Satire, Nordkorea, reale Persönlichkeiten und das Ding mit Erpressungen

Eigentlich sollte The Interview von Seth Rogen und Evan Goldberg und neben Rogen selber noch mit James Franco in der Hauptrolle am 25. Dezember in den US-Kinos anlaufen. Worum es in dem Film geht, sollte inzwischen überall bekannt sein: Rogen und Franco spielen zwei Reporter die ein Interview mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un führen sollen und ihn nach Plänen der CIA („CIA: Wir haben noch nie eine Mission gegen die Wand gefahren seit 1947“) direkt auch noch über den Jordan schicken; wenn man schon mal da ist.

Nach dem Hacker-Angriff auf die Server von Sony Pictures Ende November (der 5jährige Sony-Sicherheitschef – der nach dem damaligen großen Hackerangriff 2011 auf das Playstation-Netzwerk dem 4jährigen Sicherheitschef nachfolgte und quasi direkt nach der Geburt rekrutiert wurde („Den Job könnte ein Fötus machen!“ [Kazuo Hirai]) – wurde umgehend entlassen), flatterte Sony eine E-Mail ins Haus in der angedroht wurde, auf die Premiere von The Interview einen Anschlag zu verüben und auf weitere Kinos die den Film zeigen. Infolge dessen wurde der Starttermin Ersatzlos gestrichen.

Wie es mit dem Film weitergeht – der übrigens auch schon von deutschen Kritikern gesehen wurde und als typischer Seth Rogen-Film bezeichnet wurde – wer hätte das gedacht: Das ist doch kein hartes Drama! – steht bis jetzt noch in den Sternen.

Ist es nun wirklich so, dass Kim Jong-un so wütend über diesen Film war, dass er den Befehl erteilte dessen Premiere zu verhindern? Steckt Nordkorea wirklich hinter dem Hackerangriff? Und was sagen Aiman Abdallah und Mark Benecke zu diesem Thema? Aber um diese Fragen soll es gar nicht gehen, sondern um die Tatsache, dass es – sollte die erste Frage trotzdem positiv zu beantworten wäre – die heftigste Reaktion einer Person des öffentlichen Lebens wäre die in einem Film – ob unter ihrem echten Namen oder in Form einer Kunstfigur – auftritt.

Dazu würde ich gerne fünf Filme nennen die mir bei den Überlegungen zu dem Thema in den Sinn kamen: Citizen Kane, Boulevard der Dämmerung, Bananas, The Social Network und Inside Wikileaks – Die fünfte Gewalt.

Citizen Kane von Orson Welles handelt zwar von dem fiktiven Zeitungsmagnaten Charles Foster, war aber sehr deutlich – und nicht gerade wohlwollend – an das Leben des US-Verlegers William Randolph Hearst angelehnt der den Film schon während der Produktion versuchte zu verhindern. Wie wir wissen gelang ihm das nicht: Citizen Kane wurde für neun Oscars nominiert, gewann aber nur für das beste Original-Drehbuch (man munkelt auch dank des Einflusses von Hearst) und gilt bis heute als einer der besten Filme aller Zeiten.

Auch in Boulevard der Dämmerung von Billy Wilder wird Satire benutzt um mit dem Mittel der Fiktion das Leben einer realen Persönlichkeit zu zeigen, wenn auch deutlich mehr als in dem Werk von Orson Welles. Der interessante Punkt ist der, dass die von Gloria Swanson dargestellte Norma Desmond – ein ehemaliger Stummfilm-Star der das Aufkommen des Tonfilms nicht für sich nutzen konnte und in Vergessenheit geriet – eben auf Gloria Swanson basierte. Sie spielt sich also quasi selber, genau wie Erich von Stroheim – der den Butler der alten Dame verkörpert und mit Gloria Swanson den unvollendeten Queen Kelly drehte – eine Figur darstellt die einen ähnlichen Lebensweg in Hollywood hatte wie der aus Österreich ausgewanderte Erich von Stroheim.

Ein Film den man wohl am besten mit der Situation von The Interview vergleichen kann, ist der von Woody Allem 1971 gedrehte Bananas. In diesem spielt Woody Allen die Figur des Fielding Mellish der – mehr oder weniger ungewollt – Präsident des fiktiven lateinamerikanischen Staates San Marcos wird. Die Parallelen zu dem kubanischen Staatschef Fidel Castro sind dabei so dermmaßen offensichtlich, dass der Film wohl ebenfalls nicht in die US-Kinos gekommen wäre, wenn Castro – oder eine Verbrecherbande wie bei Sony – so reagiert hätte wie es in dem Fall von The Interview. In den USA spielte der Film übrigens 3,5 Mio. Dollar ein.

