Die Oscarverleihung steht in den Startlöchern und Everything Everywhere all at Once scheint in 4 Kategorien als Frontrunner ins Rennen zu gehen, inkl „Bester Film des Jahres“. Ich habe vorab alle nominierten Filme in der Königskategorie geworfen und stelle fest, dass dieses Jahr die meisten Filme ihren Platz unter den Top 10 verdient haben. Doch in welcher Reihenfolge? Für mein Ranking versuche ich möglichst viele Faktoren mit einzubeziehen – nicht nur den eigenen Geschmack, obwohl bei solchen Listen natürlich auch subjektive Anteile mitschwingen. „Bester Film“ ist für mich bsp. die Zusammenführung von Inszenierung, mitsamt aller akustischer und visueller Mittel, schauspielerischen Leistungen, Drehbuch und Zeitgeist.
Im Anschluss würde ich mich freuen, wenn ihr Euer Ranking und Eure Gedanken im Kommentarfeld posten würdet! Ich bin mir fast sicher, dass Eure Listen teilweise ganz anders aussehen – nur Mut! Ich habe mir die Entscheidungen nicht leicht gemacht und hoffe gut abgewogen zu haben! Unterhaltsam sind alle 10 nominierten Werke für mich – einen richtigen Stinker konnte ich nicht ausmachen, allerdings sind einige unter meinen Erwartungen geblieben und ich hätte mit über Filme wie Aftersun und The Whale unter den Nominierten gefreut! Los gehts!
10 AVATAR: DER WEG DES WASSERS
Viele Jahre sind vergangen, seitdem die Na’vi erfolgreich die Menschen von ihrem Planeten Pandora vertrieben haben. Jake Sully ist einer der wenigen, die bleiben durften, und lebt nun selbst in Gestalt eines NA’vi in den Wäldern seiner neuen Heimat. Gemeinsam mit Neytiri, den Kindern Kiri, Neteyam, Lo’ak und Tuktirey sowie dem Menschenkind Spider führen sie ein beschauliches Leben – bis zu dem Tag, an dem die Menschen zurück sind und erneut versuchen, den Planeten zu unterwerfen…
Der erste Teil war seinerzeit ein Event, der zweite ist es zum Teil auch, allerdings mit angezogener Handbremse, auch wenn die Fortsetzung wieder mit überwältigenden Bildern einer fremden Welt und fantasievollen Kreaturen aufwartet, täuscht Cameron kaum darüber hinweg, dass die Geschichte noch dünner ist als beim Vorgänger. So wirkt es vielmehr, dass der Film mehr an der eigenen Technik interessiert ist als an den 08/15-Familiendramen und dem seltsam unsinnigen Krieg. Bezeichnend, dass in der heutigen Zeit sowas reicht, um einen Milliardenumsatz zu generieren.
09 ELVIS
Kann man viel Neues über Elvis Presley erzählen? Wohl kaum. Für den australischen Regisseur Baz Luhrmann ist der Mann fürs Finanzielle Colonel Tom Parker der richtige Aufhänger. Ob man dem „echten“ Sänger mit der Schmalzlocke dadurch näher kommt, ist eine andere Frage. Das Tom Hanks seine wohl schwächste Leistung seiner Karriere abliefert macht es dem Zuschauer nicht gerade leicht eine emotionale Verbindung bei dem Schnittgewitter zu Elvis aufzubauen. Dankenswerter Weise ändert sich nach einer knappen Stunde die Tonart und der Film gewinnt an Ruhe und Tiefe.
Produktionstechnisch und Darstellerisch ist dem Film nichts vorzuwerfen. Austin Butler spielt sich die Seele aus dem Lieb und obwohl er optisch kaum dem Original gleicht, schafft er es den Spirit des King einzufangen. Nicht ohne Grund zählt er nach dem Golden Globe und BAFTA Gewinn als heißer Oscarkandidat. Schade, dass so ein durchwachsenes Werk herausgekommen ist. Da sind einige Regieentscheidungen nicht ganz aufgegangen. Aber ganz so grottig, wie viele ihn machen ist er dann auch nicht. Das der Film bunt, schrill und eher opulent sein wird, war doch irgendwie erwartbar – eben ein typischer Luhrmann.
