Ein halbes Jahr nach der Osarverleihung ist allmählich jeglicher aussichtsreiche Kandidat im Kino angelaufen oder bereits auf DVD erschienen. In den letzten Wochen habe ich mich vermehrt darauf konzentriert möglichst alle Golden Globe- oder für den Oscar nominierte Filme gesehen zu haben, damit ich möglichst objektiv für unsere Golden Globe- und Oscarwahl voten kann! Auch sind einige Werke dabei, die im Vorfeld gehörigen Oscar Buzz hatten, aber letztendlich auf der Strecke geblieben sind – ob zurecht oder ungerechterweise könnt ihr hier nachlesen!
Baymax – Riesiges Robuwabuhu (OT: Big Hero 6)
So muss Marvel! 😉 Jedenfalls, wenn es nach Disneys Animationsschöpfer Don Hall, Chris Williams (Winnie Puuh, Bolt – Ein Hund für alle Fälle) und nach mir geht! Baymax ist ein überdimensional großer Roboter, der sich mit seinem jungen Schöpfer Hiro Hamada einer Gruppe von sechs Superhelden anschließt, um die japanische Nation zu schützen, in der seltsame Dinge passieren…
Das die Grundgeschichte nicht neu ist dürfte klar sein, aber gepaart mit jeder Menge sympathischer Nebencharaktere und ernsterem Background bezüglich Hiro kann der Film ordentlich punkten und hebt sich vor allem durch viel Herz vom Marvel-Einheitsbrei ab. Disney kann erstmals nach dem unterschätzten RAPUNZEL – NEU VERFÖNT sein starkes Niveau halten. Auch wenn mit DER LEGENDE DER PRINZESSIN KAGUYA und SONG OF THE SEA noch etwas stärkere Animationsfilme im Oscarrennen lagen, ist der letztendliche Oscargewinn von BAYMAX nicht unverdient. Ich habe viel gelacht, konnte mitfiebern, die Animation ist wahnsinnig Detailverliebt und durchweg gelungen und einige Male hatte ich Tränen in den Augen – was will man mehr?
Oscar:
- Bester Animationsfilm
Golden Globe-Nominierung:
- Bester Animationsfilm
Big Eyes
Tim Burton verfilmt das Leben seiner Lieblingsmalerin Margaret Keane (Amy Adams), die zusammen mit ihrem Ehemann Walter Keane (Christoph Waltz) in den 50er Jahren hauptsächlich durch Kinderzeichnungen mit großen, weit geöffneten Augen Berühmtheit erlangte bzw. sollte man an dieser Stelle vielleicht betonen, dass vielmehr Walter die Bilder profitabel an den Markt bringt, da Frauen als Künstler zu der Zeit noch nicht geschätzt wurden. Als ihre Ehe zerbricht beginnt ein Kampf um das Vermögen…
Was für ein Film hätte dieses Material in den Händen von Sam Mendes werden können, der in AMERICAN BEAUTY und ZEITEN DES AUFRUHRS bewiesen hat, wie man ein Charakterdrama perfekt mit einer Milieustudie verbinden kann. Tim Burton verzichtet angenehmerweise auf seine überdrehte Optik eines Films, doch schafft er es kaum Tiefe in sein Biopic zu bringen. Warum Margaret zu Beginn des Films flieht erspart er uns genauso wie eine tiefere Auseinandersetzung mit ihrer Kunst, die für viele nur gnadenloser Kitsch bedeutet. Auch dominiert das hell-heitere Farbkonzept das komplette 107-minütige Werk. Dunkelheit sucht man nahezu vergebens. Lediglich die Demütigungen der Geschlechterrollenverteilung vor gerade mal 50 Jahren werden aufgegriffen, doch diese sind weder filmtragend, noch irgendwie neuartig.
Das große Defizit dieser filmischen Annäherung liegt leider in der fehlenden Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern Adams und Waltz. Während Amy Adams Margaret sehr fragil verkörpert, lässt Tim Burton Christoph Waltz viel Raum zum Overacten. Was in einem Tarantino wunderbar funktioniert wirkt hier leider völlig überzogen und daher unecht.
