Die Oscars rücken immer näher und damit biegen wir auch schon wieder in die Zielgerade der diesjährigen Award-Season ein. Die Spekulationen rund um den wichtigsten Filmpreis der Welt, finden nun ihren Höhepunkt. Mittendrin in den Diskussionen ist dabei auch Michael Hanekes Drama „Amour“. Insgesamt wurde der Film 5 mal nominiert und damit in mehr Kategorien, als wohl so manch einer gedacht hätte. Wie hoch sind nun die Chancen, dass „Amour“ einen oder sogar mehrere Oscars gewinnen kann? Das versuche ich ein wenig zu prognostizieren und prozentuell darzustellen.
Schauen wir uns zuerst einmal an, in welchen Kategorien der Film überhaupt nominiert wurde: Bester Film – Beste Hauptdarstellerin – Bester Regisseur – Bestes Original Drehbuch und Bester fremdsprachiger Film. Wenn man bedenkt, dass es sich hierbei um einen komplett außerhalb der USA produzierten Film handelt, bei dem vergleichsweise wenig Budget zur Verfügung stand, ist die Anzahl an Nominierungen doch sehr beachtlich. Damit wandelt man auf den Spuren von Meisterwerken wie „Crouching Tiger, Hidden Dragon“ (4 Oscars bei 10 Nominierungen), „Das Leben ist schön“ (3 Oscars bei 7 Nominierungen) oder „Das Boot“ (6 Nominierungen).
Kommen wir aber nun zur persönlichen Einschätzung:
Bester fremdsprachiger Film
Die Konkurrenz: Ohne respektlos klingen zu wollen, vor allem als Landsmann Hanekes, aber für „Kon-Tiki“ aus Norwegen, „Die Königin und der Leibarzt“ aus Dänemark, „No“ aus Chile und „Rebelle“ aus Kanada besteht kaum Hoffnung, auch nur irgendwie an „Amour“ vorbeizuziehen. Kein anderer Film hat in dieser Award-Season in den „Foreign Language“ Kategorien so sehr dominiert, wie „Amour“. Egal ob bei den BAFTAs (britischen Oscars), den Golden Globes oder bei den dutzenden Kritikerpreisen. Michael Hanekes Film hat fast alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. Das gerade bei den Oscars dieser Lauf gestoppt wird, ist höchst unwahrscheinlich.
Siegchancen:
„Amour“, Österreich – 80 %
„Kon-Tiki“, Norwegen – 10 %
„Die Königin und der Leibarzt“, Dänemark – 5 %
„No“, Chile – 3 %
„Rebelle“, Kanada – 2 %
Bestes Original Drehbuch
Die Konkurrenz: Die zwei härtesten Mitbewerber sind wohl Quentin Tarantino („Django Unchained“) und Mark Boal („Zero Dark Thirty“). Tarantino (Oscar-Preisträger für „Pulp Fiction“) hat für sein „Django Unchained“ Script bereits den BAFTA als auch den Golden Globe gewonnen. Boal (Oscar-Preisträger für „The Hurt Locker“) konnte erst vor wenigen Tagen für sein Script zu „Zero Dark Thirty“ bei der Writers Guild of America einen Preis abstauben. Allerdings waren da Scripts wie Tarantino & Haneke nicht zulässig. Was für Haneke spricht, ist in erster Linie das Momentum. Die vielen Oscar-Nominierungen und die nicht all zu übermächtige Konkurrenz, könnten Haneke verhelfen. Einzig und allein „Flight“ und „Moonrise Kingdom“ halte ich für sehr unwahrscheinlich.