08 DIE AUSSPRACHE
Der Schock ist groß bei den Frauen einer mennonitischen Gemeinschaft, als sie feststellen, dass die Männer sie systematisch betäubt und vergewaltigt haben. Die Schuldigen wurden zwar verhaftet und fortgebracht, jedoch ist klar, früher oder später werden die Peiniger wieder zurück sein. Was also tun? Eine Gruppe von Frauen treffen sich auf dem Heuboden, um dort das weitere Vorgehen zu beratschlagen. Während die einen bleiben und für die Verbesserung ihrer Situation kämpfen wollen, sehen andere nur die Möglichkeit, die Gemeinschaft zu verlassen und ohne die Männer an einem neuen Ort von vorne zu beginnen…
Das ist harter Stoff und geht mit vielen Themen und Fragen einher, ist zudem erstklassig besetzt, allen voran Claire Foy, Jesse Buckley, Ben Wishaw und Rooney Mara. Auch die Filmmusik von Oscarpreisträgerin Hildur Gudnadóttir (Joker) kann sich wirklich hören lassen. Einzig, dass man der Romanadaption anmerkt, dass diese eher für ein Bühnenstück gedacht ist und auch nicht so sehr in die Tiefe geht, wie es die einzelnen Punkte verdient hätten, kann man mitunter kritisieren. Eine intensive Erfahrung ist das Werk von Sarah Polley aber dennoch und hätte auch noch die ein oder andere Darstellernominierung verdient gehabt.
07 TRIANGLE OF SADNESS
Es sollte für die beiden Models Carl und Yaya ein schöner Urlaub werden, als sie die Einladung zu einer Luxuskreuzfahrt annehmen. Den haben sie auch dringend nötig, nachdem sie sich kurz vorher kräftig gestritten haben und erst einmal wieder zueinander finden müssen. Und das versuchen sie, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt sind, sich für die Instagram-Fotos zu inszenieren. Aber auch an Bord des Schiffs kommt es zu Reibungen und Meinungsverschiedenheiten. Während sie mit sich beschäftigt sind, ahnen sie nicht, dass das Schiff auf eine Katastrophe zusteuert…
Triangle of Sadness ist eine weitere sehenswerte Satire von Ruben Östlund. Wenn er uns mit auf eine Kreuzfahrt nimmt, bei der die unterschiedlichsten Leute zusammenkommen, dann ahnt man, dass wird heiß hergehen. An Themen mangelt es dabei nicht. Eigentlich sind es sogar so viel, dass der Film gelegentlich durch die Gegend irrlichtert und dabei nicht immer das beste Gespür für Balance hat. Aber einige Szenen sind so absurd und herrlich grotesk, dass sich das Anschauen lohnt, zumal das große Ensemble sehr gute Leistungen zeigt, in der vor allem Dolly deLeon und Zlatko Buric zu erwähnen sind.
06 THE FABELMANS
Als Sammy Fabelman das erste Mal einen Kinofilm sieht, bedeutet das für ihn der Schritt in eine neue aufregende Welt. Doch das bloße Anschauen reicht ihm nicht, er entscheidet auch selbst welche drehen zu wollen. Dabei werden seine Ambitionen von Mal zu Mal größer, er bezieht auch immer mehr Menschen in seine Werke mit ein. Doch während er darin seine Berufung zu finden geglaubt hat und er eine Möglichkeit sieht, seine Träume umzusetzen, gerät sein Elternhaus in eine Schieflage. Als sie gemeinsam in eine neue Stadt ziehen, wo der Vater einer beruflichen Aufstiegschance folgt, hat besonders Sammy mit der Situation zu kämpfen…
Steven Spielberg gibt mal wieder seiner nostalgischen Seite hin. Mit The Fabelmans verarbeitet er seine eigene Familiengeschichte und ist zu gleichen Teilen Coming-of-Age-Drama, sowie cineastische Liebeserklärung. Dabei zeigt der Film die Welt in all seiner Schönheit und Hässlichkeit, beschwört die heilende Kraft der Fantasie und erinnert an das gemeinschaftliche Erlebnis, sowohl beim Filmdreh wie auch beim Anschauen. Vor allem die erste Hälfte weiß dank der großartigen Darstellungen von Michelle Williams und Newcmer Gabriel LaBelle zu begeistern, während der Film mit zunehmender Laufzeit leider etwas faseriger wird und einen Sonntagnachmittagfilm aus den 90er erinnert.