Nach einem recht soliden Anfang verliert sich der Mittelteil leider in Nebensächlichkeiten und Oberflächlichkeiten. Da tröstet auch das „Finale“ im Gerichtssaal nur bedingt. Auch werden die wunderbaren und zu Unrecht übergangenen Songs „I can fly“ und „Big Eyes“ von Lana del Rey im Abspann bzw. in einer beiläufigen Filmsequenz verramscht, anstelle sie an einen passenden Wendepunkt der Geschichte zu platzieren, damit sich diese Szenen ins Gedächtnis brennen. BIG EYES ist kein vollkommenes Desaster geworden, aber schon ein Versäumnis auf vielen Ebenen, um daraus einen wirklich starken, (selbst)kritischen und nachhaltigen Film zu schaffen. Schade.
Golden Globe:
- Beste Hauptdarstellerin (Musical oder Komödie)
Golden Globe-Nominierung:
- Bester Hauptdarsteller (Musical oder Komödie)
Cake
Claire (Jennifer Aniston) ist chronisch krank und süchtig nach Schmerzmitteln. Ihr Mann hat sie nach den Spätfolgen eines Autounfalls verlassen und sie versucht mithilfe einer Selbsthilfegruppe wieder Fuß zu fassen. Als sich Nina (Anna Kendrick), die zu der Gruppe angehörte, sich das Leben nimmt, kann sie nicht verstehen warum sie ihren Sohn freiwillig zum Halbwaisen gemacht hat. In nahezu besessener Manier gräbt sie nach Details zum Selbstmord und freundet sich diesbezüglich sogar mit Ninas Mann Roy (Sam Worthington) an, wobei allmählich nicht nur Ninas, sondern auch Claires Vergangenheit an die Oberfläche kommt…
Jennifer Aniston, die man sonst eher aus leichten Komödien kennt beweist mehr als Eindrucksvoll was für eine fantastische Schauspielerin doch in ihr schlummert. Sie ist das Herzstück des Films und trifft in jeder Szene nicht nur den richtigen Ton, sondern verkörpert ihren Seelenschmerz erschreckend authentisch wieder. Dass sie von der Foreign Press und der Schauspielvereinigung der Screen Actors Guild es unter die besten 5 Darstellungen geschafft hat ist für mich inzwischen durchaus als verdient zu erachten, hätte ihr sogar definitiv den Spot von Felicity Jones bei den Oscars gewünscht. Auch mehr Zuspruch hätte ich mir für Adrianna Barazza als mexikanische Haushälterin gewünscht, die eine starke Präsenz im Film hat und am Ende mit einer ganz starken, gar oscarreifen Szene aufwartet. Sam Worthington liefert eine nicht ganz so ausdrucksstarke Leistung ab, verstecken muss er sich allerdings auch nicht, ebenso wenig das Ehepaar Felicity Huffman und William H. Macy, die in ihrer minimalen Screentime einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Ganz so stark wie die Darsteller ist das Drehbuch zwar nicht geworden, aber durchaus wartet es mit vielen guten Dialogen und einer priesen schwarzen Humor auf, so dass die bedrückende Thematik etwas aufgelockert wird von Zeit zu Zeit. Völlig unnötig sind allerdings die Traumsequenzen mit der von mir nicht sonderlich geschätzten Anna Kendrick, die wie ein Fremdkörper wirkt und für einen klaren Punktabzug führt. Nichtsdestotrotz war ich vom Gesamtbild mehr als Positiv überrascht.
