Sound of Metal

Sound of Metal mit Riz Ahmed
©Amazon Prime

Im Leben von Ruben (Riz Ahmed) dreht sich alles um die Musik. Gemeinsam mit seiner Freundin Lou (Olivia Cooke) ist er Teil des Heavy-Metal-Duos Blackgammon, tourt durch das ganze Land, geht auf der Bühne immer ans Limit. Doch dieses Leben hat einen hohen Preis, wie er eines Tages feststellen muss: Sein Gehör hat sich rapide verschlechtert, es ist nur eine Frage der Zeit, bis er vollkommen taub ist. Sein Arzt rät ihm daraufhin, Abstand von der Musik zu nehmen, von allem, was irgendwie laut ist und sein Gehör gefährdet. Doch für Ruben kommt das nicht in Frage, er setzt seine Hoffnungen lieber in eine Operation. Billig wird die aber nicht, 40.000 bis 80.000 Dollar wird das kosten. Und das ist nicht das einzige Problem…

Es ist natürlich eine Binsenweisheit. Aber eine, die sich immer wieder bestätigt: Manchmal muss man etwas erst verlieren, bis man es wirklich wertschätzen kann. Das kann beispielsweise liebgewonnene Menschen betreffen, die wir urplötzlich verlieren oder auch soziale Sicherheiten, die wegbrechen, wie uns das Jahr bzw. leider gesagt die Jahre der Corona-Pandemie es auf erschreckende Weise vor Augen führt. In dem Amazon Prime Video Drama Sound of Metal ist es nun das Gehör, das durch zu viel laute Musik überstrapaziert wurde und irgendwann in kurzer Zeit verschwindet. Ein Verlust, der für viele gar nicht so richtig vorstellbar ist. Was bedeutet es, wenn man sein Umfeld nicht mehr hören kann? Wenn auf einmal Kommunikation mit anderen Menschen mindestens stark beeinträchtigt wurde, wenn nicht gar unmöglich ist?

Bildergebnis für Sound of Metal Paul Raci
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Regisseur und Co-Autor Darius Marder zeigt dies anhand eines Menschen, bei dem der Verlust besonders schwer wiegt: Ein Musiker, der nichts mehr hören kann. Schlimmer kann es da kaum kommen. Hier geht es eben nicht nur um ungewohnte Einschränkungen im Alltag, mit denen jemand umzugehen lernen muss. Vielmehr wird da eine ganz grundsätzliche Existenzfrage gestellt. Wer bin ich, wenn ich nicht mehr das ausüben kann, was sonst mein Leben bestimmte? Was macht mich dann noch aus? Wenn Ruben zunächst die Erfahrung und die Hiobsbotschaft verdrängt, lieber den Kopf in den Sand steckt und darauf hofft, dass es einfach so irgendwie besser wird, dann ist das vielleicht nicht sonderlich schlau. Verständlich ist es aber schon.

Ohnehin ist es eine der großen Stärken von Sound of Metal, wie hier das Innenleben des Protagonisten nachvollziehbar und spürbar gemacht wird. Ein Mittel dafür ist das Sound Design, welches die eigene Wahrnehmung von Ruben imitiert und immer wieder seine Perspektive einnimmt. Das Ergebnis ist eine Abfolge von Ton und Stille, später wird es noch eine Reihe von Irritationen geben. Geräusche, die man vorher noch für ganz selbstverständlich nahm, werden zu einem Fremdkörper, so als würde man ihnen das erste Mal begegnen. Die Erfahrung der Taubheit wird nicht nur für die Hauptfigur zu einer neuen Erfahrung, auch das Publikum daheim wird dazu angehalten, in sich hineinzuhören, das eigene Bewusstsein zu schärfen für das, was man hört – oder eben nicht hört.

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Das wurde mit Emmy-Gewinner Riz Ahmed (The Night of) fabelhaft besetzt. An seiner Figur wird nicht nur der Wechsel von laut zu leise festgemacht. Er verkörpert einen Mann, der ständig unter Strom steht, der die Auftritte braucht, um sich lebendig zu fühlen, und deshalb in der Stille verloren ist. Für den ehemaligen Abhängigen bedeutete Musik ein Ventil, um seine inneren Dämonen herauszutrommeln. Ein Rausch, der einen anderen Rausch ersetzt hat. Sound of Metal ist die Geschichte eines komplexen Mannes sowie einer fragilen Beziehung, die in Ritualen ihr Glück fand und dieses nun neu definieren muss. Die Begegnungen von Ruben und Lou sind von Angst vor den eigenen Abgründen geprägt, aber auch von einer berührenden Zärtlichkeit.

So etwas kann schnell kitschig oder manipulativ werden, ein Film, der sich an dem Leid ergötzt und dieses dann tränenreich auflöst. Doch auch in der Hinsicht schlägt das Drama ganz leise Töne an. Schön ist dabei zudem, wie Taubheit nicht einfach als zu überwindendes Übel dargestellt wird. Ein großer Teil von Sound of Metal handelt davon, wie Ruben inmitten einer Gehörlosen-Community ein neues Zuhause findet, zum Teil auch zu sich selbst findet. Marder fördert auf diese Weise nicht nur Verständnis für die Situation der Betroffenen, sondern ermuntert zu mehr Offenheit in alle Richtungen und mehr Bewusstsein, losgelöst von Normen und Erwartungen. Ein wirklich großartiger Film, der Zurecht bei den Critics Choice Awards für Film, Hauptdarsteller, das Drehbuch, Filmschnitt und Nebendarsteller Paul Raci nominiert wurde und auch dieselben Oscarnominierungen einfahren sollte, plus der herausragenden Tonarbeit, für den es gefällst den Oscar geben sollte. Zum Abschluss soll an dieser Stelle noch auf die starken Leistungen des gesamten Casts hervorgehoben werden. Besonders natürlich Kritikerliebling Paul Raci und Olivia Cooke, sind neben der Oscarreifen Leistung von Riz Ahmed erwähnenswert und bilden das Herzstück des Films.

USA 2020 – 121 Minuten
Regie: Dariusz Marder
Genre: Drama
Darsteller: Riz Ahmed, Olivia Cooke, Paul Raci, Mathieu Almaric, Lauren Ridloff, Chelsea Lee, Domenico Toledo,  Chris Perfetti, uva.
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