We Are What We Are

Man hat das Gefühl, dass das Horror-Kino der heutigen Zeit fest in der Hand von Zombies und Vampiren ist. Ebenso der TV-Bildschirm. Wo man hinschaut: Blutsauger und Blutlose. Denkt denn keiner an die guten alten Menschenfresser? Hat denn keiner ein Herz für Kannibalen? Okay, schlechte Frage. Aber Kannibalen erleben ja im Moment zumindest im TV ein großes Highlight in der Form der grandiosen Serie Hannibal, in der Mads Mikkelsen in die Fußstapfen von Anthony Hopkins tritt und Genuss eine ganz neue Bedeutung gibt. Mit dem Remake des mexikanischen Somos Lo Que Hay (dt.: Wir sind was wir sind), versucht sich Jim Mickle ebenfalls am Kannibalen-Thema und zaubert dabei durchaus eine interessante neue Sichtweise aus dem Hut.

Getragen von seinem Hauptdarsteller-Trio Bill Sage – der den Vater spielt -, sowie Ambyr Childers und Julia Garner als seine beiden Töchter, erzählt Mickle in schönen, aber manchmal fast schon zu klinischen Bildern, die Geschichte von Verlust der Ehefrau/Mutter und der daraus resultierende Konflikt mit der eigenen Geschichte und Verpflichtungen, dem Erbe der Kinder und das festhalten an in Stein gemeißelten Maßstäben und Erwartungen.

Patriarch Frank möchte seine Familie so weit wie möglich von den anderen Bewohnern abschotten und gezwungen nach einem Sturm die davon schwimmenden Beweise der Familiennahrungsbeschaffung bei sich zu halten, damit niemand hinter das Geheimnis der Familie kommt. Auf der anderen Seite versuchen Iris (Ambyr Childers) und Rose (Julia Garner) so langsam ein eigenes Leben zu führen und fangen an die Familienwerte still und heimlich in Frage zu stellen. Außerdem spielt – natürlich – die Liebe in diesem Film eine Rolle, denn die älteste Tochter Iris entwickelt Gefühle für einen Jungen aus der Nachbarschaft, der gleichzeitig auch noch als Hilfssheriff arbeitet. Man merkt ein wenig: Es ist das Remake eines mexikanischen Filmes.

Bill Sage überzeugt in seiner Rolle des vielleicht zu sehr in die Religiosität versteiften Familienvaters und auch Ambyr Childers und Julia Garner wissen sich in ein gutes Licht zu rücken. Dazu gesellt sich Kill Bill-Sheriff Michael Parks (dem die Rolle des Vaters bestimmt auch gut zu Gesicht gestanden hätte – ich erinnere nur an seine Paraderolle in Red State) als – genau: Sheriff der kleinen Stadt der mir sehr gut gefallen und auch Wyatt Russell als Love-Interest der älteren Tochter spielt jetzt nicht so schlecht wie man es vielleicht denken könnte.

In manchen wenigen Augenblicken zieht der Film sich zwar, kann aber die meiste Zeit über sein eh schon gemächlichem Tempo halten und das Finale ist dann wieder ein kleines Bonbon für jeden Horrorfilm-Fan. Kommt vielleicht nicht ganz z. B. an So finster die Nacht heran, aber was dieser für das Genre der Vampir-Filme darstellte, kann We Are What We Are für den Kannibalen-Film sein: Eine nüchterne und vielleicht realistischere Betrachtungsweise alter Genre-Typen. Oder anders ausgedrückt: Frisches Fleich im Horror-Eintopf.


USA – 2013 – 1 Std. 45 Min.
Regie: Jim Mickle
mit Bill Sage, Julia Garner, Ambyr Childers, Kelly McGillis, Odeya Rush, Michael Parks, Wyatt Russell, Nick Damici und Jack Gore
Genre: Horror, Thriller

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