Golden Globe Nominierung:
- Beste Hauptdarstellerin (Drama)
Die Legende der Prinzessin Kaguya (OT: Kaguyahime no monogatari)
Die Legende ragt um ein winziges Baby, das von einem alten Bambus-Sammler in einer Knospe entdeckt und großgezogen wurde. Er und seine Frau ahnen nicht, dass sie die Tochter des Mondes ist, sind nur über ihr schnelles heranwachsen zu einer wunderschönen Frau überrascht. Alsbald halten fünf Adlige um ihre Hand an, doch zuvor soll ein jeder von ihnen eine schier unlösbare Aufgabe bestehen…
Isao Takahata (Die letzten Glühwürmchen) adaptiert eines der ältesten und bekanntesten japanischen Märchen und zeichnet sich vor allem durch seinen ungewöhnlichen Stil aus, der seine Figuren und Landschaften nur skizzenhaft und wie mit Tusche gezeichnet bebildert. Dazu erklingt ein wunderschöner Score, der den Zuschauer durch Bilderwelten voller wunderschöner Poesie trägt und uns Gefühle voller Sehnsucht, Freiheit, Größe, Anmut und Kraft liefert, die nur das Hause Ghibli so kraftvoll zu schenken vermag. Während traurige und zornige Sequenzen drastisch und roh wirken, sind Heitere bunt und anmutig und dabei so detailverliebt. Die Charaktere hingegen wirken absolut real, sind mit viel Hingabe gezeichnet und ergründen das menschliche Dasein ohne dabei plakativ zu wirken. Ein Meisterwerk dessen ungewöhnlich lange Laufzeit fast wie im Flug vergehen, sofern man emotional bereit ist auf diese Reise zu gehen!
Oscarnominierung:
- Bester Animationsfilm
Fräulein Julie (OT: Miss Julie)
In der August-Strindberg-Verfilmung von der schwedischen Schauspiellegende und Ingmar Bergman Muse Liv Ullman mimt Jessica Chastain eine junge Adelige im Irland um 1890, die in einer Mittsommer-Nacht den Hausdiener ihres Vaters zu verführen versucht, obwohl dieser bereits verlobt ist und sie durch ihres unterschiedlichen Standes weit über ihm steht. Das sonst so starre Klassensystem fängt an zu bröckeln und ein (Macht)Kampf der Geschlechter beginnt…
Das Kammerspiel erschien 1888 und behandelt thematisch vor allem die Standes- und Machtunterschiede, sowie Liebe. Obwohl das Dreiergespann Jessica Chastain, Colin Farrell und Samantha Morton mit beeindruckenden Leistungen aufwartet, muss man sich sehr lange gedulden bis das Werk an Fahrt aufnimmt. Da hätte ich schon fast den Film abgeschaltet, da kommt das Werk mit einem wuchtigen Storytwist um die Ecke, infolge die Schauspieler endlich richtig aufdrehen können. Von da an hatte der Film mich ganz auf seiner Seite und vielleicht wäre eine Zweitsichtung auch für die erste Hälfte im Nachhinein sinnvoll.
Am Ende bleibt ein brillantes Abschlussbild, welches man so auf der Bühne hätte so gar nicht inszenieren können und die Gewissheit, dass Jessica Chastain derzeit zu einer, wenn nicht zu der talentiertesten Darstellerin unserer Tage gehört, die endgültig in den Hollywood gekrönt gehört!
Get on up
Nachdem Ray Charles und Johnny Cash bereits filmisch mit einem Biopic geadelt wurden, legt THE HELP-Regisseur Tate Taylor für James Brown ein längst überfälliges Werk nach, welches leider kaum die Beachtung gefunden hat, die er verdient gehabt hätte.
Chadwick Boseman, der durch mir noch durch 42 – DIE WAHRE GESCHICHTE EINER SPORTLEGENDE äußerst Positiv im Gedächtnis geblieben war und vielfach Beachtung bei den Kritikern fand, beeindruckt durch eine fesselnde, gar gigantische Vorstellung des „Godfather of Soul“, wie James Brown zu Lebzeiten schon genannt wurde. Vergleicht man Archivaufnahmen (die zahlreich bei Youtube einsehbar sind), ist es vor allem der außergewöhnliche Sprachduktus und die Art seiner Tanzbewegungen, die Boseman nahezu perfekt beherrscht. Bei den wichtigsten Frauenfiguren setzt regisseur Tate Taylor ganz auf seine THE HELP-Darstellerinnen Viola Davis und Octavia Spencer, wovon besonders Davis positiv zu erwähnen ist. Wenn sie die Leinwand betritt, wird Schauspielkino vom Allerfeinsten geboten. Aber auch die männlichen Nebenrollen sind u.a. mit Dan Akroyd als Präsident einer der größten Talentagentur New Yorks und einem wunderbaren Cameo von Brandon Smith als Little Richard wunderbar besetzt. Inhaltlich umfasst das Biopic seine in ärmlichen Verhältnissen verlebte Kindheit, den frühen Verlust seiner Mutter, die Entdeckung seiner Liebe zur Musik innerhalb von Gefängnismauern bis zum Durchbruch in den 60er Jahren durch seinen ganz eigene Mischung aus Funk und Soul, sowie sein privates Versagen durch Schlägereien, Pöbelleien und seiner Kokainsucht.
