Adelaide und Gabe Wilson wollen mit ihren beiden Kindern Zora und Jason etwas Abstand zum Alltag gewinnen und reisen in ihr Strandhaus nach Nordkalifornien. Doch die vermeintliche Idylle wird jäh getrübt als eines Nachts vier Gestalten in der Einfahrt stehen, die ihnen optisch zum verwechseln ähneln und mörderische Absichten haben…
Die Erwartungen an den Nachfolger von Regisseur und Autor Jordan Peele, der im vergangenen Jahr mit dem Oscar für sein Drehbuch zu „Get out“ geadelt wurde, war schier unermesslich. Vor allem nachdem der Trailer uns einen knallharten Horrorschocker versprochen hat, indem die 90er Black-Weed-Hymne „I got 5 on it“ von Luniz als Vorbote des Schreckens umkomponiert wurde. Darauf muss man erst einmal kommen! Dieser Song wird für die Meisten wohl nie wieder derselbe sein, vor allem nicht wenn man sieht wie er im Film noch einmal aufgegriffen und mit der Handlung verschmilzt. Für mich DER Höhepunkt des gesamten Werkes!
Leider schafft es Peele nicht durchweg diese Brillanz zu erzielen. Doch gibt es noch einige Höhepunkt mehr, wie den Prolog und die Szenen im Spiegelkabinett, die jedoch durch Plotlöcher (über die man eigentlich auch bei besten Willen nicht hinweg sehen kann) und „unpassenden“ Humor (etwa, wenn Adelaines Doppelgängerin das erste Mal spricht oder wenn an diese in einem sehr unpassenden Moment anfängt zu pfeifen), der die meisten Zuschauer aus dem sorgfältigen Spannungsaufbau immer wieder herausreißt. Zumindest hat man dies deutlich dem Kinopublikum angemerkt, die es teils auch lautstark äußerten oder sogar vor Filmende gegangen sind.
An Peeles Regie liegt es definitiv nicht, diese ist Erstklassig, voller Ideen und Zitaten von diversen Horrorklassikern, aber ein inhaltlich abgerundeteres Drehbuch hätte „Wir“ gut getan. Dies ist beim Vorgänger besser gelungen. Die Grundidee ist definitiv gelungen, vor allem auf der Metaebene, der sich gesellschaftskritisch mit den Oberflächlichkeiten des gehobenen Mittelstandes auseinandersetzt. Peele möchte wohl zuviel: Home Invasion-Horror, Zombie-Apokalypse, Gesellschaftssatire und am Ende einen Twist, der M. Night Shyamalan in Entzücken versetzen würde.
Insgesamt ist es ein Film, der die Gemüter spaltet wie kein Anderer in den letzten Jahren. Das Marketing war so unglaublich clever, dass dieser geschickt die Massen ins Kino mit den Erwartungen ins Kino gelockt hat, dass es sich um einen knallharten Horrorschocker handelt, dem Publikum dann aber seine beißende Gesellschaftskritik um die Ohren haut. Kein Wunder, dass der Normalbürger sich genervt abwendet.
Der Erfolg gibt Jordan Peele recht: Alleine in der USA hat er nach 3 Wochen über 150 Mio. Dollar eingespielt und wird von den Kritikern gefeiert. Vor allem Oscarpreisträgerin Lupita N´yongo (12 Years a Slave) wird als darstellerisches Standout immer wieder genannt, die endlich nach ihrem großen Triumph von vor 5 Jahren zeigen kann, dass sie mühelos einen ganzen Film auf ihren Schultern tragen kann. Nach Toni Collette (Hereditary) und Essie Davis (Babadook), die für ihre Rollen mit etlichen Kritikerawards ausgezeichnet wurden, wäre es mal wieder Zeit, dass eine „Horrordarstellung“ für den Oscar vorgeschlagen wird. Wenn es einem gelingt dann Jordan Peele, der auch schon Daniel Kaluuya (Get out) zu einer Oscarnominierung verholfen hat.
Fazit: „Wir“ hat Momente, in denen er zu den Besten seines Genres zählt (Der innere und äußere Kampf mit den inneren Dämonen in der Ballettszene ist eine glatte 10/10 für mich) und mit seinen Metaphern, Symbolen und Sinnbildern erreicht er fast schon die Dimension eines David Lynchs (Twin Peaks). Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass das Doppelgänger-Thema und die damit einhergehende beißende Gesellschaftskritik besser ausgefeilt wäre und man auf einige (lächerliche) Szenen verzichtet hätte. Dennoch schafft Peele es mich auch Tage nach dem Kinobesuch gedanklich zu beschäftigen und dies ist weitaus mehr als das es die meisten Filme in der letzten Zeit geschafft haben.