Silvester 2008. Oscar Grant blickt wieder Mal auf ein enttäuschendes Jahr zurück. Er hat viele Menschen enttäuscht: Seine Freundin hat er betrogen, seine Mutter enttäuscht, als er wegen Dealens einige Monate im Knast verbringen musste und die ihn schmerzlich erinnert, wie enttäuscht seine kleine Tochter sein wird, wenn sie begreift, wo sich sein Vater gerade aufhält, seinen Arbeitsgeber, der ihn wegen notorischen Zuspätkommens gekündigt hat. Der Vorsatz für das neue Jahr: 30 Tage legal bleiben und dann seine Freundin heiraten! Oprah Winfrey sagt, dass ein Mensch 30 Tage braucht um seine Gewohnheiten zu ändern. Oscars Freundin Sophina glaubt alles was Oprah sagt. Tragischerweise wird er diese Silvesternacht nicht überleben. Die Geschichte von Oscar Grant ging wochenlang in Amerika durch die Medien und auch der Film macht aus dem Ausgang keinen Hehl, indem er gleich zu Beginn eine von vielen Original Handyaufnahme zeigt, die den tödlichen Verlauf einer Eskalation in der U-Bahn Station „Fruitvale Station“ festgehalten hat.
„Nächster Halt: Fruitvale Station“ schildert die letzten 24 Stunden von Oscar und wie er versucht sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Dessen Bemühungen bei seinem alten Arbeitsgeber scheitern dort wieder anfangen zu können, dessen Schwester ihm kein Geld mehr leihen möchte und er wieder droht in sein altes Muster zurückzufallen. Er trifft sich zum Dealen, vernichtet das Dope aber schließlich und auch sonst hält dieser Tag einige Lektionen für ihn bereit ohne jemals unauthentisch zu wirken. Das liegt vor allem an dem Einsatz von minimalistischer musikalischer Untermaltung, als auch an der Kameraführung und an den Durchweg hervorragenden darstellerischen Leistungen. Newcomer Michael B. Jordan brilliert als tragische Titelfigur, ebenso wie Freundin Melonie Diaz, Tochter Ariana Neal und Octavia Spencer, die hier ihre oscargekrönte Darstellung aus „The Help“ noch toppen kann und meines erachtens um eine Oscarnominierung betrogen wurde. Die Rückblende ihres Gefängnisbesuches oder wie sie die aufgebrachten Freunde beruhigt, als auch der bewegende Abschied von ihrem Sohn sind die unumstrittenden emotionalen Highlights, des an sich sehr stimmigen Werkes, dass erschüttert, bewegt und lange nachwirkt. So muss „großes“ Independent Kino sein. Dass es sich hierbei um das Erstlingswerk von Regisseur Ryan Coogler handelt, ist dabei umso erstaunlicher.
Wo der „Best Picture“-Gewinner „L.A. Crash“ in Bezug auf rassistisch motivierte Handlungen mit der Moralkeule schwingt, findet „Fruitvale Station“ anklagende, aber zum Teil auch versöhnliche Worte. Ein wirklich großartiger Film, dass man höchstens vorwerfen mag, dass die Titelfigur, trotz der ambivalenten und daher lebensechten Charakterzeichnung durch die Ausstrahlung von Michael B. Jordan sehr sympathisch wirkt. Das dieses Werk trotz Preisregen auf diversen Filmfestivals und den durchweg positiven Kritikerstimmen am Ende von der Oscarjury komplett übergangen wurde, ist nicht nachzuvollziehen: Film, Nebendarstellerin Octavia Spencer und das Drehbuch hätten ihre Nominierungen wirklich mal verdient gehabt.
USA – 2013 – 1 Std. 25 Min.
Regie: Ryan Coogler
mit Michael B. Jordan, Melonie Diaz, Octavia Spencer, Ariana Neal
Genre: Drama