© S.T.
Hey Stefan,
wie lange bist Du schon für „Die Academy“ beziehungsweise für „And the Oscar goes to…“ (StudiVZ) aktiv und was reizt dich persönlich an der Seite?
Ganz genau weiß ich es zwar nicht mehr, aber es muss wohl etwa vier Jahre zurückliegen, als ich kurz nach meinem Abitur zur VZ-Gruppe gestoßen bin. Es hat mich gereizt, mit Leuten in Kontakt zu treten und zu diskutieren, die eine ähnlich ausgeprägte und vielfältige Filmleidenschaft besitzen. Viele Personen meines Alters stehen ja bekanntlich auf anspruchsloses Popcorn-Kino und das war noch nie so recht mein Fall. Es ist fantastisch, was aus der Gründungsidee eines eigenen Forums geworden ist und wie viel sich seitdem verbessert hat, auch wenn ich anmerken möchte, dass ein klein wenig mehr Meinungstoleranz bisweilen nicht schaden könnte.
Wann hast du circa angefangen, dich für „bessere“ Filme zu interessieren und gab es dafür ein besonderes Filmerlebnis? Wenn ja, welches?
Einen speziellen Moment gab es sicherlich nicht. Während der Grundschulzeit mochte ich vor allem DEFA-Märchen und Disney-Filme. Doch schon relativ kurz danach interessierten mich Realverfilmungen mit einem gewissen Tiefgang und durch die Mitgliedschaft in der Theater-AG hatte ich zeitweise auch den (naiven) Wunsch, selbst ein bekannter Schauspieler zu werden. Vielleicht kann man aber „Moulin Rouge“, „Titanic“, „Das Piano“ und „Die Dornenvögel“ als wichtige Impulse nennen, denn diese Werke haben es geschafft, mich im jungen Teenageralter so zu berühren, dass mein Leben sich plötzlich zunehmend nach Filmen und nachfühlbaren schauspielerischen Leistungen gerichtet hat. Aber auch meine Mutter hat sich oft Literaturverfilmungen mit mir zusammen angesehen, die ich noch heute liebe. So ein gemeinsames Hobby prägt einen natürlich im Besonderen.
Du würdest auf einer einsamen Insel „The Hours“ mitnehmen. Was fasziniert dich an diesem Film und wie oft hast du ihn bereits gesehen?
Ich muss gestehen, dass es mir schwer fiel, mich auf einen einzigen Film festzulegen, da ich auch auf „Vom Winde Verweht“ und „Moulin Rouge“ nicht verzichten wollen würde. Doch „The Hours“ ist, seit ich ihn zuerst gesehen habe, eine unerreichte, filmische Konstante in meinem Leben. Dies liegt vor allem daran, dass er ein absolutes Gesamtkunstwerk ist. Sowohl die verknüpfende Erzählweise, die emotionale, aber zugleich hoffnungsvolle und gegenwartsbezogene Intention, die wunderbare Filmmusik von Philip Glass, geniale Dialoge und nicht zuletzt ein Schauspielensemble voller Sensationsleistungen sind dafür entscheidend. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, ich hätte mitgezählt, wie oft ich ihn bereits in Gänze gesehen habe, doch 30 Mal können es gut und gern gewesen sein.
Welche Schauspieler und Schauspielerinnen interessieren dich neben Meryl Streep und Katharine Hepburn am meisten?
Dies sind meine beiden großen filmischen Idole, das ist wahr! Dicht dahinter folgen allerdings Nicole Kidman, Olivia de Havilland, Jodie Foster, Elizabeth Taylor, Vivien Leigh, Cate Blanchett, Julianne Moore, Glenn Close und Kate Winslet. Ich mag starke, vielseitige und überzeugende Frauen – und das sind oder waren sie ja allesamt – privat wie beruflich! In Bezug auf die Herren verehre ich vor allem Anthony Hopkins, Ben Kingsley, Peter Ustinov, Geoffrey Rush, Marlon Brando, Peter O’Toole, Christoph Waltz, Colin Firth und Leonardo DiCaprio. Aber auch klassische Theaterschaupieler/innen wie Dianne Wiest, Michael Caine, Maggie Smith, Alan Rickman und Judi Dench empfinde ich stets als Bereicherung für jeden Film.
