In diesem Kalenderjahr macht sich die Anwesenheit des alljährlichen, inzwischen fest etablierten „Sommerloches“ allem Anschein nach besonders erbarmungslos bemerkbar, denn angesichts eines spärlichen Filmangebotes liegt mein letzter Kinobesuch in Form der Neuverfilmung von „Die Schöne Und Das Biest“ bereits weitaus mehr als ein Quartal zurück. Heute jedoch wurde ebendiese Durststrecke von einem, im hiesigen Arthaus-Programm vorgeführten Film beendet, dessen lyrisch klingender Titel allein ein gewisses Maß an Neugier hervorrief. In seinem erst zweiten Leinwandwerk namens „Die Schlösser Aus Sand“ bebildert Regisseur Olivier Jahan die schwierige Beziehung der getrennt lebenden Mittdreißiger Éléonore und Samuel zueinander, die nach dem Tod eines Familienmitgliedes an die nordwestliche Küste Frankreichs reisen, um das elterliche Haus zu verkaufen. Was bezüglich der Handlungsstruktur zunächst wie eine klassische Literaturverfilmung anmutet, basiert jedoch erfrischender Weise einmal auf einem Originaldrehbuch und überzeugt in turbulenten, dynamischen Zeiten durch ein ungemeines Gespür für Ruhe, Wehmut, Tragikomik und Unsentimentalität.
Im Heimatland bereits im späten Lenz von 2015 erstveröffentlicht, dauerte es ganze zwei Jahre, bis man sich zu einem deutschen Kinostart durchringen konnte, was als großes Glück zu erachten ist und einen mit gewisser Dankbarkeit erfüllt. Eingebettet in die malerisch eingefangene Imposanz der Bretagne, bildet der Anderthalbstünder nicht nur eine gelungene und kurzweilige Genremischung, sondern bleibt seiner fokussierten, gleichwohl unaufgeregten Manier durchgängig treu, welche womöglich insbesondere jene Zuschauer anspricht, die analog zu den Protagonisten ebenfalls eine schmerzhafte Trennung hinter sich haben oder aber den unvermeidlichen Zorn über das Ableben eines Elternteils empfinden. Obschon das Gebotene nicht immer gänzlich ohne die Bedienung moderater, genretypischer Vorhersehbarkeiten auskommt, lässt der gewinnbringende Charme und die Ungewöhnlichkeit des Erzählstils sowie der Dialoge ebendieses Manko schnell verzeihen. Dadurch fügen sich rhetorische Mittel wie das Liebäugeln mit Rückblenden und Offstimmen nach und nach perfekt in die Konsequenz der Inszenierung ein, die neben zwischenmenschlichen Konflikten und Vorbehalten auch einen willkommenen Schuss Erotik entfalten. Trotz eines insgesamt geradezu sparsamen Einsatzes von Musik wirken die vorhandenen Arrangements absolut meisterhaft an und stellen neben der darstellerischen Qualität einen weiteren Pluspunkt dar. In optischer Hinsicht erinnert Hauptdarstellerin Emma de Caunes unverkennbar an ihre bekannte Landsfrau Audrey Tautou und liefert dessen ungeachtet eine zutiefst nachfühlbare, präsente und mühelose erscheinende Performance. Neben gelungenen Nebendarstellerleistungen liegt die schauspielerische Eleganz vor allem jedoch in der überzeugenden Interaktion der Hauptdarstellerin mit dem überaus attraktiven und smart agierenden Belgier Yannick Renier begründet, welchen man ebenfalls in einer sehenswerten und überaus vielschichtigen Darbietung erleben kann.
Letzten Endes tritt dieser kleine, erwachsene und bittersüß-romantische Arthaus-Film den Beweis an, dass unsere westlichen Nachbarn das Filmmedium nach wie viel stärker als kunstvoll-poetische Ausdrucksform begreifen und nicht nur als bloße Einnahmequelle, sodass man sich ein Werk wie dieses auch votrefflich als Beitrag für den Oscar als „Bester Fremdsprachiger Film“ hätte vorstellen können. Wenngleich die stimmige und hoffnungsvoll angelegte Produktion sich unbestreitbar an ein anspruchsvolles Publikum richtet und daher einmal mehr ohne große Wirkung an der Majorität vorbeziehen dürfte, wirft es die unaufdringliche, aber essentielle Frage auf, ob es nicht jene innigen, zu früh aufgegebenen Partnerschaften sind, denen man irgendwann geradezu schmerzlich nachtrauert…