GET ON UP ist ein starker kraftvoller Film, den man unbedingt im Original schauen sollte, denn nur da kommt das unglaubliche Spiel von Chadwick Boseman auch wirklich rüber, die deutsche Tonspur verhunzt die Eigenart seines Sprechens leider komplett. Lediglich die Zeitsprünge zerhacken den Film etwas, doch dies Vorgehen fällt angesichts des Gesamtergebnisses kaum ins Gewicht, zu authentisch wirken die Darsteller, das Set Design, die Kostüme und das Einbinden von aktuellen Geschehnissen wie die Ermordung von Martin Luther King. Auch brauch er Vergleiche mit RAY und WALK THE LINE nicht zu scheuen. Leider ist man wohl seit dem Oscartriumpf von 12 YEARS A SLAVE mit Filmen schwarzer Thematik durch oder warum haben weder THE BUTLER, noch GET ON UP, noch MANDELA (bis auf eine popelige Song-Nominierung), noch FRUITVALE STATION keine Beachtung bei der Oscarjury gefunden?
Inherent Vice – Natürliche Mängel (OT: Inherent Vice)
BOOGIE NIGHTS, MAGNOLIA und THERE WILL BE BLOOD sind Meilensteile in Paul Thomas Andersons Œuvre. THE MASTER wies wieder gewohnt oscarwürdige Leistungen seiner Darsteller aus, doch auf narrativer Ebene war er schon eher ein Brocken für sich. Auch von INHERENT VICE kann man ähnliches behaupten. Zwar ist die Geschichte um den Privatdetektiv Larry, der wieder famos von Joaquin Phoenix dargestellt wird und von seiner Ex-Freundin beauftragt wird ihren verschwundenen Liebhaber zu finden, nicht so zäh erzählt, aber im ganzen Wirrwarr – wer mit wem und warum – kann man schon mal den faden verlieren. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass nicht nur in dem Film viel gekifft wird, sondern auch Anderson selbst bei der Drehbuchadaption von Thomas Pynchons 2009 veröffentlichtem Roman sicher den einen oder anderen Shit geraucht hat! 😉
Neben dem grandiosen Cast, zu dem sich auch ein herausragender Josh Brolin und Newcomerin Katherine Waterson gesellen, ist es vor allem der 70er-Jahre-Retrolook der fasziniert. Warum er abermals das Filmmaterial auf satte 2,5 Std. zusammengeschnitten hat, lässt sich nur damit erklären, dass sich Anderson wie sein Protagonist Doc Sportello auf eine ungelöste, intuitive Reise begibt, die sich auch auf formeller Ebene widerspiegelt und hinsichtlich der Kriminalgeschichte inkl. Gesellschaftskritischen Untertönen bei näherer Betrachtung äußerst komplex- und wohl erst durch eine Zweitsichtung gänzlich zu erfassen ist.
