösung präsentiert. Detective Loki (Jake Gyllenhaal) stolpert durch der Krimi-Plot, der ihm immer genau rechtzeitig einen glücklichen Zufall vor die Füße wirft, um die Ermittlung und damit den Film im Schritttempo zu halten.
So ganz gelingt das nicht, bei einer Lauflänge von 153 Minuten schleicht sich besonders in der ersten Hälfte die eine oder andere Länge ein und Regisseur Villeneuve findet nicht durchgehend ein gewisses Maß an Spannung und Tempo, um das Interesse des Zuschauers aufrecht zu erhalten. Abseits der Krimihandlung spielt sich in „Prisoners“ noch ein bitterernstes Charakter-Drama ab, in dem Villeneuve Themen wie Selbstjustiz und religiösen Wahn anschneidet und der Zuschauer mit der Frage konfrontiert wird, was wir in so einer Situation machen würden? Dieser Aspekt ist einnehmender und fesselnder als jeder einzelne Thriller-Aspekt des Films – vor allem, weil Villeneuve nie ganz Partei ergreift und die Beantwortung der wichtigsten Fragen dem Zuschauer allein überlässt. Besonders in diesem Teil kann er zudem auf seinen hochkarätigen Cast zählen.
„Prisoners“ bietet nur wenige Momente der Auflockerungen. Die düstere Atmosphäre geht vor allem auf Kameramann Roger Deakins zurück, der hier wieder Großartiges leistet. Das Werk sieht nicht nur von der ersten bis zur letzten Sekunde absolut großartig aus, sondern weiß den Zuschauer auch geschickt zu manipulieren, wenn sich plötzlich mit bedrohlicher Wirkung Gegenstände ins Blickfeld schieben. Warum hängt da eine Gasmaske im Keller? Wichtig, unwichtig, falsche Fährte?
Wie so viele Schauspieler brauchte wohl auch Hugh Jackman nur den richtigen Film, um der Welt zu zeigen, was für ein großartiger Schauspieler in ihm steckt. „Prisoners“ ist dieser Film. Jackman erblüht in der Rolle des zornigen Familienvaters nach seiner sehr guten Leistung in Les Misérables im letzten Jahr erneut zum heißen Oscar-Kandidaten und erbringt eine unglaublich fesselnde Leistung, von der man auch nur keine Sekunde die Augen lassen kann. Die zweite Hauptrolle (!) spielt Jake Gyllenhaal, der ebenfalls einen guten Job macht und den Film auch alleine auf seinen Schultern hätte tragen können – was er allerdings nicht muss, denn neben Jackman trumpfen auch noch Terrence Howard, Viola Davis, Maria Bello, Paul Dani und eine fast nicht wiederzuerkennende Melissa Leo mit starken Darbietungen auf.
„Prisoners“ ist vor allem eins sensationelles Schauspielkino und wertet mit tollen Bildern eine sonst eher durchschnittliche Thriller-Handlung auf. Dennoch ist es ein Film der einen noch lange nach dem Filmgenuss nicht so schnell wieder loslässt und auch bei einer Zweitsichtung noch gut funktioniert. Angesicht der herausragenden Casts und das der Film als Charakterdrama sehr gut funktioniert, ist er letzten Endes doch im oberen Feld einzusortieren. Denke von Denis Villeneuve wird man noch viel hören.