Bist du an deutschen Filmen interessiert beziehungsweise was wünschst du dir für den deutschen Film?
Die deutsche Filmlandschaft ist etwas diskrepant in meinen Augen. TV-Produktionen gelingen in den allerseltensten Fällen und auch „gute“ Kinofilme gibt es leider viel zu selten. Zudem ermüden mich sämtliche, einfallslose Komödien, die mit Matthias Schweighöfer und Til Schweiger in Verbindung stehen und immer nach einem gewissen 08/15-Schema ablaufen. Positive Ansätze sind im dramatischen Bereich zweifellos oft vorhanden, doch fehlt es vielleicht an Konsequenz, Mut und schauspielerischen Talenten, um nachhaltigere Werke zu schaffen, was für die Zukunft wünschenswert wäre. Natürlich hat sich dieser Umstand aber seit der Jahrtausendwende wieder etwas gebessert. Ich erachte z.B. „Der Untergang“ als erstklassiges Exempel des deutschen Films, denn da stimmt einfach alles. Doch auch „Jetzt Oder Nie – Zeit Ist Geld“ sowie „Nackt“ können sich international durchaus messen. Nina Hoss, Heike Makatsch, Corinna Harfouch und Bruno Ganz zeigen darüber hinaus jedes Mal aufs Neue, dass deutschsprachige Länder über einige begabte Darsteller verfügen…
Über welche Artikel würdest du dich auf „Die Academy“ freuen?
Ich lese so gut wie jeden Artikel mit Freude. Wenn es jedoch um Musicalverfilmungen beziehungsweise um die Einschätzung „kleinerer“ Produktionen, also Arthaus-Filme geht, schlägt mein Herz höher. Wünschenswert wären auch Diskussionen über Klassiker, denn insbesondere diese sollten nicht in Vergessenheit geraten.
Wenn du jemandem einen Oscar wegnehmen und jemand anderem geben könntest, welcher wäre dies und warum?
Zur Beantwortung dieser Frage muss ich leider etwas weiter ausholen. Wohl jeder von uns empfindet so manche Oscar-Auszeichnung als „Fehlentscheidung“. Das geht mir nicht anders. In der letzten Saison war ich beispielweise sehr enttäuscht über den Sieg von Jennifer Lawrence über Emmanuelle Riva. Hinzu kommt, dass Kate Winslet den Oscar 2009 für die aus meiner Sicht schwächere Rolle erhalten hat und, dass Colin Firth in „A Single Man“ Lichtjahre überzeugender war als Jeff Bridges. Im Übrigen bin ich auch über die Oscarsiege von Cher, Helen Hunt und Halle Berry noch immer sehr unglücklich und darüber hinaus verwundert, wie es 1969 zu einer Stimmengleichheit zwischen Barbra Streisand und Katharine Hepburn kommen konnte, denn Hepburns Leistung in „Der Löwe Im Winter“ ist für mich die mit Abstand beste Darstellung eines menschlichen Wesens aller Zeiten.
© AVCO Embassy Pictures
Nichtsdestotrotz waren all diese Entscheidungen verhältnismäßig vertretbar im Vergleich zu dem überflüssigen Gewinn von Catherine Zeta-Jones in „Chicago“. Angesichts einer so durchschnittlichen Singsang-Rolle habe ich tatsächlich am Sachverstand der Academy gezweifelt, die oft Sympathie-Entscheidungen trifft. Dieser Preis hätte schlicht und ergreifend an Julianne Moore als Laura Brown in „The Hours“ gehen müssen, die schlicht und ergreifend unglaublich gewesen ist. Traurigerweise muss sie ja noch immer auf ihren ersten Goldjungen warten. Wenn ich mich also festlegen müsste, könnte Moore sich heute „Oscarpreisträgerin“ nennen.
Vielen Dank, Stefan, dass du dir die Zeit genommen hast und bleib uns weiter treu und schreib weiterhin so wortgewandte Artikel!