05 TOP GUN: MAVERICK
Pete „Maverick“ Mitchell ist im Cockpit eine absolute Legende, eine große Karriere war ihm dennoch nie vergönnt. Mehr als 30 Jahre später hat er noch immer den Rank eines Captains inne. Sein Hang zu halsbrecherischen Manövern und seine Abneigung gegenüber Befehlen ist daran nicht ganz unschuldig, wie er gern bei Testflügen demonstriert. Dass er auf Anweisung seines alten Freundes und Rivalen Iceman noch einmal als Ausbilder arbeiten und eine Gruppe junger Piloten auf eine gefährliche Mission vorbereiten soll, passt ihm daher so gar nicht. Vor allem weil Lt. Bradley „Rooster“ Bradshaw Teil dieser Gruppe ist, mit dem ihn die Vergangenheit verbindet…
Oft verschoben, kam Top Gun: Maverick tatsächlich dieses Jahr ins Kino und hat diese vor dem Ruin bewahrt. Der Film selbst ist auch deutlich besser, als man erwarten durfte. Inhaltlich darf man zwar kein Wunderwerk erwarten, dafür sind die Figuren erneut zu eindimensional. Aber es macht Spaß, bei den halsbrecherischen Flugmanövern zuzuschauen. Hinzu kommt das gut aufgelegte Ensemble, das sich bei den dramatischen wie den überraschend komischen Szenen keine Blöße gibt. Hat die Nominierung verdient.
04 TÀR
Die weltberühmte Dirigentin Lydia Tár arbeitet an einer Aufführung von Mahlers 5. Symphonie und hat ein Buch veröffentlicht, wofür sie Werbung macht. Nach außen befindet sie sich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, privat jedoch kriselt ihre Ehe mit der Violinistin Sharon, mit der sie ein Kind großzieht. Es kommt zur Eskalation, als Lydia Tár von der neuen Cellistin Olga fasziniert ist und zudem von dem Selbstmord einer jungen Musikerin erfährt, zu der sie ein enges Verhältnis hatte…
Tár folgt einer Frau, die als Dirigentin Großes geschaffen hat und gleichzeitig rücksichtlos das Leben anderer zerstört. Der Film ist dabei eine ambivalente Auseinandersetzung mit #MeToo und Cancel Culture, die es dem Publikum nicht leicht macht. Überbrückt man das eher schleppende erste Drittel, beginnt ein entfesselter Rausch mit einer weiteren großartigen Performance von Cate Blanchett, die hier die Balance aus Charisma und Eiseskälte mitbringt und am Sonntag ihren 3. Oscar erhalten könnte.
03 IM WESTEN NICHTS NEUES
Die Freude ist groß bei Paul Bäumer und seinen Klassenkameraden, als sie den Weg an die Front antreten. Dort wollen sie gegen die französischen Truppen kämpfen und dabei ihr Vaterland ehrenvoll vertreten. So haben sie sich das zumindest vorher ausgemalt. Kaum dort angekommen, müssen sie jedoch feststellen, dass der Kampf sehr viel weniger heroisch ist. Tag für Tag sterben in den Schützengräben Männer, ohne dass die deutsche Armee auf diese Weise nennenswert vorankäme. Monate später dauern die Kämpfe noch immer an, der deutsche Staatssekretär Matthias Erzberger steht dabei vor einer schweren Aufgabe. Schließlich wissen alle, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen ist. Doch der Preis für einen Waffenstillstand ist hoch…
Im Westen nichts Neues reduziert den Romanklassiker fast ausschließlich auf die Erfahrungen an der Front und ist auch bei der Figurenzeichnung minimalistisch. Aber es gelingt der Adaption sehr gut dabei, die Sinnlosigkeit des Krieges zu veranschaulichen, wenn zweieinhalb Stunden lang ein in Grau erstarrter Tod durch die Schützengräben streift, unentwegt Opfer sucht und nichts davon einen Unterschied macht. Für satte 9 Oscars nominiert, wie kein deutscher Film zuvor. Die Daumen sind gedrückt!
