Jim Jarmusch ist zurück, der Meister der Ereignislosigkeit, der Ruhe und der Nonchalance. Er ist zurück mit einem Genre, das man ihm vielleicht weniger zugetraut hat, nach Ausflügen zum Western („Dead Man“) und Samuraifilm („Ghost Dog“), diesmal mit einem Vampirstreifen. Doch wenn man Jim Jarmuschs Schaffen verfolgt hat, so weiß man natürlich, dass daraus kein „Twilight“-Aufguss wird. Die Vampire in „Only Lovers Left Alive“ sind in gewisserweise altmodischer und zukunftsweisender zugleich als Bella und Edward.
Denn Eve (Tilda Swinton) und Adam (Tom Hiddleson) sind quasi Vampire 2.0, in einer Fernbeziehung lebend. Wie alle anderen Vampire ernähren sie sich von Blut, doch sie beißen dafür weder Mensch noch Tier (wie das beispielsweise die Vegetarier in „Twilight“ tun) – sie ernähren sich ausschließlich von Blutkonserven aus Krankenhäusern. Sie sind, wenn man so will, kultiviert. Natürlich nicht nur in ihren Essgewohnheiten, beide sind belesen, hochmusikalisch, Liebhaber der schönen Künste, Feingeister, Intellektuelle. Hipster eigentlich. Sie verschließen sich nicht der modernen Zeit, sie kontaktieren sich via Videochat und hängen auf youtube. Dennoch findet sich Adam in der gegenwärtigen Welt nicht mehr zurecht, sie interessiert ihn nicht, für ihn sind die Menschen Zombies. Als Eves Schwester Ava (Mia Wasikowska) zu Besuch kommt, aus L.A. wie sie erzählt, kommentiert Adam das lakonisch mit „Zombie Central“.
Adam, der übrigens in Detroit lebt wie Jack White – bei einem nächtlichen Ausflug zeigt er Eve dessen Elternhaus – ist also lebensmüde, und führt den Zusehern, die vielleicht Angst vor dem Tod haben, vor Augen, wie überaus mühsam es sein kann, unsterblich zu sein. Denn er hat alles schon erlebt. Er hat Eve mehrfach geheiratet, er war mit Byron, Tesla, Einstein und Galileo bekannt, er hat Zeiten erlebt, die ihm mehr entsprochen haben und er musste sie gehen lassen. Es fällt ihm schwer, sich zu motivieren, weiterzumachen, wenn doch alles rundum ihn irgendwann vergeht. Und meist nichts besseres nachkommt. Eve versteht ihn, dennoch sieht sie ihre Unsterblichkeit als Gnade an, etwas, das man stetig nutzen muss. Deshalb fliegt sie aus dem marokkanischen Tanger ein, um ihrem Ehemann den Lebensmut zurückzugeben.
Wie immer bei Jarmusch kann man von keiner nennenswerten Handlung sprechen. Hier geht es um Stimmungen, um Momente, und – wie in vielen früheren seiner Werke – um Musik. In „Only Lovers Left Alive“ ist das alles vielleicht etwas schwermütiger als früher oder fühlt sich das nur so an, weil man selbst, wie auch der Regisseur, gealtert ist? Wie immer bei Jarmusch sind Schauspieler am Werk, die den Begriff Arthouse verkörpern. So ist Tilda Swinton, die Indie-Ikone mit der kühlen Ausstrahlung, eigentlich der Inbegriff eines Vampirs und Jarmusch konnte wohl keine bessere Wahl treffen. Ihr Gegenpart Tom Hiddelson der perfekte depressive Gitarrist.
Natürlich kokettiert „Only Lovers Left Alive“ auch mit dem Nimbus seines Schöpfers, er ist in seiner Anti-Kommerz Attitüde tatsächlich mittlerweile sehr nahe dran, am Independent-Mainstream. Aber das ist wohl das Schicksal jedes Arthouse-Regisseurs, der Erfolg hat und sich weiterentwickelt. Von „Permanent Vacation“ bis hierher war es ein langer Weg, mit all den dazugehörigen Vorteilen und Nachteilen.
Ich für meinen Teil bin gespannt auf das Alterswerk des Künstlers.