Widows – Tödliche Witwen (OT: Widows)

© 20th Century Fox

Trotz eines renommierten Teams aus Filmschaffenden vor und hinter der Kamera sowie eines überdurchschnittlich positiven Kritikertenors konnte Steve McQueens inzwischen vierter Spielfilm überraschenderweise keine einzige Nominierung im Rahmen der 76. Verleihung der „Golden Globes“ ergattern. Die deutsche Untertitelung generierte außerdem ambivalente Erwartungen, denn diese suggerierte, als würde es sich im Falle von „Widows – Tödliche Witwen“ eher um Thriller-Ware von der Stange handeln. Aber: Weit gefehlt! In vielen Belangen hebt sich die wohldosierte Mixtur aus Drama und Gangsterthriller von der üblichen Spartenkost ab und überzeugt nicht nur dank einer raffiniert gestalteten Spannungskurve und handwerklicher Güte, sondern funktioniert obendrein als akzentuierte, hypnotische Milieustudie rund um Kriminalität, Korruption und notgedrungene Solidarität inmitten einer exemplarischen, US-amerikanischen, (sub-)urbanen Gesellschaft im Untergrund.

© 20th Century Fox

Die allererste Regiearbeit von McQueen ohne die Beteiligung von Michael Fassbender schildert den lukrativen, jedoch misslungenen Überfall einer Chicagoer Ganovenbanede, der vier Frauen unversehens am Grab ihrer Ehemänner und als zwangsweise Schuldnerinnern in Millionenhöhe zurücklässt. Dass das Drehbuch von keiner Geringeren als Gillian Flynn stammt, merkt man dem kaltschnäuzigen, kompromisslos dialogierten Resultat förmlich an, denn es treten wiederholt Similaritäten zum Stil von „Gone Girl“ zutage. Inhaltlich werden sowohl genderspezifische, rassenmotivierte als auch regionalpolitische Aspekte miteinander kontrastiert, dabei jedoch atmosphärisch dichte Atempausen gewährt und die Fragestellung beleuchtet, wie weit Drangsalierung den Menschen inmitten einer Zwangsgemeinschaft bringen kann. Obwohl manche Elemente ein wenig mutwillig anmuten und der Schlussakt nicht frei von narrativer Abruptheit ist, mutet das Gebotene dennoch trotz ausgedehnter Laufzeit nicht nur hochspannend an, sondern bietet obendrein einen Twist, den wohl selbst die meisten Genrefans nicht hätten erahnen können. Während die Kameraperspektiven und die Szenenwechsel die Düsterheit verstärken, ist vor allem der Schnitt geradezu meisterhaft gelungen und auch der Titelsong von Sade kann mit lobenden Worten bedacht werden. Wenngleich das aus fünf oscarnominierten Darstellern, inklusive zwei Gewinnern, bestehende, hochkarätige Ensemble sowohl unbestreitbare Highlights als auch moderate Schwachstellen offeriert, bleiben vor allem die präsenten Darbietungen der Protagonistinnen Viola Davis und Elizabeth Debicki sowie starke Kurzauftritte von Jackie Weaver und Robert Duvall im Gedächtnis, während Michelle Rodriguez bedauerlicherweise als Fehlbesetzung zu identifizieren ist.

© 20th Century Fox

„Widows“ darf seit dem vergangenen Donnerstag in den hiesigen Lichtspielhäusern einer Betrachtung unterzogen werden und bildet summa summarum einen energetischen, emanzipatorischen Genrebeitrag, der den Zuschauer wiederholt schockiert, im selben Maße aber auch bestens zu unterhalten imstande ist. Trotz eines geringfügigen Hanges zur Überambitioniertheit unterstreicht das Thrillerdrama nicht zuletzt, dass das Publikum von McQueen in Zukunft vermutlich noch Einiges erwarten darf.

USA / UK 2018 – 130 Minuten
Regie: Steve McQueen
Genre: Thriller / Drama
Darsteller: Viola Davis, Elizabeth Debicki, Cynthia Erivo, Michelle Rodriguez, Liam Neeson, Colin Farrell, Robert Duvall, Kevin J. O’Connor, Daniel Kaluuya, Jackie Weaver, Brian Tyree Henry, Lukas Haas
Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Awards, Filme, Kino, Oscar Contender, Reviews, Was läuft im Kino und getaggt als , , , , , . Fügen Sie den permalink zu Ihren Favoriten hinzu.