Oscarnominierung:
- Bestes adapt. Drehbuch (Paul Thomas Anderson)
Liebe geht seltsame Wege (OT: Love is strange)
Ben und John, ganz famos verkörpert durch John Lithgow und Alfred Molina, sind seit fast 3 Jahrzehnten ein Paar und beschließen in Manhatten zu heiraten. Doch kaum kehrt das frisch vermälte Glück aus ihren Flitterwochen zurück, verliert George aufgrund seiner Heirat seinen Job als Chorleiter einer katholischen Schule. Nur mit Bens Rente alleine, können sie sich ihr Apartment nicht mehr leisten und müssen ausziehen – vorübergehend zumindest. Ben zieht zu seinem Neffen und dessen Frau (Marisa Tomei) und George zu zwei schwulen Cops nebenan…
In der Regel sind Filme mit einem homosexuellen Hintergrund schwermütig und voller Kummer, Schmerz überladen, schildern Selbstfindung und der Umgang der Gesellschaft mit dem Thema, LIEBE GEHT SELTSAME WEGE ist aber anders. Recht unaufgeregt wird die Handlungsebene abgetragen und auf große theatralische Momente verzichtet. Dass der Film dennoch so gut funktioniert liegt an den beiden Protagonisten die zusammen einfach grandios harmonieren und den Film auf wunderbare Weise tragen. Ein großes Plus zudem, dass hier ein älteres Paar gezeigt wird, dass durch dick und dünn geht. Jeder Kuss, jede Umarmung wirkt nicht nur absolut authentisch, sondern sind ein Paradebeispiel für eine lebenslange Liebe, die durch Dick und dünn geht. Einfach wunderbar, auch wenn der komplette Film an sich vielleicht etwas zu glatt und harmonisch geraten ist, aber möchte man dieser kleinen Perle dies wirklich zum Vorwurf machen? Ich denke nicht!
The Homesman
THE HOMESMAN basiert auf dem einem preisgekrönten Roman aus dem Jahr 1998, den Paul Newman mit sich in der Hauptrolle verfilmen wurde. Leider verstarb er 2008 und das Projekt lag lange unverfilmt in einer Schublade. 2014 verfilmte Oscarpreisträger Tommy Lee Jones das Projekt letztendlich und inszenierte sich neben der zweifachen Oscarpreisträgerin Hilary Swank als raubeinigen Scout, die zusammen eine Gruppe von Frauen, die nach ihrem Zusammenbruch dem Wahnsinn verfallen sind, an die Ostküste zurückgeführt werden sollen, um in einem Sanatorium bessere Pflege zu bekommen…
Das Leben im frühen Westen der USA war hart, vor allem für unverheiratete Frauen wie Mary Bee Cuddy. Trotz ihrer rauen furchtlosen Schale stößt auch sie auf dieser Reise an ihre Grenze. George Briggs, den sie vom Galgenstrick losschneidet, begleitet sie auf der Reise von Nebraska bis nach Iowa, auf der ihnen Indianer, Siedler und Schneestürme begegnen. Dazu erklingt ein fabelhafter Score vom zweifach-oscarnominierten Marco Beltrami (The Hurt Locker, Todeszug nach Yuma), den man gut und gerne auf mehr Nominierungslisten hätte vorfinden können. Das Herzstück des Films ist aber Hilary Swank, die mit einer sehr guten Leistung aufwartet. In einem weniger starken Darstellerinnenjahr hätte sie es sicherlich ins finale Line-up geschafft. Zwar bereichert Lee Jones Werk das Westerngenre mit der Schilderung der Aufopferungsbereitschaft weiblicher Pioniere, doch das Gesamtergebnis ist für meinen Geschmack dann doch etwas zu fade ausgefallen, um bei den großen Westernklassikern mitspielen zu können – einen schlechten Film hat er aber keineswegs abgeliefert.
WILD TALES – Jeder dreht mal durch! (OT: Relatos Salvajes)
Bei WILD TALES handelt es sich um einen argentinischen Ensemble- und Episodenfilm, der es dieses Jahr sogar unter die letzten 5 Kandidaten und damit auf die Nominierungsliste des „besten fremdsprachigen Films“ bei den Oscars geschafft. Ein kleines Wunder, wenn ihr mich fragt, da es sich um einen sehr morbiden, schwarzhumorigen Film handelt, dessen Geschichten nicht miteinander verknüpft sind und es normalerweise nicht bis in die Endrunde schaffen. Lediglich die Tatsache, dass eine oder mehrere Personen ausrasten dient hier als Grundthematik, die jeweils mit mehr oder weniger schwarzem Humor erzählt wird.