02 THE BANSHEES OF INISHERIN
Pádraic Súilleabháin kann kaum glauben, was da geschieht. Eigentlich wollte er seinen besten Freund Colm Doherty pünktlich um 14 Uhr abholen, um mit ihm in den Pub zu gehen. So wie sie es jeden Tag machen. Aber Colm will nicht mehr in den Pub gehen. Zumindest nicht mit Pádraic. Genauer will er überhaupt nichts mehr mit diesem zu tun haben und beendet vom einen Tag zum nächsten die Freundschaft. Für Pádraic, der sonst nicht viel hat und dessen Leben auf der irischen Küste von wenigen Ritualen geprägt ist, geht damit eine Welt unter. Klar, da sind auch noch seine Schwester Siobhán sowie der „Dorfidiot“ Dominic Kearney. Doch Pádraic ist fest entschlossen, diese Geschichte nicht auf sich beruhen zu lassen, sondern für seine Freundschaft zu kämpfen, koste es, was es wolle…
Auch wenn The Banshees of Inisherin als Komödie verkauft wird, stimmt das nur zum Teil. Die Geschichte um einen Iren mit schlichtem Gemüt, der erbittert um eine Freundschaft kennt, ist aufgrund der absurden Eskalation zwar schon unterhaltsam, gleichzeitig aber auch tieftraurig. Gerade die Sinn- und Perspektivlosigkeit, wenn das Land im Bürgerkrieg versinkt, hallen noch lange nach: Wer bleibt, verliert, egal auf welcher Seite. Für satte 9 Oscars ist Martin McDonaghs neuster Streich nominiert und überzeugt besonders durch die messerscharfe Dialoge, die von einem überragendem Ensemble vorgetragen werden. Besonders Barry Keoghan und Kerry Condon liefern schier unglaubliches ab und spielen die beiden Hauptdarsteller Colin Farrell und Brendan Gleeson in ihren gemeinsamen Szenen an die Wand.
01 EVERYTHING EVERYWHERE ALL AT ONCE
So richtig toll läuft es bei Evelyn Wang nicht gerade. Die Ehe mit ihrem Mann Waymond kriselt schon seit Längerem. Zu ihrer Tochter Joy findet sie keinen Draht mehr. Ihrem eigenen Vater konnte sie es ohnehin nie recht machen. Und dann auch noch das: Der Waschsalon der Familie bringt mehr Ärger als Geld, vor allem mit der Steuerbehörde. Wenn sie nicht irgendwie ihre Sachbearbeiterin Deirdre Beaubeirdra auf ihre Seite ziehen kann, drohen sie alles zu verlieren. Dass ihr Mann auf dem Weg zur Behörde plötzlich so komische Sachen von sich gibt und davon faselt, dass sie die Welt retten muss, kann sie daher absolut nicht gebrauchen. Doch dann stellt sie fest, dass hinter dem vermeintlichen Unsinn mehr steckt, als sie ahnte, und diese Welt einige Überraschungen für sie bereithält. Unter anderem die, dass sie nicht die einzige ist…
Everything Everywhere All At Once nimmt das im Science-Fiction-Bereich beliebte Konzept der Parallelwelt und macht daraus einen schönen und menschlichen Film. Einfallsreiche Actionszenen und aberwitzige Szenarien treffen auf eine emotionale Geschichte über die Bedeutung von Familie, existenzielle Selbstzweifel bis hin zu Depressionen und darüber, was es heißt ein Mensch zu sein in einer Welt, die keinen Sinn ergibt – und auch nicht ergeben muss. Eine Wundertüte von einem Film, der bei jedem Male schauen einfach immer besser und besser wird und deswegen auch zurecht ein ganz heißer Kandidat am kommenden Sonntag mit Oscars nur so überschüttet zu werden!
Du willst mehr? Gerne! Dann schau auch in andere Jahre hinein:
- Mein „Best Picture“-Ranking 2022 (Oscar-Gewinner: CODA)
- Mein „Best Picture“-Ranking 2021 (Oscar-Gewinner: Nomadland)
- Mein „Best Picture“-Ranking 2020 (Oscar-Gewinner: Parasite)
- Mein „Best Picture“-Ranking 2019 (Oscar-Gewinner: Green Book)
- Mein „Best Picture“-Ranking 2018 (Oscar-Gewinner: The Shape of Water)