Die letzten Festival-Filme die ich rezensieren möchte stammen beide aus Belgien und beide vom selben Regisseur: nämlich Geoffrey Enthoven, der beim „Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg“ den diesjährigen „New Master of Cinema„-Award erhalten hat.
Das ist übrigens in der Hinsicht außergewöhnlich, da er an einen klassischen Komödien-Regisseur vergeben wurde und normalerweise doch eher die großen Dramatiker solche Nimbusse erfahren.
Doch darf sich Enthoven ab sofort völlig zurecht „New Master of Cinema“ nennen, denn er ist wahrhaft ein Meister der intelligenten und witzigen Komödie. „Hasta la Vista“ und der folgende „Halfweg“ sind dabei zwei exzellente Beispiele seines Schaffens.
Philip (Robrecht Vanden Thoren), Lars (Gilles De Schrijver) und Jozef (Tom Audenaert) sind Anfang, Mitte Zwanzig und beste Freunde. Und sie teilen ein gemeinsames Schicksal: alle drei sind schwerbehindert. Philip ist seit einem Unfall vom Hals abwärts gelähmt, Jozef ist nahezu blind und Lars hat einen inoperablen Tumor an der Wirbelsäule und nur noch wenige Jahre, vielleicht sogar nur Monate zu leben.
Doch die Drei lassen sich vom Schicksal nicht unterkriegen und machen das beste aus ihrer Situation. Sie reden, lachen und trinken zusammen, am liebsten edle Weine. Nur eines liegt ihnen schwer auf der Seele. Sie hatten noch nie Sex! Doch das soll sich jetzt ändern!
Denn Philip hat im Fernsehen einen Bericht über ein Freudenhaus in Nord-Spanien „speziell für Leute wie sie“ gesehen. Und so organisieren die Freunde einen behindertengerechten Transporter samt Pfleger/Fahrer und erstellen für ihre besorgten Eltern einen bis ins Detail ausgeklügelte Reiseplan, getarnt als Weinreise durch Frankreich und Spanien. Doch kurz vor der geplanten Abreise verschlechtern sich Lars‘ Werte und so verbieten ihm seine Eltern die Reise, die Eltern von Philip und Jozef sind ebenfalls erleichtert und haben das Ganze eh nur als pure Schnapsidee abgetan.
Die Aussicht auf zwei Wochen ohne ihre überfürsorglichen Eltern und besonders auf den ersten Geschlechtsverkehr ist jedoch so verlockend, dass sie ihren Plan dennoch in die Tat umsetzen. In einer Nacht- und Nebelaktion packen sie ihre Siebensachen (Lars lässt sich von seiner kleinen Schwester helfen und Philip von Jozef) und verschwinden heimlich still und leise. Auf ihrer Fahrt werden sie von der plumpen aber gutherzigen Französin Claude (Isabelle de Hertogh) begleitet, mit der sich besonders Jozef gut versteht, die von Philip aber wie der letzte Dreck behandelt wird.
Und so beginnt für die Drei eine turbulente Reise quer durch Frankreich, während ihre Eltern auf der Suche nach ihren Söhnen sind. …
„Hasta la vista“ ist ein unheimlich witziges Roadmovie, das manchmal auch mit etwas derberem Humor daherkommt, aber niemals zotig wird. Zugleich ist es auch ein sehr warmherziger Film, der seine Figuren stets respektvoll behandelt und ein äußerst realistisches Bild schwerbehinderter Menschen zeichnet. Es wird kein einziges Klischee bedient, bzw. wenn doch mal eine Situation aufkommt wird dies sehr selbstironisch aufbereitet. Das Timing des Films ist hervorragend und besonders der Wechsel von haarsträubend komischen Szenen zu durchaus dramatischen Momenten ist perfekt gelungen.
Die Grundstory erinnert zwar ein wenig an eine Mischung aus „Knockin‘ on Heavens Door“ und „Ziemlich beste Freunde“, doch wurde bisher wohl noch nie ein so wunderschön erzählter und bebilderter Film über diese Thematik gedreht.
Die Hauptdarsteller, die im wahren Leben nicht behindert sind, spielen ihre Rollen großartig und auch de Hertogh läuft im Laufe des Films immer mehr zur Höchstform auf.
Ein echter Lichtblick am Komödienhimmel, und um Längen besser als „Ziemlich beste Freunde“ mit dem man ihn wohl noch am ehesten vergleichen kann. Das sahen auch die europäischen Kinogänger so, denn „Hasta la Vista“ konnte beim „Europäischen Filmpreis“ 2012 den Publikumspreis erringen und ließ dabei sogar Filme wie u.a. „The Artist“, „Best Exotic Marigold Hotel“ oder den bereits erwähnten „Ziemlich beste Freunde“ hinter sich! Und das nicht ganz zu Unrecht.
Belgien – 2011 – 1 Std. 55 Min.
Regie: Geoffrey Enthoven
mit Robrecht Vanden Thoren, Gilles De Schrijver, Tom Audenaert, Isabelle de Hertogh
Genre: Tragi-Komödie