Dunkirk

© Warner Bros. Entertainment

Am 10. Mai 1940 zog Hitler in die westlich von Nazideutschland liegenden Länder ein und drang seine Feinde zurück. Hunderttausende britische und alliierte Truppen wurden am Strand von Dünkirchen eingeschlossen und befanden sich in einer ausweglosen Situation. Hier beginnt Christopher Nolans 10. Film und beschreibt die Rettungsaktionen zu Land, zu Wasser und zu Luft in 3 parallel laufenden Erzählsträngen – und genau darin liegen meiner Meinung nach die Pros und Contras seiner filmischen Annäherung…

Nolan versucht in „Dunkirk“ den größtmöglichsten Impakt zu dem Zeitpunkt aufzubauen, wenn sich alle 3 Erzählstränge kreuzen, doch diese Erzählform hat vielleicht in anderen Werken gut funktioniert, bei einem „Kriegsfilm“ der die Zuschauer emotional mitreißen möchte, ist eine zentrale Hauptfigur unabdingbar, wie man hier exemplarisch sieht oder warum sonst haben unter anderem „Der Pianist“, „Schindler´s Liste“, „Der Soldat James Ryan“ so gut funktioniert? Dabei war der Ansatz gut, denn Newcomer Fionn Whitehead, den wir im ersten Abschnitt zu Land und später auch zu Wasser folgen, weiß in der Interaktion mit anderen Darstellern seiner Figur Tiefe zu verliehen, welches das Drehbuch größtenteils gar nicht vorsieht. Wir erfahren von seiner Vergangenheit nichts und wir werden auch von seiner Zukunft, bzw. seiner Motivation seines Handels, die jeder gut geschriebene Charakter haben sollte, nichts erfahren. So verhält es sich leider bei jeder Figur in „Dunkirk“, so dass die Handlung an sich uns in eine negative Grundstimmung versetzt, aber deren Ableben nur selten berührt.

Natürlich kann man argumentieren, dass Nolan hier versucht Niemanden herauszuheben, dass es im Krieg keinen Platz gibt jemanden hervorzuheben, da im Krieg Jeder imgrinde gleich ist und alle nur gleichermaßen versuchen zu überleben. Narrativ gesehen ist dies aber kein kluger Schachzug gewesen, wie es die negativen Kritiken von „Dunkirk“ beschreiben. Die zumeist lobenden Worte zielen in der Regel auf den technischen Aspekte ab, denn hier kann man Nolan keinen Vorwurf machen. Alles ist auf absolut höchstem Niveau anzusiedeln und sorgt auch in meiner Wertung dafür, dass „Dunkirk“ nicht im unteren Bewertungsfeld landet. Epische Bilder, starke Sequenzen, sowas liegt Nolan einfach. Herausragend vor allem die tonale Ebene. Hier wird „Dunkirk“ sicherlich auch die Oscars in der kommenden Awardseason einfahren. Doch leider stellt sich die Frage auch, ob Nolan wirklich etwas über die Ereignisse von Dunkirk erzählen möchte oder ob er nur einen Rahmen gesucht hat um seine technische Finesse Ausdruck zu verleihen.

© Warner Bros. Entertainment

Das vielleicht größte Manko stellt für mich Hans Zimmers öhrenbetäubender Score dar. Von Filmmusik kann hier schlicht und ergreifend nicht die Rede sein. Zimmer neigt eh schon dazu zu überdramatisieren, in „Dunkirk“ scheint er eine 107-minütige Actionsequenz vertonen zu wollen und lässt den Zuschauer nicht einmal durchatmen. Dabei hätten einige Szenen sicherlich eine größere Wirkung erzielt, wenn auch mal ruhige Töne angeschlagen worden wären. Wenngleich seine Filmscores oft dazu neigen sich grandios anzuhören, zeichnen sich die besten Filmkomponisten meiner Meinung nach eher aus, wenn sie die gezeigten Filmszenen mit ihren Klängen unterstützen, um den Wirkungskreis zu erhöhen und nicht den Zuschauer Emotionen aufdrücken, welche die gezeigten Bilder gar nicht hergeben. Hier jedoch kleistert er jede Filmszene gänzlich zu, so dass weder Motive erkennbar sind, noch dass der Zuhörer die gezeigten Filmabschnitte emotional differenzieren kann. Ob gerade um das Leben gerungen wird, eine Strickleiter hochgehangelt wird oder ein Gespräch geführt wird, alles wird mit derselben pathetischen monotonen Soundkulisse unterlegt. Da wäre ein Wechsel zu Dario Marianelli, Alexandre Desplat oder Thomas Newman sicherlich gewinnbringender gewesen.

Um wieder positivere Worte zu verlieren: Christopher Nolan übt keine Schwarz-Weiß-Malerei aus, es gibt kein Gut- und kein Böse, jede Figur wird nahezu gleich behandelt und eiskalt von der Bildfläche gestrichen. So wie es im Krieg eben auch passiert. Es gibt keinen Gewinner, nur Verlierer mit geringeren Verlusten. Alles wirkt eher dokumentarisch als erzählerisch. Wenn man so an den Film herangeht und sich von der technsichen Seite her beeindrucken lässt, dann erfüllt Dunkirk die Erwartungen, wenn man aber nachhaltig berührt sein möchte, dann sollte man sich die fünfminütige Dunkirk-Sequenz aus „Abbitte“ zu Gemüte führen, die 100 Mal mehr Wirkung erzielt, als die 107 Minuten „Dunkirk“ zusammen, die gerade in den Lichtspielhäusern zu sehen sind.

Auch bleibt die Frage, warum Nolan seine filmische Version mit so vielen Top-Darstellern wie Mark Rylance, Kenneth Branagh, Tom Hardy und Cillian Murphy besetzt hat, wenn von ihm doch jeder auf gewisse Art gleich behandelt wird und deren Figuren kein Profil erhalten und beliebig austauschbar sind. Da wäre eine reine Besetzung von Newcomern vielleicht auch authentischer gewesen. Bleibt abschließend nur noch zu erwähnen, dass „Dunkirk“ für mich trotz der teilweise harschen Worte kein schlechter Film ist, allerdings ist er weit von dem Meisterwerk entfernt, welches manche Kritiker und Kinogänger in ihm sehen. Seine Defizite sind schlichtweg kaum wegzudiskutieren. Auf technischer Ebene ist Nolan aber wieder ein starkes Werk gelungen, ich hätte mir nur gewünscht, dass er hier auch imstanden gewesen wäre, eine starke Geschichte zu erzählen.

USA 2017 – 107 Minuten
Regie: Christopher Nolan
Regie: Action / Drama / History
Darsteller: Fionn Whitehead, Mark Rylance, Tom Hardy, Kenneth Branagh, uva.
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