Die erste Episode hat es gleich in sich, denn diese erinnert sehr stark an den Absturz der Germanwings Maschine aus diesem Jahr und aus der Tatsache heraus könnte der Auftakt für einige schon sehr geschmacklos sein, doch WILD TALES ist definitiv vor dem Absturz abgedreht worden. Man sollte über diesen Beigeschmack hinwegsehen, denn der Auftakt hat es in sich und ist so richtig schön bitterböse!
In der zweiten Episode geht es ebenfalls um Rache, als ein ehemaliger Peiniger in das einsam gelegene Restaurant zu Speisen wünscht. Wie leicht wäre es ihn mit Rattengift aus dem Weg zu räumen denkt sich die resolute Köchin, die absolut köstlich von Rita Cortese gespielt wird. Doch Gewissensbisse lassen ihre Kollegin hadern, so dass die Köchin erstmal ihre Überredungskünste walten lassen muss… Was hab ich da gelacht!
In der dritten Episode geht es sogar noch eine Spur krasser zu, als sich zwei fragile Autofahrer auf einer verlassenen Straße in den argentinischen Anden auf ein tödliches Duell einlassen.
Die vierte Kurzgeschichte handelt von einem Sprengmeister, der sich vom lokalen Abschleppdienst ungerecht behandelt fühlt. Die argentinische Schauspiellegende Ricardo Darín (In ihren Augen) verkörpert den Mann, der im Kampf mit den Behörden sogar seine Ehe riskiert.
In der vorletzten Episode handelt von einer schwerreichen Familie, dessen Sohn aus Affekt Fahrerflucht begangen hat und das Familienoberhaupt nun alles daran setzt die Tat zu vertuschen.
Im „Finale“ geht eine Traumhochzeit richtig schön in die Binsen, als die Braut vom Seitensprung ihres Mannes erfährt. Neben der dritten Episode wohl die Beste. Nicht nur richtig bitterböse, sondern auch herausragend gespielt von Erica Rivas.
Neben den allgemein sehr guten Darstellungen sticht die hervorragende Kameraarbeit und die stets passende musikalische Untermalung positiv hervor. Schade, dass Episode 5 so abrupt endet, da wäre definitiv noch mehr Luft gewesen, ansonsten kann ich wie Stephan auch schon WILD TALES nur Jedem ans Herz legen, der Spaß an bitterbösen Satiren hat. Ihr werdet Eure Freude haben!
Oscarnominierung:
- Bestes fremdsprachiger Film
Winterschlaf (OT: Kis Uykusu)
Der ehemalige Schauspieler Aydin leitet gemeinsam mit seiner Ehefrau Nihal und seiner Schwester Necla, die unter ihrer frischen Scheidung leidet, ein kleines Hotel in Anatolien und gilt aufgrund seines Vermögens als einflussreicher Mann. Dieser schreibt aber lieber an einem Buch über das türkische Theater, während die Kluft zwischen ihm und seiner deutlichen jüngeren Frau immer größer wird. Als der Winter hereinbricht, kommt es zwischen den drei sehr unterschiedlich denkenden Menschen zu allerlei verbalen Zündstoff und Machtspielen untereinander…
Der Goldene Palme Gewinner aus dem Jahr 2014 des türkischen Regisseurs Nuri Bilge Caylan (Once upon a Time in Anatolia) besticht durch betörende Dialoge, die wie aus einer der Federn der größten Schriftsteller entstammen sein könnten. Wie es der Film schafft trotz einer Lauflänge von 196 (!) Minuten und keiner politischen Problemhandlung so kurzweilig zu wirken, darf schlicht als kleines Wunder gelten. WINTERSCHLAF legt wird auf seine Charaktere und lässt uns dank seiner allesamt preiswürdigen Darsteller tief in ihr Seelenleben blicken. Als Motiv zieht sich das gegenseitige Missverstehen durch das Werk. Die Landschaften drücken die Befangenheit ihrer Figuren aus und werden nur selten durchbrochen. Das Kammerspiel im Hotel gleicht einer filmischen Offenbarung, welches man nicht verpassen sollte. Ein meisterhaftes Werk, welches Ingmar Bergman stolz gemacht hätte und dank seiner lebensnahen philosophischer Exkurse noch lange nachwirkt!
Cannes:
- Goldene Palme (Bester Film)