Siegchancen:
„Django Unchained“ – 35 %
„Amour“ – 30 %
„Zero Dark Thirty“ – 20 %
„Moonrise Kingdom“ – 10 %
„Flight“ – 5 %
Beste Hauptdarstellerin
Die Konkurrenz: Eigentlich kündigte sich ein Duell zwischen Jessica Chastain („Zero Dark Thirty) und Jennifer Lawrence („Silver Linings“) an. Bis vor der Bekanntgabe der Oscar-Nominierungen, hätte ich das sogar noch unterschrieben. Nun sieht es aber so aus, als würde Emmanuelle Riva („Amour“) den Platz von Jessica Chastain einnehmen und der Frontrunnerin Jennifer Lawrence immer näher kommen. Dies ist allerdings keine Überraschung, sondern einfach eine logische Schlussfolgerung. Die Darstellung von Riva ist für mich mit Abstand eine der bewegendsten und besten der letzten 10 Jahre. Wenige Tage vor der Verleihung der BAFTAs, habe ich angekündigt, dass Riva bei einem möglichen Sieg, später auch den Oscar gewinnen wird. Den BAFTA hat Riva ist bereits – folgt nun der Oscar?
Siegchancen:
Jennifer Lawrence, „Silver Linings“ – 35 %
Emmanuelle Riva, „Amour“ – 30 %
Jessica Chastain, „Zero Dark Thirty“ – 20 %
Naomi Watts, „The Impossible“ – 10 %
Quvenzhané Wallis, „Beasts of the Southern Wild“ – 5 %
Bester Regisseur
Die Konkurrenz: Für jeden, der in dieses Jahr bei einem Tippspiel mitmacht, ist dies wohl eine der schwierigsten Kategorien. Eigentlich müsste ja der Preis an Ben Affleck für „Argo“ gehen. Er hat die beste Regie-Arbeit des Jahres geliefert. Das ist einfach so. Umso bizarrer, dass er bei den Oscars nicht einmal mit einer Nominierung bedacht wurde. Überraschend war auch, dass Kathryn Bigelow für „Zero Dark Thirty“ nicht nominiert wurde. Wer bleibt dann also noch? Die wahrscheinlichste Wahl wär entweder Ang Lee („Life of Pi“) oder Steven Spielberg („Lincoln“). Da aber eigentlich keiner von beiden so recht in das Anforderungsprofil eines Favoriten passt, könnte es auch einen Überraschungssieger geben. Michael Haneke, David O. Russel („Silver Linings“) aber auch Benh Zeitlin („Beasts of the Southern Wild“) dürfen sich in dieser Kategorie, selbst als Außenseiter, berechtigte Hoffnungen machen. War das Rennen um den Regie-Oscar je offener?
Siegchancen:
Ang Lee, „Life of Pi“ – 30 %
Steven Spielberg, „Lincoln“ – 25 %
Michael Haneke, „Amour“ – 20 %
David O. Russell, „Silver Linings“ – 15 %
Benh Zeitlin, „Beasts of the Southern Wild“ – 10 %
Bester Film
Die Konkurrenz: In der Königsklasse aller Kategorien gibt es insgesamt 9 Filme, die den Oscar als „Bester Film“ gewinnen können. Realistische Chancen haben aber eigentlich nur 3-4 Filme. Das wären „Argo“, „Lincoln“, „Life of Pi“ und „Silver Linings“. Unter diesen vier genannten, ist „Argo“ der absolute Top-Favorit. Zwar hat Ben Affleck keine Nominierung als „Bester Regisseur“ erhalten hat, doch könnte gerade diese Tatsache ihm (und u.a. Mitproduzent George Clooney) zum Oscar verhelfen. Außerdem hat „Argo“ in den letzten Wochen und Monaten jeden wichtigen Filmpreis gewonnen. Neben dem Golden Globe, gabs außerdem noch den BFCA-Award (Broadcast Film Critics Association), den PGA-Award (Producers Guild of America) und den BAFTA-Award – jeweils für den „Besten Film“. „Amour“, „Beasts of the Southern Wild“, „Django Unchained“, „Les Misérables“ aber auch „Zero Dark Thirty“ sind hier chancenlos. Das „Amour“ unter die 9 besten Filme des Jahres gewählt wurde, ist aber als riesiger Erfolg anzusehen und ein Indiz dafür, wie sehr die Academy den Film gemocht hat.
Siegchancen:
„Argo“ – 40 %
„Lincoln“ – 20 %
„Life of Pi“ – 15 %
„Silver Linings“ – 10 %
„Zero Dark Thirty“ – 5 %
„Django Unchained“ – 3 %
„Amour“ – 3 %
„Les Misérables“ – 2 %
„Beasts of the Southern Wild“ – 2 %