Bei The Social Network und Inside Wikileaks – Die fünfte Gewalt ist der Vorteil, dass es Filme neueren Datums sind. Während sich ersterer um die Gründung und den Aufstieg von Facebook dreht, versucht Inside Wikileaks – Die fünfte Gewalt die Geschichte von Julian Assange zu erzählen. Zwar äußerten sich sowohl Mark Zuckerburg als auch Julian Assange nicht gerade positiv über ihre Darstellung in dem jeweiligen Film – wer würde es ihnen auch übel nehmen? – verhindert haben aber auch sie den Kinostart des jeweiligen Films nicht.

Man muss sich mal folgende Sache auf der Zunge zergehen lassen: Es geht um einen Film. Fiktion. Es ist nicht so, dass Rogen und Franco wirklich nach Nordkorea reisen würden um Kim Jong-un zu töten. Es gibt also wirklich Menschen die damit drohen eine Bombe zu zünden um den Start eines Films zu verhindern, der in erster Linie unterhalten und Spaß machen soll; wie schon gesagt: Im Gegensatz zu The Social Network und Inside Wikileaks – Die fünfte Gewalt handelt es sich bei The Interview um eine Komödie, bei der wir also schon von Anfang wissen, dass man den Film nicht zu ernst nehmen sollte. Und für Sony reicht es vollkommen aus eine Droh-Mail zu bekommen um eine 70 Mio. Dollar-Produktion (fast) den Todesstoß zu verpassen und das Geld abzuschreiben.

Wenn es wirklich so ist, wäre damit ein sehr gefährlicher Präzedenzfall geschaffen der noch nicht absehbare Folgen haben könnte. Lange Schlachten vor Gericht um einen Film zu verhindern, weil man sich vielleicht in der Darstellung beleidigt fühlen könnte? Geschenkt! Eine simple Mail reicht! Wenn das Julian Assange vorher gewusst hätte, dass es so einfach ist. Man muss keine dummen Interviews führen: Man schreibt einfach eine Droh-Mail an die Presseabteilung und sofort wird ein Film aus den Kinos genommen. Es ist so einfach und so simpel!

Bevor jemand erwidert was ich denn sagen würde, wenn bei der Premiere wirklich eine Bombe hoch gegangen wäre und man das alles verhindert hätte können: Wenn wir wirklich so sehr in Angst leben würde jede Drohung sofort für bare Münze zu nehmen, dann wäre das wohl das Ende der heutigen Gesellschaft und in diesem Klima des permanenten Misstrauens und Angst haben würde wohl niemand mehr auf die Idee kommen eine Komödie zu drehen.

Natürlich muss man bei einer Drohung abwägen wie ernst man diese nimmt, aber es kann mir niemand sagen, dass das die erste Droh-Mail war die Sony Pictures bekommen hat. Alleine mit den Droh-Mails im Vorfeld jedes neuen Films von Adam Sandler könnte man sicherlich ganze Häuser tapezieren; und ich erinnere mich nicht daran, dass man jemals den Start eines Filmes von Sandler abgesagt hätte (noch nicht mal Jack and Jill konnte man wirklich verhindern, obwohl das Postfach der PR-Abteilung am glühen gewesen sein muss).

Helmut Schmidt sagte 1977: „Mit Terroristen ist nicht zu verhandeln.“. Jetzt nehme ich nicht an, dass hinter der Sony-Sache mit dem Hack Terroristen stehen, sondern ganz normale Verbrecher. Und wenn sich schon ein Staat nicht erpressen lassen sollte, nur damit eine kleine Gruppe ihren Willen durchsetzen kann, dann ein Filmstudio erst recht nicht.

Zum Abschluss möchte ich gerne noch auf eine Sache eingehen um das hier nicht so politisch aufgeladen enden zu lassen: Kim Jong-il war nicht nur der Vater von Kim Jong-un sondern auch von 1994 bis zu seinem Tod 2001 sein Vorgänger als Diktator von Nordkorea. Jetzt könnte man meinen: Wie der Vater, so der Sohn. Aber gerade in dieser ganzen Angelegenheit – und wenn wir weiter annehmen dass Kim Jong-un hinter allem steckt – stimmt der Spruch nicht ganz. Denn wie Michael Moore im achten Kapitel seines Buch Stupid White Men aus dem Jahre 2001 schreibt, war Kim Jong-il wohl ein begeisterter Filmfan mit einer Privatsammlung von mehr als 15.000 Videos; worunter sich wohl auch verdammt viele Pornos befunden haben sollen. Außerdem schaute er sich jeden Film an, der in Nordkorea gedreht wurde.

Am bekanntesten aber dürfte seine „Nebenrolle“ in Team America: World Police gewesen sein, auch wenn es nur im Form einer Marionette war. Dieser Film startete übrigens auch normal in den Kinos und ich halte den Humor von Trey Parker und Matt Stone für sehr viel bissiger und politischer als den von Seth Rogen und Evan Goldberg. Denn so sehr ich den Humor von Rogen und Goldberg auch mag: South Park würde bei den beiden ganz anders aussehen.

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