Soul

Soul
©The Walt Disney Company Germany GmbH

Schon immer träumte Joe Gardner davon, einmal wie sein Vater als Jazz-Pianist auf der Bühne zu stehen. Doch das Leben hatte andere Pläne: Anstatt Karriere zu machen, schlägt er sich als Musiklehrer herum, unterstützt von seiner zunehmend genervten Mutter, die sich für ihn endlich etwas Solides wünscht. Da scheint sich der Traum doch noch zu erfüllen. Ausgerechnet die Jazz-Legende Dorothea Williams bietet ihm einen Platz in ihrer Band an! Dummerweise kommt es aber ausgerechnet an diesem Tag zu einem Unfall. Während Joes Körper nun auf der Intensivstation liegt, ist seine Seele bereits auf dem Weg ins Jenseits. Das wiederum sieht der Musikfanatiker nicht ein, schon gar nicht am Tag seines größten Triumphes! Um diesem Schicksal zu entkommen, geht er einen Pakt mit 22 ein, einer noch ungeborenen Seele, die bisher noch jedem Angebot widerstanden hat, auf die Welt zu kommen…

Die Filme von Pixar zeichneten sich schon immer dadurch aus, dass sie stärker als die Werke von Disney, DreamWorks Animation und den anderen großen Studios tatsächlich die ganze Familie bedienen wollen. Während die Grundgeschichte in der Regel sehr einfach und für Kinder gut verträglich ist, finden sich auch immer Nebenthemen oder versteckte Witze, die für Erwachsene gedacht sind. Die Mischung ist meist gelungen, so dass am Ende beide Seiten auf ihre Kosten kommen. Das weckt gewisse Erwartungen an den Inhalt. Erwartungen, die Pete Docter und sein Co-Regisseur Kemp Powers aber meiner Ansicht nach nicht wirklich erfüllen.

Soul
©The Walt Disney Company Germany GmbH

Bei Soul versucht man diese Balance zwar auch, doch die Gewichtung hat sich spürbar verschoben. Auch wenn es zwischendurch immer wieder humoristische Szenen gibt, die wohl für den Nachwuchs gedacht sind (Stichwort Katze), sie sind diesmal in der Minderheit, welches vor allem an dem Hauptthema liegen mag. Existenzielle Fragen wurden bei Pixar natürlich immer schon gestellt. Doch während beispielsweise die Wichtigkeit von Trauer in Alles steht Kopf oder der Umgang mit Tod in Coco – Lebendiger als das Leben noch nahe genug an der Erfahrungswelt von Kindern waren, geht es in Soul um nichts Geringeres als den Sinn des Lebens. Auch das kann für ein junges Publikum wertvoll sein, wenn sich der Film indirekt gegen die Idee der Leistungsgesellschaft wendet – unter der zunehmend schon Kinder zu leiden haben. Die Aussage des Films ist schließlich, dass ein Leben nicht notwendigerweise durch große Taten lebenswert wird, sondern durch die kleinen Momente und das Zwischenmenschliche, welches im Falle von der Figur Joe etwas ist, dass bei seiner Jagd nach dem Traum in Vergessenheit gerät.

Dennoch dürften die wenigsten Kinder diese Transferleistungen herstellen können. Den größten Eindruck wird Soul vielmehr bei Menschen hinterlassen, die selbst schon im mittleren Alter sind, die einiges erlebt haben und sich fragen müssen: War es das wert? Was habe ich eigentlich erreicht? Auch wenn das Thema der Midlife-Crisis nie direkt angesprochen wird, wird es doch kunstvoll in die größere Frage eingebaut, wozu es die Menschen überhaupt gibt. Eine solche Themenstellung ist in einem Animationsfilm natürlich etwas unerwartet. Da dürften manche etwas irritiert sein, auch wenn Docter und sein Team diese Punkte in ein traditionelles Abenteuer gepackt haben und dabei viel Wert auf den Unterhaltungsfaktor legten. Auf diesen Film muss man sich stärker einlassen können als es bei den anderen Werken von Pixar der Fall ist, die komplexe Themen alltagstauglich verpackten.

Soul
©The Walt Disney Company Germany GmbH

Wer das aber kann, selbst über den Sinn des Lebens nachgrübelt, für den ist Soul ein schöner und bewegender Film, der visuell überragend und dabei doch voller kreativer Einfälle ist. Allein schon die Darstellung der Stadt mit ihren vielen Details ist ein Fest fürs Auge. Beeindruckend ist auch, wie hier sichtlich daran gearbeitet wurde, die vielen Facetten des afroamerikanischen Lebens abzubilden, ohne sich zu sehr auf Klischees oder Stereotype zu versteifen. Denn letztendlich geht es in dem Film darum: Hier wird das Leben in allen Formen und Farben gefeiert, wird das Individuelle betont, ohne daraus die üblichen Zwänge abzuleiten. Vielmehr ist das hier eine Aufmunterung, rauszugehen, Leute zu treffen, für alles und jeden offen zu sein, dem man begegnet. Darin ist nicht nur die Antwort verborgen, wer man selbst ist, sondern auch eine Anleitung zum Glücklichsein.

Fazit: Auf Produktionsseite überragend, hat der Film mich leider nicht so sehr gepackt wie andere Pixar-Klassiker. Auch, dass die Gewichtung des Zugangs bei Soul deutlich zum Erwachsenen Publikum gerückt ist, aber dies mit besonders albernen Figuren versucht wieder wett zu machen, trübte mir das Sehrvergnügen zusehens. Dafür entschädigt aber neben der herausragenden detailverliebten Optik der gleichermaßen überragende, wie vielfältige Score von Trent Reznor, Atticus Ross und Jon Baptiste, für den alle 3 schon jetzt einen Platz für einen Oscar bereitstellen können. Erwartungsgemäß wird es einen weiteren für den „Besten Animationsfilm“ geben, auch wenn dies langsam zum Selbstläufer verkommt und Tomm Moore für Wolfwalkers als Alternative mal ins Auge gefasst werden sollte, der sowohl mit seinem Regiedebüt Brendan und das Geheimnis von Kells (2009)dem Nachfolger Die Melodie des Meeres (2014), als auch als Produzent von Der Brotverdiener (2017) für den Oscar nominiert war und auch dieses Jahr wieder nominiert sein wird. Schaut doch mal über den Tellerrand hinaus, liebe Academy!

USA 2020 – 100 Minuten
Regie: Pete Docter
Genre: Animation / Adventure / Comedy
Sprecher: Jamie Foxx, Tina Fey, Graham Norton,  Philicia Rashad, Angela Bassett, Rachel House, uva.

 

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