In den 1950ern gehören Lucille Ball (Nicole Kidman) und Desi Arnaz (Javier Bardem) zu den ganz großen Stars des US-amerikanischen Fernsehens. Zig Millionen Menschen schalten jede Woche ein, um vom komischen Alltag des Paares zu erfahren, welches in der Sitcom I Love Lucy die Eheleute Ricardos spielt. Doch während vor den TVs die Zuschauer und Zuschauerinnen regelmäßig in Gelächter ausbrechen, ist die Stimmung am Set ziemlich angespannt. So gilt es nicht nur die Gefahr abzuwenden, dass Lucille als Kommunistin gebrandmarkt wird. Sie ist zudem schwanger, was die Planungen ziemlich durcheinanderbringt, da niemand etwas davon erfahren soll. Und als wäre das nicht alles schon stressig genug, kriselt es auch in der Ehe von Lucille und Desi…
Drehbuchautor Aaron Sorkin ist in erster Linie für zwei Dinge bekannt: 1. Messerscharfe Dialoge, die gerne mal ins Sarkastische gehen. 2. Historische Persönlichkeiten und Ereignisse, die er sezieren kann. In seinem Oscar gekrönten Skript für The Social Network rückte er Facebook-Guru Mark Zuckerberg auf die Pelle. Bei Steve Jobs war es der gleichnamige Visionär von Apple. In Der Krieg des Charlie Wilson folgen wir einem texanischen Abgeordneten, der sich in den Krieg zwischen Afghanistan und Russland einmischt, aus nicht ganz uneigennützigen Gründen. Zuletzt erinnerte er in The Trial of the Chicago 7 an die Farce von 1968, als Demonstranten gegen den Vietnamkrieg drakonisch bestraft werden sollten, um die Proteste schon im Keim zu ersticken.
Mit Being the Ricardos schien er sich auf den ersten Blick einem im Vergleich recht harmlosen und weniger kontroversen Thema zuzuwenden. Während I Love Lucy in den 1950ern zwar ein echter Straßenfeger war und zu einem Meilenstein der Sitcom-Historie wurde, waren die Geschichten um ein Paar und deren Freundeskreis dann doch eher ein Fall von netter Unterhaltung, die nirgends anecken wollte. Also nichts, was man mit Sorkin in Verbindung bringen würde. Erst auf den zweiten Blick zeigt sich, dass in dem Stoff doch deutlich mehr Potenzial ist. Der von Amazon produzierte Film wird bei ihm nicht allein zum Porträt eines Paares, das in der Unterhaltungsindustrie tätig war. Vielmehr werden die Ereignisse aus deren Leben zu einem Spiegel der Gesellschaft.
Auch das kann unterhaltsam sein, wie die Passage um Lucilles Schwangerschaft zeigt. Da wird über die absurdesten Methoden nachgedacht, wie sich der Bauch der Protagonistin verstecken lässt. Schließlich galt das Thema Kinderkriegen im Fernsehen seinerzeit als Tabu. Das ist natürlich irgendwie grotesk, wenn gleichzeitig noch das Bild in der Gesellschaft geläufig war, dass Frauen vor allem zu Hause bleiben sollten, um Kinder zu kriegen. Being the Ricardos wird da zu einem Ankläger der US-amerikanischen Bigotterie. Ebenfalls eine größere Rolle spielt der Verdacht, dass Lucille Kommunistin sein könnte, was in der damaligen Zeit den öffentlichen Tod bedeutete. Sorkin kritisiert an diesen Stellen nicht nur die Politik des Landes, sondern auch die Bedeutung der Medien, die sich solchen Hetzkampagnen beteiligen.
Mit der Sitcom selbst hat das natürlich wenig zu tun. Sorkin selbst soll auch selbst zu Protokoll gegeben haben, wenig mit I Love Lucy anfangen zu können. Das merkt man Being the Ricardos dann auch an. Der Regisseur und Drehbuchautor ist so sehr damit beschäftigt, die hässlichen Seiten der Produktion, der beteiligten Personen und der damaligen Gesellschaft aufzuzeigen, dass dabei völlig auf der Strecke bleibt, warum die Serie denn so beliebt war. In dem Drama wird die Komödie zu einem derart hart umkämpften und zynischen Geschäft, dass der Spaß völlig auf der Strecke bleibt – sowohl für die Akteure innerhalb der Serie wie auch das Publikum daheim vor den Bildschirmen. Der Film ist auch auf seltsame Weise emotionslos, selbst innerhalb der Ehe.
Dabei sind die Figuren für sich genommen schon stark und zudem beeindruckend gespielt. Nicole Kidman in der Rolle der schauspielernden Geschäftsfrau erhielt für ihre Darstellung der Lucille Ball ihre bislang 16. Nominierung (!) für einen Golden Globe einheimsen und sollte ihre längst überfällige 5. Oscarnominierung erhalten. Javier Bardem bekommt im Vergleich etwas weniger zu tun, fügt sich aber nahtlos in das prominente und talentierte Ensemble ein. Auch wenn Being the Ricardos vielleicht nicht die Brillanz früherer Werke von Sorkin hat und an der einen oder anderen Stelle ein wenig zäh wird, sehenswert ist die Zeitreise in die 1950er dennoch. Vieles hat sich seither natürlich verändert, sowohl innerhalb der Gesellschaft wie auch im Showgeschäft. Aber es ist doch spannend, die Wechselwirkung aus beidem zu sehen, zumal manche Rückschlüsse selbst 70 Jahre später nichts an Aktualität eingebüßt haben.